Verhalten als Botschaft: Wenn Kinder über ihr Verhalten kommunizieren

Kinder kommunizieren mit uns über ihr Verhalten. Insbesondere dann, wenn sie für das, was sie fühlen, noch nicht die „richtigen“ Worte finden können. Sei es, weil sie noch zu klein sind oder weil es manchmal einfach nicht so leicht ist, ein „Gewitter“, einen „schweren Wolkenhimmel“ oder ein „Erdbeben“ im Inneren in klare Worte und Erklärungen zu fassen. Im Verhalten unserer Kinder stecken also wertvolle Botschaften an uns Bezugspersonen – Aber nur, wenn wir den Mut haben, liebevoll und ergebnisoffen hinzuschauen.

Verhalten – das ist alles, was wir aneinander wahrnehmen, sehen, hören. Verhalten ist immer auch Ausdruck eines Gefühls. Und dieses wiederum entsteht in uns durch ein (unerfülltes) Bedürfnis.

Wir haben zum Beispiel ein Bedürfnis nach Nahrungsaufnahme. Dadurch fühlen wir uns hungrig. Das hat Auswirkungen auf unser Verhalten. Wir machen uns etwas zu essen, bitten jemand anderen, etwas für uns zu kochen oder reagieren gereizt oder ungeduldig auf Andere. Ein Kind, das auf ein anderes Kind hinhaut, zeigt, dass es unter Umständen sehr, sehr viel Wut, Hilflosigkeit oder Frust in sich hat.

Daher ist es auch nicht damit „erledigt“ nur das Verhalten des Kindes abzustellen, denn es geht ja eigentlich um diesen riesigen Gefühlscocktail, der das kleine Systemchen des Kindes derart zum Überschäumen bringt. Woher also kommen all diese Gefühle, die zu einem bestimmten Verhalten führen?

Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig, auf die Bedürfnisebene zu schauen. Fühlt sich das Kind gesehen? Lieb gehabt, so wie es ist? Fühlt es sich sicher, hat es Orientierung? Fühlt es sich einzigartig, spürt es seinen Wert? Hat es genügend Möglichkeit zur Autonomie und Selbstwirksamkeit im Familienalltag? Wird es als Person und mit all seinen Gefühlen ernstgenommen?

Verhalten ist daher weniger persönlich gegen jemanden gerichtet, sondern in erster Linie wie eine sehr wertvolle Ich-Botschaft, für die die Worte (noch) fehlen.

Wenn ein dreijähriges Kind, nennen wir es „Paul“, den Spielzeugturm seines Bruders mutwillig zerstört, ist es nicht „absichtlich böse“. Es zeigt uns damit sein Gefühl: Wut, Frustration, Hilflosigkeit, Ohnmacht - oder von allem ein bisschen. Nun können wir Paul schimpfen, bestrafen, wir können uns ärgern – aber Paul würde sich am Ende nur noch ohnmächtiger und kleiner fühlen. Er würde nicht lernen, wie er sich anders ausdrücken kann. Er würde sich jedoch falsch und ungeliebt fühlen. Und das hilft nicht dabei, es das nächste Mal anders zu machen.

Viel wichtiger im Sinne einer nachhaltigen Lösung ist daher die Frage: Woher kommt dieses Gefühl? Was macht das Kind so wütend, dass es sich nicht anders zu helfen weiß?

Viel wichtiger im Sinne einer nachhaltigen Lösung ist daher die Frage: Woher kommt dieses Gefühl? Was macht das Kind so wütend, dass es sich nicht anders zu helfen weiß? Vielleicht hat Paul keine andere Möglichkeit, sich durchzusetzen, weil sein älterer Bruder sprachlich und motorisch schon viel weiter ist. Das fühlt sich für ihn vielleicht ohnmächtig, wütend und traurig an, er fühlt sich ausgeliefert - und das ist ein unangenehmer Spannungszustand, denn wir alle haben ein Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit, also danach, Situationen nach unseren Vorstellungen beeinflussen zu können.

Kinder spielen gemeinsam am Boden

Nun fühlt Paul all das in sich, hat aber mit seinen drei Jahren (noch) keine Worte oder Strategien, um sich auszudrücken. Außer eine: Er zerstört den Spielzeugturm – um sich zumindest ein bisschen weniger ohnmächtig und klein zu fühlen.

Es geht also darum, sich in das Kind einzufühlen und auf dieser Basis eine konstruktive Antwort auf sein Verhalten zu finden. Ihm beispielsweise zu helfen, sich innerhalb der Situation anders auszudrücken und das Grundbedürfnis, um das es geht, im Familienalltag generell (mehr) zu beantworten.

Jedes Kind braucht das Gefühl, ernstgenommen zu werden.

Um bei unserem Beispiel zu bleiben, hieße das, Paul stärker das Gefühl zu geben, für die Familie wichtig zu sein. Paul genügend Möglichkeiten zu geben, sich selbstwirksam, mutig und ernstgenommen zu fühlen. Ihn vielleicht auch in der Situation selbst ernst zu nehmen und zu begleiten, bis er es selbst auf der verbalen Ebene lösen kann.

Natürlich dürfen Eltern ihrem Kind auch sagen, dass sein Verhalten nicht in Ordnung ist („Ich will nicht, dass der Turm umgeworfen wird.“). Das ist aber nur die „halbe Miete“. Denn dann sollte es vor allem darum gehen, was ihr Kind eigentlich braucht.

Verhalten ist immer sinnvoll. Es dient der Befriedung von Bedürfnissen, manchmal durchaus auf paradoxer Ebene (negative Aufmerksamkeit ist besser als gar keine) und fungiert wie ein Sprachrohr: seht mich, hört mich. Und diese Botschaft dürfen wir ernstnehmen, damit wir konstruktiv, wertschätzend und in-Beziehung mit unserem Kind darauf antworten können.

Veranstaltungstipp

Wenn ihr mehr zu diesem Thema erfahren, mir eure Fragen stellen oder euch Beispiele aus eurem Familienalltag mit mir anschauen möchtet, besucht gerne mein #Elternimpulse-Webinar: „Verhalten als Botschaft: Was steckt dahinter, wenn Kinder…?“ am 27. April 2022, wahlweise von 9.30 – 11.00 Uhr oder von 19.30 – 21.00 Uhr
 

Kosten: 15 € pro Bildschirm oder 10 € im Abo #Elternimpulse

Alle Infos unter: https://beziehungsvoll.at/verhalten-kinder/
Ich freu mich auf euch!

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Portraitfoto Barbara Grütze

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