Streit unter Geschwistern: Die Ursache liegt oft bei den Eltern

Wenn es um Geschwisterrivalitäten geht, ist es vor allem die Qualität der elterlichen Beziehung zu den Kindern, die die Geschwisterbeziehungen entscheidend mitprägt.

Alle Eltern bemühen sich darum, jedes ihrer Kinder anzunehmen wie es ist und Bevorzugungen keinen Raum zu geben. Und dennoch haben mehr Rivalitäten hier ihren Ursprung, als es den Eltern bewusst ist. Was kann man tun, um dem entgegenzuwirken?

# Petzen schafft Bündnisse

Gehen Eltern auf das Petzen eines Kindes ein, entsteht ein Bündnis mit dem petzenden Kind, während das andere ausgeschlossen wird. Eltern sollten Petzen daher nicht erlauben, außer es handelt sich um eine Gefahrensituation. Wichtig ist es aber zu hinterfragen, warum ein Kind petzt. Ist es nur sein ausgeprägtes Regelbewusstsein oder möchte es das Geschwisterchen bewusst herabsetzen und sich selber mehr Anerkennung verschaffen? In letzterem Fall, müssen wir als Eltern überlegen, wie wir diesem Kind mehr Anerkennung schenken, ohne auf das Petzen einzugehen. „Ich möchte jetzt nichts über Maxi hören, erzähl mir lieber, was du gerade machst!“

# Vergleichen heizt Rivalitäten an

Eltern vergleichen, weil sie anspornen möchten. Und dennoch birgt ein Vergleich immer auch ein Urteil, das das Verhältnis zu Geschwistern untereinander beeinflusst. Geschwister nützen Vergleiche der Eltern häufig aus, um sich gegenseitig auszustechen. „Mama hat gesagt, ich bin viel verlässlicher als du. Also darf ich das Geld in die Tasche nehmen.“ Von Vergleichen ist daher grundsätzlich abzuraten, außer es gibt eine Ausgewogenheit der „Vorbilder“ und es handelt sich um Kleinigkeiten und nicht um wesentliche Charaktereigenschaften. „Peter, du könntest etwas schneller machen, so wie dein Bruder Karl. Und du Karl, könntest drauf achten, nicht immer etwas umzuschmeißen, wenn du dich beeilst.“

# Verallgemeinernde Aussagen prägen

Aussagen wie: „Du kommst immer zu spät“ oder „Du jammerst so viel“ zementieren gewisse Rollen ein und werden so zu selbsterfüllenden Prophezeiungen. Gerade durch das „immer“, fühlt sich das Kind unfähig, sich zu ändern, so dass es erst recht in dieser Rolle steckenbleibt. Wenn Eltern schon ein Urteil fällen, sollten sie immer das konkrete Verhalten ansprechen. „Es ist nicht okay, dass du so schnell zuschlägst, wenn du dich ärgerst.“ Das ist weniger verletzend als ein Pauschalurteil und führt eher zu einer Veränderung. Auch Pauschalurteile werden von Geschwistern oft „missbraucht“, um Geschwister herabzusetzen. „Du darfst nicht mit meinem Auto spielen. Mama sagt auch, du machst so viel kaputt.“ Urteile und Vergleiche, die wir aussprechen, setzen sich in den Kinderköpfen fest und beeinflussen das Bild, das ein Kind von seinen Geschwistern hat.

# Eigene Erwartungen hinterfragen

Je weniger Erwartungen Eltern an ihre Kinder haben, desto leichter wird es ihnen fallen, ihre Kinder so anzunehmen, wie sie sind. Dennoch ist fast jede Familie von bestimmten Erwartungshaltungen der Eltern geprägt. Bei den einen sind es mehr die schulischen Leistungen, bei den anderen mehr die Sportlichkeit oder andere bestimmte Interessensrichtungen. Wieder anderen Eltern ist es in erster Linie wichtig, dass ihre Kinder brav oder ordentlich oder einfach immer zufrieden sind. In jeder Familie löst anderes Verhalten bei den Eltern Zufriedenheit und Anerkennung aus. Kinder spüren sehr bald, welche der Geschwister den Erwartungen der Eltern mehr entsprechen und welche weniger. Gerade aus diesem Gefüge heraus, können viele Rivalitäten, Neid oder das Bedürfnis, den Anderen auszustechen, entstehen. Eltern sollten sich daher ihre Erwartungshaltungen bewusstmachen und sich fragen, ob sie jenen Kindern genügend Raum geben, die nicht ganz ihrem Erwartungsschema entsprechen. Positiv zu sein gegenüber Kindern, die nicht ganz unserer Art entsprechen, vielleicht auch schwierig sind oder „aus der Reihe tanzen“, ist eine der größten Herausforderungen an das Elternsein.

Urteile und Vergleiche, die wir aussprechen, setzen sich in den Kinderköpfen fest und beeinflussen das Bild, das ein Kind von seinen Geschwistern hat.

# Bevorzugungen sind verboten

Allen Eltern ist klar, dass Bevorzugungen von einzelnen Kindern vermieden werden sollten. Und dennoch ist es oft nicht zu verhindern, dass Eltern zu einem konkreten Kind einen besonderen Draht haben. Dass es ein Kind gibt, das in ihnen eine besondere Begeisterung weckt. Gerade dann ist es wichtig, dass Eltern sich Mühe geben, die Geschwister vor dieser Begeisterung zu beschützen, die sehr wohl zu Rivalitäten führt. Als allererstes müssen sich Eltern dieser oft versteckten Parteilichkeit bewusstwerden. Gibt es ein Kind, zu dem ich generell nachgiebiger bin, „weil es ja eh immer so brav ist…“? Oder, das ich häufiger anspreche oder ihm etwas zeigen möchte, „weil es ja viel interessierter ist, wenn ich was sage, als die anderen.“ Eltern sollten den „sie-ist-ja-so-süß-Blick“ genauso vermeiden, wie den „was-willst-du-schon-wieder-Blick“ und alle Kinder mit dem gleichen liebevollen Blick in die Augen schauen.

Junge und Junge streiten um ein Spielzeug

# Auch Lob kann wehtun

Auch Lob kann Rivalitäten zwischen den Geschwistern hervorrufen, denn manche Kinder erleben Lob für das andere Geschwisterchen als Abwertung der eigenen Leistung. Lob kann ein Kind auch darin bestärken, das andere zu unterdrücken. „Mama findet auch, dass ich viel besser zeichnen kann“, heißt es dann. Sollen Eltern daher nie vor anderen Geschwistern loben? Natürlich nicht, schließlich soll unser Verhalten als Eltern ja authentisch und spontane Begeisterung auch möglich sein. Pädagogisches Verhalten soll nie zulasten unserer Natürlichkeit gehen. Aber es ist wichtig, auf Ausgewogenheit zu achten. Darauf zu schauen, dass auch das „schlimme“ Kind beim Gutsein erwischt wird und seine Portion Lob abbekommt. Oder dass wir vor einem Kind, dass mit weniger Selbstwertgefühl ausgestattet ist, etwas zurückhaltender mit Lob an den Anderen sind, da dieses sich das meist sehr zu Herzen nimmt.

# Schulnoten als Quelle des Vergleiches

Gibt es in einer Familie große Unterschiede zwischen den Noten der einzelnen Kinder, kann das ebenso zu Konkurrenzverhältnissen führen. Daher empfiehlt es sich, wenn Eltern Zeugnisse und Noten mit den einzelnen Kindern unter vier Augen besprechen. Das verhindert natürlich nicht, dass sich Geschwister dennoch ihre Noten gegenseitig unter die Nase reiben und das eine Quelle der Zwistigkeit daraus wird. Kinder sollen dennoch lernen, dass ihre Schulleistungen nicht die Qualität der Beziehung zu ihren Eltern beeinflussen. Hier ist es wichtig, dass Eltern den schulischen Leistungen ihre überzogene Bedeutung zu nehmen wissen und in Vier-Augen-Gesprächen die individuelle Bemühung eines jeden Kindes in den Vordergrund stellen.

# Rollen aufweichen

Festlegungen auf bestimmte Rollen entstehen durch Geschwisterkonstellationen, durch Erwartungshaltungen der Eltern oder auch durch die Kinder selber. Es gibt die Rolle des Opfers, „du Armer“, oder des Täters, „du bist ein Schlimmer“. Es gibt aber auch die Rolle des Ältesten, des Verantwortlichen, der sich möglichst seinem Alter entsprechend verhalten soll. Oder des Mittleren, der nur einfach irgendwie da ist, und der Jüngsten, die die Herzen aller berührt und jeden um den Finger wickelt.

Auch Rollen können Kinder zu Rivalen machen, denn es gibt solche, die Vorteile bringen, und andere, die Widerstand hervorrufen. Rollen können Kindern Munition gegeneinander in die Hand geben. „Immer muss ich alles aufräumen, Mama sagt ja auch, dass du unsere Chaotin bist.“ Eltern sollten versuchen, die Rollen aufzubrechen, indem sie zum Beispiel „dem Opfer“ beibringen, für sich selber einzustehen, statt diesen immer sofort zu verteidigen. Oder indem für „den Täter“ die Unschuldsvermutung gilt und ihm die Chance gegeben wird, zu erklären, was in ihm vorgeht.

Bestimmte Bereiche sollten nicht nur reserviert sein für diejenigen, die eine Begabung hierin zeigen. Das heißt „unsere liebe Chaotin“ soll durchaus auch zum Aufräumen herangezogen werden und auch bei den weniger musikalischeren Kindern kann in ein Instrument investiert werden, wenn der entsprechende Wunsch besteht.

# Gerecht ist, wer jedem gibt, was er braucht

Als Mutter oder Vater ist man nicht unbedingt gerecht, wenn man jedem Kind dasselbe gibt, sondern wenn man jedem gibt, was es braucht. Es gibt Kinder, die in sich ruhen und weniger Aufmerksamkeit benötigen als andere, die mit weniger Selbstwertgefühl durchs Leben ziehen. Diesen Bedürfnissen gerecht zu werden, hilft Geschwistern mehr, als ein überzogener Gleichheitswahn. Dennoch ist es wichtig, Kindern das an konkreten Beispielen verständlich zu machen. Wenig befriedigend für ein Kind ist in diesem Zusammenhang auch die Liebesbekundung, „ich liebe euch alle gleich“. Kinder spüren, dass diese Aussage oft nicht ganz der Wahrheit entspricht. „Ich liebe jeden von euch auf eine ganz besondere Weise“, ist eine befriedigendere Antwort, denn sie räumt jedem Kind eine individuelle Stellung ein.

# Familienbeziehungen stärken

Geschwisterfeindseligkeiten werden auch dadurch verringert, dass wir die Beziehungen zu den einzelnen Kindern besonders pflegen. Auch wenn das im ersten Moment ebenfalls Neid hervorrufen kann, wenn wir uns Kindern einzeln zuwenden, so wird es jedes Kind im Laufe der Zeit zu schätzen wissen, wenn es ausschließliche Zeiten mit Mama und Papa haben darf, in denen es individuell wahrgenommen wird. Ebenso förderlich ist es aber auch, Familienleben bewusst zu gestalten. Den Kindern schöne gemeinsame Erlebnisse ermöglichen, die sie miteinander verbindet, manche Zwistigkeit vergessen und die Gemeinsamkeiten stärker hervortreten lassen, kann Rivalitäten auch schwächen. Spieleabende, Ausflüge, besondere Mahlzeiten, Mottoabende, Musik, all dies kann Geschwister gemeinsam miteinander Freude erleben lassen. Freude, die manche Rivalität in den Hintergrund treten lässt.

 

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Ein Artikel von

Portraitfoto Christina Schmidt

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