Hilfe, mein Kind pubertiert! - Ein Survival-Guide für Eltern
Kinder lernen vor allem im Kindergartenalter mit ihren Gefühlen umzugehen, diese zu benennen, im besten Fall können sie sich selbst gut regulieren. Wir Eltern sind dabei Vorbild und Unterstützer.
So weit, so gut. Und dann kommt es in die Pubertät.
Das Kind, das bisher Gefühle gut artikulieren und scheinbar gut damit umgehen konnte, wird plötzlich von Stimmungsschwankungen, Wutausbrüchen, Heulkrämpfen und Lachanfällen heimgesucht. Regelverletzungen und heftige Diskussionen bestimmen diese Zeit und stellen das Familienleben auf den Kopf.
Die Pubertät - Das Gehirn ist eine Baustelle
Der Beginn der Pubertät liegt zwischen dem 9. und 13. Lebensjahr (daher schreibe ich von Kindern und Jugendlichen abwechselnd). Abgesehen von körperlichen Veränderungen kommt es zu Verhaltensänderungen, die das Zusammenleben mit einem pubertierenden Kind nicht einfach machen.
Dabei geht um das Loslösen vom Elternhaus, um Unabhängigkeit und das Erkennen der eigenen Identität, was mit Selbstzweifeln und Unsicherheiten einhergeht. Es erfordert Sicherheit und viel Verständnis von den Eltern um durch die Pubertät zu kommen.
Was können Eltern tun?
Ich glaube, es ist essentiell zu verstehen, dass das pubertierende Kind nicht plötzlich „böse“ geworden ist oder Eltern in fieser Absicht ärgern will, es kann einfach gerade nicht anders.
Wir sollten im Hinterkopf haben, dass Eltern für ihre pubertierenden Kinder Reibepunkt, Streitpartner, Richter und beständiger Partner sein sollen.
#1. Gelassen blieben
Das Verhalten und die Worte des Kindes dürfen wir nicht persönlich nehmen. Ich weiß, Kinder können verletzend sein und sagen Dinge, die Mama oder Papa ungemein kränken. „Mama, du bist genauso dumm wie du hässlich bist“ – ja, das sitzt. Sie kennen uns ja auch wirklich gut. Nehmen wir uns das nicht zu sehr zu Herzen und vor allem lassen wir uns nicht auf Diskussionen ein. Nach einer Abkühlphase kann man in Ruhe reden.
#2. Mehr Freiraum und weniger Kontrolle
Jugendliche sollen ihre eigenen Erfahrungen machen dürfen. Bisher waren Mama und Papa Ansprechpartner und Aufsicht für (fast) alles, jetzt müssen wir lernen loszulassen und die Kontrolle abzugeben. Das ist nicht leicht, vor allem, wenn wir als Erwachsene die Folgen des Handelns abschätzen können, die Pubertierenden aber sowieso nicht auf uns hören würden. Treffen wir also mit den Kindern gemeinsame Abmachungen und weisen sie behutsam (!) auf mögliche Konsequenzen hin.
#3. Die Privatsphäre akzeptieren
Pubertierende haben Geheimnisse und sollten die auch haben dürfen. Das Gefühl, nicht mehr alles mit den Eltern zu teilen, hilft bei der Abgrenzung. Interessieren wir uns für die Welt der Pubertierenden - mehr aber nicht. Das heißt, die Schultasche müssen sie selbst aufräumen, wir lesen keine Chatverläufe oder E-Mails und klopfen an, bevor wir ihr Zimmer betreten.
Ich habe es mir schon früh zur Gewohnheit gemacht, zu fragen, ob die Kinder ein „gutes Geheimnis“ (Papas Geburtstagsgeschenk) haben – da habe ich nicht weiter nachgebohrt. Oder ob jemand sie unter Druck setzt, nichts zu verraten. Im Falle eines „bösen“ Geheimnisses“ habe ich mich immer als Vertrauensperson angeboten.
#4. Zuhören statt reden
Auch wenn pubertierende Kinder kratzbürstig sein können, sollten wir stets gesprächsbereit sein. Und ja, ein aufmerksamer Elternteil ist immer dann gefragt, wenn der Moment denkbar ungünstig ist (z.B. wenn Mama unter der Dusche steht mit Shampoo in den Haaren).
Trotzdem sollten wir unbedingt versuchen, jede Gelegenheit zu nutzen, um ein Gespräch mit uneingeschränkter Aufmerksamkeit (!) einzugehen, auch wenn die Bettgehzeit überschritten wird oder der Abwasch liegen bleibt. Dabei lieber zuhören als reden und nur nach Aufforderung einen Ratschlag erteilen.
#5. Nicht mehr Verbote als nötig
Regeln und Grenzen sorgen für Struktur und Sicherheit. Die Regeln müssen klar ausgesprochen werden, sie können auch gemeinsam verhandelt werden. Dabei aber darauf achten, sich auf ein Regel- Minimum zu beschränken, Dauerstreit ist sonst programmiert.
Manche Dinge sind nervig, aber weder gefährlich noch beeinflussen sie das Familienleben.
Ob die Schuhe ordentlich stehen oder die Jacke am Boden liegt, ist egal - dass das Kind die Hausaufgaben zeitgerecht erledigt, ist jedoch wichtig.
Wo es keinen Spielraum geben darf, sind Ausgehzeiten und pünktliches Heimkommen und beim Konsum von Alkohol und Drogen.
#6. Mit Teenagern auf Augenhöhe kommunizieren
Als Eltern sind wir gewohnt, unsere Kinder anzuleiten und für sie Risiken abzuschätzen. Mit Beginn der Pubertät müssen wir umdenken. Auch wenn Teenager es uns in ihrer Irrationalität und Impulsivität nicht leicht machen, geben wir uns bitte Mühe und versuchen sie zu verstehen.
Begeben wir uns auf Augenhöhe, hören aktiv zu und verlassen wir diese „Elternebene“.
Dazu gehört, sich zu entschuldigen, wenn man überreagiert hat oder im Unrecht war. Gleichzeitig dürfen wir einen respektvollen Umgangston einfordern.
#7. Die Teenagerwelt akzeptieren
Interessieren wir uns für die Teenager-Welt. Man muss ja nicht gleich Fan der selben Band oder ein Gamer im selben Computerspiel werden, aber das Kind sollte zumindest darüber reden können, ohne verurteilt zu werden. Die Clique des Teenagers ist den Eltern vielleicht ein Dorn im Auge, aber gerade solche Freundschaften sind im Teenageralter enorm wichtig, also hören wir kommentarlos zu, wenn darüber erzählt wird.
Die unmöglichen Klamotten akzeptieren wir mit einem liebevollen Augenrollen.
#8. Auszeiten nehmen und für sich selbst sorgen
Eltern brauchen Pausen. Vielleicht lässt sich der Freiraum, den der Teenager einfordert, in Zeit für sich selbst umwandeln. Der oder die Jugendliche wird häufiger mit Freunden unterwegs sein und kann sicher auch schon einige Zeit alleine bleiben, was Eltern die Gelegenheit zur Selbstfürsorge, zur Massage oder zum Fitnesskurs gibt.
Das Schlüsselwort ist ‚Stabile Beziehung‘
Abschließen kann man sagen, dass ein pubertierendes Kind viel Liebe und Zeit braucht, um durch die Großbaustelle Pubertät zu kommen. Und die Eltern vor allem Gelassenheit und gute Nerven.