Care-Arbeit: die unbezahlte Arbeit?

Schon wieder ein Artikel über die Ungleichbehandlung und ungerechte Aufteilung der Arbeit zwischen Männern und Frauen, denken Sie sich? Aber nein, diesmal leuchtet der Scheinwerfer auf einen anderen Aspekt dieser Aufgabe …

Care-Arbeit beschreibt die Tätigkeit des Sorgens und sich Kümmerns: um die Kindererziehung, den Haushalt und die Pflege hilfsbedürftiger Angehöriger. Ohne diese wichtigen und notwendigen Aktivitäten wäre der Erhalt des Menschen nicht möglich. Und richtig, dafür gibt es meistens keine monetäre Bezahlung. Aber ist diese Tätigkeit trotzdem unbezahlt? Das hängt ganz davon ab, in welchem Licht dies betrachtet wird.

Kann nicht auch das Wissen, das Leben eines anderen Menschen zu bereichern und ein Stück weit zu seinem Wohlbefinden beizutragen, Lohn sein?

Oder ein dankbares Lächeln, strahlende Augen und die Gewissheit, Gutes zu tun? Sind nicht auch diese Aspekte die Motivation dafür, sich ehrenamtlich zu engagieren und zu geben, ohne im Gegenzug etwas dafür zu erwarten?

Was ein Mensch an Gutem in die Welt hinausgibt,
geht nicht verloren. Albert Schweizer

Doch was treibt Menschen an, füreinander zu sorgen und selbstlos für andere da zu sein? Marshall Rosenberg, Begründer der Gewaltfreien Kommunikation, widmete sein Leben der Verbreitung des Wissens, dass menschliches Handeln immer auf die eigenen Bedürfnisse zurückzuführen ist. Indem wir geben und sorgen, erfüllen wir unsere Bedürfnisse nach sinnvollem Tun, nach Zusammenhalt und Gemeinschaft, nach gelebtem Glauben und danach, Geborgenheit zu vermitteln, oder nach Ordnung und Struktur.

Auch heißt es in der gewaltfreien Kommunikation:

„Tue nur, was du von Herzen gern tust, ohne dafür etwas zu erwarten!“

Hier befinden wir uns im Bereich der sogenannten intrinsischen Motivation, also jener Motivation, die von innen heraus kommt, die aktiviert wird, wenn wir Tätigkeiten als besonders wichtig, sinnvoll und herausfordernd erleben. Sobald wir für etwas, das wir tun, eine Gegenleistung oder Bezahlung erwarten, befinden wir uns mitten im Belohnungssystem, also in der extrinsischen, von außen kommenden Motivation.

Wir beginnen den Wert unseres Handelns daran zu messen, wieviel wir dafür bekommen. Der Wert der Sache an sich geht damit ein Stück weit verloren. Denn hört die Entlohnung auf oder wird weniger, sinkt auch deutlich die Bereitschaft, diese Tätigkeit weiter auszuführen.

Als junge Frau fuhr ich damals regelmäßig durch Österreich, um meine in alle Richtungen verstreuten Schwestern bei der Kindererziehung zu unterstützen. Dadurch, dass es uns in alle Winkel des Landes verschlagen hatte, waren sie oft allein und ohne die Unterstützung naher Verwandter. Mir fiel es damals leicht, als junge Studentin mit freier Zeiteinteilung, auf Besuch zu kommen und ihnen die Kinder für ein paar Stunden abzunehmen, damit sie arbeiten konnten oder einfach mal ein paar Stunden für sich selbst Zeit hatten.

Das schönste Geschenk, das ich dafür bekam, ist die innige, tiefe Beziehung zu den Kindern, die man nur erfährt, wenn man Zeit investiert.

Die Vertrautheit, die Freude beim Wiedersehen und die spürbare Liebe sind die Früchte davon. Als ich dann selbst Kinder bekam, waren meine Schwestern zu eingespannt mit Familie und Beruf, als dass sie auch den weiten Weg zu mir hätten auf sich nehmen können, um zu helfen. Da traf ich eine Frau, die ihre Tochter verloren hatte und furchtbar gerne eine Oma gewesen wäre.

Und ich, die keine Oma mehr für meine Kinder hatte, fühlte mich vom Schicksal geküsst. So wurde diese wundervolle Frau, die Oma meiner Kinder. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich anfangs zu ihr sagte, dass ich keine Babysitterin brauche, die ich zum Aufpassen bezahle. Was ich jedoch bieten kann, ist eine Aufnahme in unsere Familie, in der wir füreinander da sind, wo offene Türen und ebenso offene Ohren warten und wir einander Zeit schenken und Gemeinschaft erleben. Die gegenseitige Bereicherung für uns alle ist unglaublich wertvoll und ich bin jeden Tag dankbar dafür.

Diese Geschichten sollen zeigen, dass das Leben in ständigem Fluss ist und aus Geben und Nehmen besteht.

Und meist bekommt man nicht von denjenigen das Gleiche zurück, denen man selbst gegeben hat, sondern an ganz anderer Stelle oder zu anderen Zeiten. Und das ist auch gut so. Denn so kann das Handeln aus freiem Willen und vollem Herzen ermöglicht werden und die Hoffnung lebt, selbst auch zu bekommen, wenn man Hilfe und Unterstützung braucht.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Barbara Rampl

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