Adoption - wie sag ich es meinem Kind? (Teil 1/2)

„Mama, war ich eigentlich auch in deinem Bauch?“ Plötzlich war sie da: die Frage, von der ich wusste, dass sie irgendwann kommen würde.

Zur Vorgeschichte

Unsere Tochter Anna wurde nach einer ungeplanten Schwangerschaft von ihren leiblichen Eltern kurz nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Da sich das Paar zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen konnte ein Kind zu haben, jedoch wollte, dass es ein liebevolles Zuhause haben würde, hatte es sich entschieden, das Kind zur Adoption frei zu geben. So kam es, dass mein Mann und ich im Frühjahr 2016 Eltern unserer Anna wurden.

Sie entwickelt sich prächtig, ist ein liebevolles, fröhliches und aktives Kind.

Offenheit und Transparenz dem Kind gegenüber

Wann und wie wir Anna erzählen würden, dass sie nicht unsere leibliche Tochter war, hatten wir nicht genau geplant. Wir waren uns jedoch sicher, dass es so früh wie möglich, aber so kindgerecht wie es nur irgendwie ging, sein musste, damit sie es von uns und nicht von jemand anderem erfahren würde.

Und nun war es soweit

 Anna saß einige Monate vor ihrem vierten Geburtstag am Topf, betrachtete ihren Nabel und fragte, wofür der denn gut sei. Ahnend, dass nun womöglich DIE FRAGE folgen würde, erklärte ich ihr, dass alle Menschen und auch Säugetiere im Bauch ihrer Mutter über die Nabelschnur ernährt würden. Und dann war sie da, die Frage, nein eher eine Annahme:

Und ich war natürlich in deinem Bauch!

Nein Anna, du warst nicht in meinem Bauch, aber im Bauch einer anderen Frau. Weißt du, es gibt viele Frauen, die ein Kind erwarten, es dann aber aus verschiedenen Gründen nicht bei sich haben können. Diese Frauen suchen dann nach einer Mama für das Kind. Einer Frau, die kein Kind hat und dann für dieses Kind zur Mama wird, da sie sich schon immer ein Kind gewünscht hat. Du kamst dann gleich nach der Geburt zu uns. Das war der schönste Tag für Papa und mich. Dich als kleines Baby für immer bei uns haben zu dürfen.“

Ich begann zu schwitzen: Reichte das? Würde sie mich weiter mit Fragen löchern, würde Anna das verkraften?

Zu meiner Erleichterung war ihr diese Erklärung vorerst einmal völlig genug. Sie erwiderte: „Ahhhh, ist doch klar, das ist wie bei manchen Tieren. Da nimmt zu Beispiel ein Tier sein Junges nicht an und ein anderes zieht es groß, das habe ich schon oft gesehen.“ Somit war das Thema erledigt. Anna ging zum gewohnten Spiel über und schien das Ganze dabei einmal zu verarbeiten.

Mein Mann und ich waren erleichtert.

Wir hatten immer vor, es Anna so früh wie möglich zu sagen, dass wir nicht ihre leiblichen Eltern waren, um sie davor zu schützen, dass sie es unkontrolliert von jemand anderem erfahren würde. Mit ihren noch nicht vier Jahren hatte sie es nun von uns in geschützter, kindgerechter Art und Weise erfahren, es in Ruhe aufgenommen und konnte nun Stück für Stück mit sich wachsen lassen.

Die nächsten Monate

In den nächsten Wochen und Monaten begann sie das Erfahrene auf jegliche Art und Weise im Spiel zu verarbeiten.

Es handelte sich nicht um ein traumatisches Spiel, sondern um ein kindliches, verarbeitendes Durchspielen.

So waren es einmal die kleinen Küken, die keine Eltern hatten, ganz allein auf der Welt waren und nun von ihr (Anna) aufgezogen werden mussten. Dann war es ein kleines Fohlen, dessen Mutter überfahren worden war und welches nun gepflegt werden musste….

Wir als Eltern merken, dass der Umstand, dass Anna nicht wie der Großteil der Kinder bei ihren leiblichen Eltern lebt, sondern eben erst kurz nach der Geburt zu uns kam, ein Leben lang - manchmal mehr, dann wieder weniger - ein Thema für sie sein wird. Doch wie jeder von uns seine bestimmten Lebensbereiche aufweist, die er/sie verarbeiten muss und die der Heilung bedürfen, so wird es bei Anna dieser Bereich sein, der sie ein Leben lang begleiten wird.

Denn wir wissen, dass allein die vorgeburtliche Zeit im Mutterleib, in der das Kind neun Monate die Stimme der leiblichen Mutter hört, den Schock der ungewollten Schwangerschaft miterlebt (womöglich wurde eine Abtreibung in Erwägung gezogen), die Entscheidung das Kind abzugeben, direkt mitbekommt, Verwundungen und Verletzungen hervorrufen, die das Leben danach massiv prägen und bereits in diesem jungen Alter nicht einfacher machen.

 

Wie wir als Familie auf dem Weg bleiben und uns das Thema Adoption ein Leben lang begleiten wird, erfahrt ihr in einem zweiten Teil.

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