„Wenn Kinder mit Trennung drohen: Was hinter dem Satz ‚Ich such mir eine andere Familie!‘ steckt“

Kinder überraschen uns immer wieder mit Aussagen, die uns zum Nachdenken bringen – manchmal auch zum Schmunzeln oder gar zur Selbstreflexion. Wenn ein Kind trotzig verkündet: „Jetzt such‘ ich mir eine andere Familie!“, klingt das zunächst dramatisch. Doch hinter solchen Worten steckt meist kein echter Trennungswunsch, sondern ein kindlicher Versuch, mit Frust und Enttäuschung umzugehen.

Diese Äußerungen sind Ausdruck eines sicheren Bindungsgefühls – denn nur wer sich geliebt und angenommen fühlt, wagt es, die Beziehung auf diese Weise herauszufordern. Der folgende Artikel beleuchtet, wie Eltern auf solche Aussagen reagieren können, ohne die Bindung zu gefährden, und wie sie gleichzeitig liebevoll und klar Grenzen setzen.

Starke Sätze aus Kindermund können schockieren und Angst machen. Wie ist das zu verstehen? Habe ich total versagt?

Nicht selten geben schmollende Kinder solche Sätze von sich, wenn sie ein Verbot nicht akzeptieren wollen oder etwas nicht durchsetzen können. Zur Beruhigung: Solche Sätze sagt ein Kind meist nur, wenn es sich der Liebe seiner Eltern und seiner Wichtigkeit in der Familie sicher ist. Andreas (5) lässt mit Aussagen wie „Jetzt such‘ ich mir eine andere Familie!“, psychologisch gesehen, die Muskeln spielen, möchte auf kindliche Weise Druck ausüben, weil er intuitiv spürt, dass er damit Betroffenheit und Schuldgefühle auslösen kann – damit die Eltern nachgeben.

Typische Eltern-Reaktionen:

  • Manche Eltern kontern locker: „Wenn sie dich nehmen…“ oder „Von mir aus kannst du gehen, wohin du willst!“ Hier spürt das Kind Gleichgültigkeit.
  • Andere erwidern böse: „Das ist doch die Höhe!“ oder „Du bist eine Nervensäge!“ Auch hier verspürt es Ablehnung.
  • Wieder andere meinen beschwichtigend: „Nein, bleib, du bist gleich an der Reihe!“ oder „Hier hast du!“ Mit ihrer Nachgiebigkeit ermutigen sie das Kind, die Strategie beizubehalten, bei gleichzeitigem Autoritätsverlust.

 

Aber was braucht ein Kind in einer solchen Situation?

Liebe, Grenzen, Bindung

Zum einen brauch das Kind die Festigkeit der Eltern, die nicht so mit sich verfahren lassen (Grenzen), zum anderen aber darf die Beziehungsbasis (Liebe, Annahme, Bindung) nicht beschädigt und auch nicht in Frage gestellt werden. Jedenfalls müssen wir einmal tief durchatmen und der Bedeutung einer solchen Aussage nachspüren und nachgehen. Habe ich vielleicht mein Kind übergangen? Verbal verletzt?

Gesprächsfaden

Gehen Sie auf den Widerstand, das negative Gefühl ein, das diese Reaktion ausgelöst hat.

Zum Beispiel: Mutter: „Du bist sauer, weil du diesen Film nicht sehen darfst?“ (Verständnis)
Kind: „Ja, weil…“
Mutter: „Kann ich verstehen. Aber weißt du, dieser Film ist nur für Große.“ (Erklärung).

Wenn, wie in diesem Beispiel, die Bindung und die Autorität mit dem im Titel zitierten Satz vom Kind in Frage gestellt wurden (wenn auch nicht bewusst und nicht wirklich ernst gemeint, und vielleicht auch nur, um sich neuerlich der Zuneigung der Eltern zu vergewissern) sollten Sie unbedingt versichern:

„Du bist unser liebes Kind. Wir gehören zusammen, auch wenn es manchmal Streit gibt.“

Eventuell können Sie auch etwas schnippisch, aber niemals zynisch antworten und Klarheit schaffen: „Ich habe dich mir auch nicht im Versandhauskatalog ausgesucht. Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft. Ich bin deine Mama und du bist mein liebes Kind. Deshalb mag ich nicht, wenn du mit solchen Sprüchen kommst!“

Auch eine verspätete Antwort ist möglich

Nicht immer haben Sie die passende Antwort parat oder ausreichend Zeit, um zu diskutieren. Dann kommen Sie in einer ruhigen Minute darauf zurück: „Du hast vorhin (Zitat) gesagt. Wie meinst du das?“

Wenn die Beziehungsbasis gefestigt ist, kann eine Grenze untermauert oder nach einer neuen Lösung für das aktuelle Problem gesucht werden.

Ähnliche Artikel

Ein Artikel von

Portraitfoto Maria Neuberger-Schmidt

Weitere Artikel des Autors lesen