Machtkämpfe mit Kindern vermeiden

Jeder Machtkampf beginnt meist damit, dass wir etwas von unserem Kind möchten und mündet dann letztendlich in der Frage, wer hier das letzte Wort hat. Eltern glauben oft, einen Machtkampf unbedingt gewinnen zu müssen, weil sie sonst an Autorität gegenüber ihrem Kind einbüßen würden. Doch das ist ein falscher Schluss.

„Bitte, räum dein Zimmer auf.“ bittet die Mutter den dreijährigen Julian bestimmt, der wiederum ungerührt weiterspielt. Die Mutter, verärgert darüber, dass sie ignoriert wird, sagt etwas lauter: „Julian, du räumst jetzt auf, sonst gibt es keinen Kakao zum Abendessen.“

„Ich mag nicht aufräumen,“ wendet dieser ein.

„Jeden Abend machst du so ein Theater mit dem Aufräumen, man könnte meinen, du seist noch ein Baby.“

Julian haut sein Spielzeugauto in die Ecke und erwidert trotzig: „Du bist eine so dumme Mama, ich mag aber einen Kakao haben, jetzt gleich.“

„Also wenn du so mit mir sprichst, dann gibt es weder einen Kakao noch eine Gutenachtgeschichte. Du brauchst auch gar nicht dein Spielzeug herumhauen, sonst kommt es weg,“ sagt die Mutter mittlerweile fast schreiend, nimmt das Spielzeugauto und räumt es vor Julians Augen weg.


Julians Mutter hat sich durch ihren Sohn in einen klassischen Machtkampf hineinziehen lassen, so wie ihn jede Mutter und jeder Vater schon unzählige Male geführt hat. Ohne, dass wir uns dessen bewusst sind, geraten wir immer wieder in einen verbalen Schlagabtausch mit unserem Kind, bei dem uns irgendwann nichts mehr einfällt, womit wir unser Kind dazu bewegen können zu kooperieren. Wir setzen immer noch eines drauf, in der Hoffnung auf diese Weise, das Kind zum Folgen zu bringen.

Jeder Machtkampf beginnt meist damit, dass wir etwas von unserem Kind möchten und mündet dann letztendlich in der Frage, wer hier das letzte Wort hat. Eltern glauben oft einen Machtkampf unbedingt gewinnen zu müssen, weil sie sonst an Autorität gegenüber ihrem Kind einbüßen würden. „Wenn ich mich jetzt nicht durchsetze und ihm klarmache, wer hier der Chef ist, dann wird unser Kind auch bei der nächsten Gelegenheit nicht auf mich hören. Dann wird es immer machen, was es will. Dann wird es sich in Zukunft alles erlauben.“ Doch das ist ein falscher Schluss.

Machtkämpfe dienen nicht unserer Autorität, sie schaden vielmehr der Beziehung zu unserem Kind, dass sich in seiner Integrität verletzt fühlt.

Eltern können letztendlich jeden Machtkampf gewinnen, wenn sie es drauf anlegen. Eltern sind nun mal die Chefs und haben jedes Mittel in der Hand, um Kinder dazu zu bewegen, das zu tun, was sie möchten. Doch wenn Kinder das tun, was Eltern von ihnen möchten, weil letztere die Stärkeren sind, dann ist das noch keine gelungene Erziehung, denn erfolgreiche Erziehung soll Kinder dazu bringen, von sich aus das Richtige zu tun.

Wie können wir nun mit Machtkämpfen umgehen? Machtkämpfe von vornherein vermeiden.

Oft ist es unser kämpferischer, gereizter oder fordernder Ton, der eine negative Gegenreaktion des Kindes hervorruft, da wir mit diesem Ton dem Kind bereits eine gewisse Unfolgsamkeit unterstellen. Unsere negative Erwartung fordert hier oft eine negative Reaktion geradezu heraus. Eine freundliche, aber bestimmte Bitte kann hingegen oft Wunder wirken.

Die Diskussion nicht eskalieren lassen

Verallgemeinerungen und persönliche Kritik am Kind führen dazu, dass es seine Integrität verteidigen muss, indem es innerlich auf Widerstand umstellt. Das ist eine natürliche und gesunde Reaktion. In obigem Fall geschieht das, als Julians Mutter ihn mit einem Baby vergleicht. Oft machen Eltern solche Herabsetzungen oder Vergleiche in der Hoffnung, ihr Kind auf diese Weise zur Kooperation zu bewegen. Stattdessen führen sie oft zu einer unnötigen Eskalation.

Julian fühlt sich angegriffen und setzt zur Gegenoffensive an, welche das „ich-muss-mich-durchsetzen-Gefühl“ der Mutter erst recht hervorruft. Der Mutter geht es dann gar nicht mehr um das Aufräumen des Schlafzimmers, sondern darum, ihre Position als Stärkere zu festigen.

Aus einem Machtkampf aussteigen

Kinder besitzen noch nicht die Souveränität, aus einem Machtkampf aussteigen zu können. Es sind die Eltern, die diesen Schritt setzen müssen, indem sie darauf verzichten, das letzte Wort zu haben. Sie können der Diskussion eine humorvolle Wendung geben oder das Kind mit einer Bemerkung überraschen, die es nicht erwartet hat, wie zum Beispiel: „Eigentlich wollte ich nur, dass das Zimmer schön ausschaut, bevor du schlafen gehst, und nun streiten wir uns so. Das finde ich schade, denn ich habe dich sehr lieb. Möchtest du, dass ich dir zu Beginn vielleicht ein wenig helfe mit dem Aufräumen?“

Es ist möglich, aus einem Machtkampf auszusteigen, ohne in der eigentlichen Sache nachzugeben, wenn wir bereit sind, darauf zu verzichten, das Wortgefecht als verbaler Sieger zu verlassen. Wir geben dem Kind auf diese Weise die Möglichkeit nachzugeben, ohne sich dabei beherrscht oder erniedrigt zu fühlen.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Christina Schmidt

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