Was bleibt vom Wir, wenn das Funktionieren überwiegt?
Als Erwachsener ist es nicht immer leicht. Gewohnheiten schleichen sich ein. Man nimmt vieles als selbstverständlich. Das kann wiederum zu Krisen führen. Doch was können die Kinder dafür?
Die Ehe ist zweifellos eine wunderschöne „Erfindung“.
Mehr noch: Wäre sie nicht erfunden, es müsste glatt getan werden. Es heißt bedingungslos Ja zueinander sagen, sich zu binden, Freud und Leid zu teilen, den Alltag miteinander zu gestalten und fortan als „Team“ zu agieren.
Die Routine als Kippmoment
Denn war man einst Liebespaar und Ehepaar – und ist es natürlich immer noch – so ist man, wenn man Kinder hat, nicht zuletzt auch ein „Team“ mit gewissen Rollen, Aufstellungen und Funktionen.
Zudem haben sich über die Jahre gewisse Rollen eingeschliffen, deren Festsetzung sich nicht zu leicht abschütteln oder gar verändern lässt.
Der Alltag läuft oft fast schon unbemerkt ab, beinahe automatisch.
Diese Automatismen sorgen dafür, dass alles lautlos, reibungslos und eben routiniert funktioniert. In dieser Routine, in dieser reinen Funktionalität besteht aber die Gefahr, dass man sich als Ehepaar gewissermaßen verliert: Funktionalität hat Vorrang - Gefühle werden nachgereiht.
Die Krise
In solchen Phasen und in solchen Zuständen kommt es meist früher oder später zu mehr oder weniger ausgewachsenen (Ehe)-krisen. Der Partner fühlt sich nicht mehr gesehen, nicht mehr ausreichend geliebt, nur mehr auf seine „Rolle“ reduziert, sei es als Vater oder Mutter, als Ernährer der Familie oder als der- oder diejenige, die die meiste „Care-Arbeit“ vollbringt.
Kinder spüren viel
Es ist selbstverständlich, dass Kinder es dann mitbekommen, wenn zwischen den Eltern etwas „nicht stimmt“. Sie spüren Verstimmungen, Ungereimtheiten, und wenn sich bestimmte Schlampigkeiten im Alltag einschleifen.
Das, was zuvor reibungslos und mit dem Schmiermittel Glück funktioniert hat, wird den Eltern zunehmend zur Last.
Kleine Schnitzer und Fehler häufen sich. Kein Wunder, dass dann manche Aufgaben zunehmend schwer und als Belastung wahrgenommen werden.
Raus aus der Krise!
Was aber tun, wenn man in dieser unrühmlichen Phase ist, die sich wohl in jede Ehe von Zeit zu Zeit einschleicht?
Soll man so tun, als ob nichts wäre?
Oder gar „Theater“ spielen und Glückseligkeit vortäuschen ? Oder ist es der bessere Weg, es – je nach Alter der Kinder natürlich – klar zu kommunizieren, dass man als Paar gerade stürmische Zeiten erlebt, sich diese aber wohl bald wieder bessern werden?
Ehrlichkeit
Meiner Ansicht nach ist Ehrlichkeit und Klarheit die richtige Devise. Die Kinder sollen wissen, warum es aktuell – auf mehreren Ebenen – nicht ganz so rund läuft. Aber: Es macht definitiv keinen Sinn, die Kinder in Ehekrisen hineinzuziehen oder gar als Komplizen, Mediatoren oder als Personen zu betrachten, die wieder alles kitten oder richten könnte. Das ist, ganz unabhängig von Alter und Reife des Nachwuchs, zu keinem Zeitpunkt legitim.
Denn die Eltern selbst als erwachsene Personen haben ihre „Hausaufgaben“ zu erledigen!
Erst wenn Klarheit herrscht, ist es in Ordnung, die Kinder einzuweihen und neutral zu informieren.
Fazit
Diese Selbstreflektion und Offenheit in der Kommunikation sind ganz zentral. Denn nichts ist schlimmer als Eltern, die dauernd und lautstark vor den Kindern streiten, weil sie eben nicht in der Lage sind, ihre Probleme auf andere Weise zu lösen. Erst dann kann es gelingen, im Dialog und im Verbund mit den Kindern aus der Krise wieder gut herauszukommen.
Selbstverständlich sind die Kinder Teil dieser Krise, wenngleich sie nicht schuld sind.
Aber Krisen sind ganzheitliche Ereignisse, die das ganze System Familie betreffen.