„Das kann ich schon allein“ – So macht ihr eure Kids fit für den Schulweg

Sie stehen im Stau, vor Ihnen, hinter Ihnen eine Autokolonne, in jedem Auto ein Erwachsener vorne und auf der Rückbank ein bis drei Kinder. Alle haben sie dasselbe Ziel: das gleiche Schulgebäude, vor dem sich kein Parkplatz mehr findet. Türen werden fast im Vorbeifahren auf und zugeworfen, Kinder springen aus dem Wagen, Rucksäcke fliegen hinterher, und man winkt hastig, während man versucht, sich und sein Auto so schnell wie möglich wieder raus aus dem Chaos zu manövrieren. Kennen Sie das? Gehören Sie auch zu jenen Eltern, die extra den Umweg über die Schule zur Arbeit machen, nur damit der Nachwuchs pünktlich und vor allem sicher zum Unterricht kommt?

„Ja! Na und? Geht leider nicht anders“, sagen Sie, „es wohnt schließlich nicht jeder in Fußdistanz zu Schule oder Kindergarten.“ Stimmt schon. Schule, das heißt auch Schulweg, und der kann für Kinder wie für Eltern eine echte Herausforderung sein. Über den sicheren Schulweg wird viel diskutiert und geschrieben. Und oft gehen die Ansichten komplett auseinander, was dem Nachwuchs zumutbar ist und was nicht.

Begreiflicherweise werden wir Eltern von allerlei Ängsten geplagt, dem Kind könnte etwas passieren. Vielleicht spielt auch unsere Bequemlichkeit eine Rolle, weil es eben einfacher ist, das Kind ins Auto zu packen und vor der Schule abzuliefern. Aber es sollte uns eines bewusst sein: als ihre Chauffeure nehmen wir ihnen auch eine ganze Menge wichtiger Erfahrungen.

Eltern, die ihren Kindern den Freiraum Schulweg gönnen, tragen dazu bei, dass Selbstständigkeit geübt, Beweglichkeit und Ausdauer gefördert und soziale Kontakte geknüpft werden können.

Nicht nur Schulweg, sondern auch Erlebnisweg

Man sollte sich also nicht immer nur Gedanken über die Gefahren des Schulwegs machen, sondern auch um seine Bedeutung. Er ist nicht nur Schulweg, er ist auch Erlebnisweg!

Vom ersten Schultag an habe ich meine Kinder alleine auf den Weg geschickt. Das heißt, ich habe sie mit knapp sechs Jahren zu Fuß zur Bushaltestelle begleitet, dabei haben wir Schnecken gezählt, Grashüpfer gerettet und uns dabei Geschichten erzählt. Manchmal mussten wir laufen, manchmal sind wir gebummelt. Meine Kinder müssen hier, wo wir wohnen, den öffentlichen Bus nehmen, einen eigenen Schulbus gibt es nicht. Sie haben mir dann durchs Busfenster gewunken und sind losgebraust.

17 Stationen sind es bis zur Volksschule

Dann durchqueren sie mit anderen Schulkindern noch einen kleinen Park und stehen vor dem Schultor. Das ist schon eine ganz schön lange Strecke für so kleine Zwerge. Doch wir haben den Weg geübt, und sie waren so unglaublich stolz auf sich! Wenn sie anderen davon erzählten, wuchsen sie sofort mehrere Zentimeter. Sie waren übrigens die einzigen Busfahrkinder in der ersten Klasse. Alle anderen wurden täglich gebracht und geholt, auch wenn manche Kinder schon gebettelt haben, sie möchten es auch gern mal mit dem Bus versuchen.

Ich gebe zu, die ersten Tage habe ich meine Kinder heimlich mit dem Auto verfolgt, um zu sehen, ob sie auch an der richtigen Haltestelle aussteigen. Doch dann hat mich meine Tochter einmal erwischt und am Weg durch besagten kleinen Park gelacht und mir den Daumen-hoch gezeigt – alles ok, Mama, macht dir keine Sorgen - und ist einfach weiter Richtung Schule marschiert. Danach habe ich mich nicht mehr spionieren getraut.

War auch nicht nötig. Einmal noch bat ich zwei große Gymnasium-Mädchen an der Bushaltestelle, sie sollen meine Kinder bitte beobachten und aufpassen, dass sie nicht zu früh aussteigen. Die großen Mädchen haben sich richtig wichtig und erwachsen dank der Aufgabe gefühlt und vorbildlich auf die Kleinen geachtet. Nach der zweiten Schulwoche war das Busfahren dann schon für uns alle Routine.

Was den Auto-Kindern alles entgeht:

  • Gemeinsames Plaudern mit anderen Schulwegkindern, tuscheln, lachen, Nachmittagspläne-Schmieden
  • Über die Hausaufgaben reden oder gemeinsam fit machen für den Test, der ansteht
  • Sich behaupten lernen
  • Nicht mehr nur mit Gleichaltrigen zusammen zu sein (Das Zusammentreffen unterschiedlicher Altersgruppen wird auf dem Schulweg geübt.)
  • Gefahren auf der Straße selber einschätzen lernen
  • Die Umgebung kennenlernen
  • Straßennamen lernen
  • Sich auf sich selber verlassen müssen
  • Selber daran denken lernen, nichts im Bus zurückzulassen
  • Die Zeit besser einschätzen lernen (ab jetzt trägt das Kind stolz seine erste Armbanduhr)

 

Das „Alleine-Unterwegssein“ fördert die Selbständigkeit

Und wir wollen doch alle, dass sie eigenständige und selbstsicher Menschen werden. Der Schulweg ist nach dem Eingewöhnen im Kindergarten der zweite große Schritt auf dem Weg dorthin.

Je jünger das Kind ist, desto schwieriger ist das Loslassen. Dass Kinder am Anfang begleitet werden, ist gut und richtig. Doch braucht es dafür nicht unbedingt ein Auto.

Und auch wenn sich auf dem Schulweg nicht alle Gefahren aus dem Weg räumen lassen, die Strecke wird sicherer, wenn wir sie gemeinsam mit unseren Kindern üben.

Der ADAC empfiehlt Eltern folgendes Vorgehen:

  • Übt den Schulweg so früh wie möglich und zwar während des normalen Schulbetriebs, nicht an Wochenenden oder während der Ferien. Nur dann herrschen nämlich realistische Bedingungen.
  • Besprecht die Gefahrenstellen auf dem Weg ausführlich mit euren Kindern.
  • Wählt lieber einen etwas längeren Weg aus, wenn ihr dadurch Gefahrenstellen vermeiden könnt.
  • Begleitet eure Kinder am Anfang unbedingt.
  • Macht euren Kindern nicht zu viel Angst, lobt sie lieber, wenn sie etwas richtig gut machen auf dem Schulweg.

 

Sichtbarkeit

Leider sind Schulanfänger oft der Meinung, dass Autofahrer*innen sie wahrgenommen haben, weil sie selber sie sehen – ein gefährlicher Irrtum. Mit diesen Regeln könnt Ihr Euren Nachwuchs zusätzlich für Gefahren sensibilisieren:

  • Du gehst nur über die Straße, wenn wirklich kein Auto mehr kommt. Dafür schaust du links und rechts und wieder links. Du vergewisserst dich die ganze Zeit, dass auch tatsächlich kein Auto kommt.
  • Stehe nie zu nahe am Randstein, gerade an Kreuzungen und Kurven.
  • Rot heißt Stopp! Immer!
  • Bei grüner Ampel oder am Zebrastreifen gehst du erst los, wenn wirklich alle Autos angehalten haben. Lass dich dabei nicht von winkenden Fahrer*innen drängen.
  • Du betrittst die Straße nicht zwischen parkenden Autos.
  • Du bist besonders vorsichtig, wenn du die Fahrbahn vor oder hinter dem Schulbus überquerst.

 

Sichtbarkeit ist das A und O am Schulweg, gerade in der dunklen Jahreszeit. Stattet Kleidung und Schultaschen Eurer Kinder mit reflektierenden Materialien aus! Von den Schuhen bis zur Haube gibt es nichts, was nicht leuchten könnte.

Verantwortung

Letztlich haben wir Eltern die Aufsichtspflicht für den Schulweg bis zum Schulgelände. Egal ob wir sie mit dem Auto in die Schule bringen, sie mit dem Bus, dem Fahrrad oder dem Roller kommen oder ob wir sie zu Fuß schicken. Wir tragen die Verantwortung. Das heißt aber nicht, dass wir sie bis zum Klassenzimmer begleiten müssen. Aber der Schulweg sollte von uns altersgerecht geplant und eingeübt werden. Und in Österreich ist die Distanz der Schulwege meistens zumutbar.

Zum Schluss noch ein paar Tipps für Eltern:

  • Tragt dazu bei, dass Euer Kind den Schulweg so bald wie möglich selbstständig meistert.
  • Begleitet Euer Kind nur so lange wie nötig
  • Organisiert Euch mit anderen Eltern, falls Euer Kind den Schulweg noch nicht alleine bewältigen kann.
  • Fragt Euch immer mal wieder, ob Ihr Euer Kind wirklich aus Ängstlichkeit oder eher aus Bequemlichkeit in den Kindergarten, in die Schule fahrt.
  • Gönnt Eurem Kind den Freiraum, den es auf dem Weg in die Schule erfahren kann. Und lasst Euren Sohn Sohn, Eure Tochter diesen Erlebnisraum alleine erkunden.

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