Seit 3 Monaten Lebensmittelretter - eine Familie erzählt
Als uns die Mutter eines Kindergartenfreundes auf einen Lebensmittel-Retter-Verein in unserer Nähe aufmerksam machte, wurden wir neugierig und traten bei. Unser Fazit nach einigen Monaten.
Es begann mit einem Säckchen voller Gebäck. Ich hatte gerade unseren 4-Jährigen Sohn zum Kindergarten gebracht, als mich die Mutter eines anderen Kindergartenkindes ansprach. “Wollt ihr ein Sackerl mit Gebäck vom Vortag?”, fragte sie, während sie ein Säckchen voller Kaisersemmeln und Kornspitz in der Hand schwenkte.
“Ja gerne, heute Morgen ist uns eh gerade das Brot ausgegangen”, antwortete ich. Im Gespräch erfuhr ich, dass sie Teil eines lokal tätigen Lebensmittelretter-Vereins ist. Das fand ich spannend. Und so begann unsere Reise…
Eine Idee entsteht
Zeitgleich kamen wir auch bei unserer Ergotherapeutin mit Lebensmittelrettern in Kontakt. Sie ist Mitglied eines anderen Vereins und nutzt ihre Praxis, um gerettete Lebensmittel an Verbraucher zu verteilen. Der Kontakt mit mehreren Lebensmittelrettern in unserer Umgebung zeigte Wirkung: Nach und nach entstand in uns die Idee, diese Vereine zu unterstützen.
Unser erster Gedanke war es, die Vereine mit unserer Kirche zu vernetzen. Denn die Vereine haben große Mengen Lebensmittel, die verzehrt werden sollen und wir haben in unserer Kirche viele Menschen, denen die Schöpfung Gottes am Herzen liegt!
Wir werden Mitglieder
So kam es dazu, dass wir Mitglieder wurden. Doch das Vernetzen von Verein und Kirche stellte sich als nicht so einfach heraus wie gedacht. Denn jeder Verein hat eigene Regelungen, die es zu beachten gibt und nicht jede Art von Mitglied darf Lebensmittel auch an andere weitergeben. Das finden wir nach wie vor sehr schade, jedoch kamen wir so - unbeabsichtigt - mit dem Lebensmittelretten als private Familie in Kontakt. Und lieben es seither!
Wie funktioniert das Lebensmittelretten konkret?
Das ist in jedem Verein verschieden. In unserem Verein ist das so: Der Verein hat Partnerbetriebe, die er berettet. In unserem Verein sind das Lebensmittel-Geschäfte sowie Restaurants.
1. Lebensmittel abholen: Die aktiven Mitglieder des Vereins fahren abends nach Geschäftsschluss zu den Partnerbetrieben und holen, meist zu zweit, Lebensmittel ab. Das sind zum Beispiel Backwaren vom Vortag, Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten wurde, oder Packungen mit Tomaten, die nicht mehr verkauft werden konnten, weil eine der 30 Tomaten in der Packung eine Druckstelle hatte.
2. Lebensmittel verteilen: Die geretteten Lebensmittel dürfen selbst nach Hause genommen werden. Was man nicht selbst verbrauchen kann, wird in eine Lebensmittelretter-Hütte gebracht. Von dort können sich andere Mitglieder Lebensmittel abholen. Manche Lebensmittel sind nicht mehr zum Verzehr geeignet. Hier kümmert sich der Verein darum, dass die Lebensmittel entweder an Bauern zum Verfüttern an Tiere weitergegeben oder ordentlich entsorgt werden. Das heißt: Lebensmittel aus der Verpackung nehmen und z.B. Plastik und Gemüse getrennt entsorgen.
3. Lebensmittel verarbeiten: Die Lebensmittel, die mein Mann fast täglich in der Retterhütte abholt, werden in unserer eigenen Familie verarbeitet und verzehrt oder - je nach Verein und Art der Mitgliedschaft - unter Einhaltung der Vereinsregeln an andere weitergegeben. Lebensmittel, die wir schon retten durften: Brot, Gebäck, Gemüse, Obst, Joghurt, Schokolade, Actimel, Jausensemmerl, veganes Schnitzel uvm.
Lebensmittelretten: Was wir daran lieben!
Lebensmittelretten schont die Umwelt
Jährlich werden in Österreich geschätzt 1 Million Tonnen Lebensmittel weggeworfen, etwa die Hälfte davon in österreichischen Haushalten(Quelle: WWF). Das ist schlecht für die Umwelt, denn die Produktion von Lebensmitteln verbraucht wertvolle Ressourcen wie Land, Wasser und Energie, die somit verschwendet werden. Lebensmittelretten = Umweltschutz!
Lebensmittelretten reduziert unseren Familien-CO2-Abdruck
Und das fühlt sich toll an 🙂
Lebensmittelretten ist ein kleiner Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit
Jeder zehnte Mensch auf unserer Welt leidet Hunger (Quelle: statistisches Bundesamt). Noch genießbare Lebensmittel wegzuwerfen, während woanders Menschen Hunger leiden, ist einfach nicht richtig. Lebensmittelverschwendung, wo immer möglich, zu vermeiden, ist demnach auch eine Pflicht im Sinne der sozialen Gerechtigkeit.
Was ich richtig toll finde: Viele Menschen, Bauern und Betriebe haben das bereits für sich erkannt und arbeiten gerne mit Lebensmittelretter-Vereinen oder -Initiativen zusammen- Gemeinsam können wir etwas verändern!
Lebensmittelretten involviert unsere Kinder
Durch das Lebensmittelretten können wir unseren Kindern Wissen über Lebensmittel und das Anliegen für sorgsamen Lebensmittel-Umgang weitergeben.
Lebensmittelretten macht uns mit neuen Produkten bekannt
Durch das Lebensmittelretten lernen wir viele neue Produkte kennen, die wir ansonsten nie gekauft hätten. Zugegeben, nicht alles hat unsere Geschmacksnerven getroffen, wir haben dadurch aber auch schon das eine oder andere neue Lieblingsprodukt entdeckt 🙂
Lebensmittelretten schont das Familienbudget
Das sollte zwar sicherlich kein Hauptgrund zum Lebensmittelretten sein - wer rettet, muss das Anliegen im Herzen mittragen! - aber es ist ein praktischer Nebeneffekt.
Voraussetzungen für einen Lebensmittelretter
- Ein ehrliches Anliegen für Umweltschutz und Zeit, sich im Verein einzubringen.
- Flexibilität und Offenheit für neue Produkte, denn man weiß vorher nie, welche Lebensmittel heute zu retten sind.
- Zeit zum (ver-)Kochen.
- Selbstdisziplin - denn wenn es in der Faschingszeit täglich Unmengen an Faschingskrapfen kostenlos zu retten gibt, braucht es eine gehörige Portion Selbstdisziplin, um sich keine ungesunde Ernährungsweise anzugewöhnen 😉.
Wenn deine Begeisterung für das Retten von Lebensmitteln geweckt wurde, kannst du sofort beginnen.
Denn Lebensmittel zu retten beginnt immer im eigenen Haushalt!
Tipps und Tricks, wie du Lebensmittelverschwendung in deinem eigenen Haushalt reduzieren kannst, findest du in den zwei hier vorgestellten Büchern, ebenso wie einen Kinderbuch-Tipp dazu:
Wenn du nun selbst Teil eines Lebensmittelretter-Vereins werden möchtest, wirst du bei diesen weiterführenden Links fündig:
- Verein “Lebensmittelretter OÖ”: https://www.lebensmittel-retter.at/
- Verein “Foodsharing Österreich”: https://verein.foodsharing.at/
- Verein “MUT”: https://verein-mut.eu/lebensmittel/
- Die Tafel: https://tafel-oesterreich.at/lebensmittelrettung/
- Too Good to Go: App, mit deren Hilfe man Lebensmittel direkt bei Geschäften retten kann
Viel Freude mit diesen Tipps wünscht dir,
Judith Mazzilli