Wo Liebe mehr zählt als Perfektion
„Bei denen läuft es immer gut, nur bei uns ist es regelmäßig schwierig!“, wer kennt diese Gedanken nicht? Oft schwingt dabei - wenn wir ehrlich sind - ein bisschen Neid mit.
Wenn andere scheinbar alles besser machen
In anderen Familien scheint vieles besser zu laufen als bei uns. Da gibt es zum Beispiel die Nachbarsfamilie, die sich gerade den neuesten Familienvan gleistet hat und nun mit diesem zum Luxusurlaub aufbricht, während wir mit unserer fünfköpfigen Familie gerade schauen müssen, wie wir unser altes Auto erneut durchs Pickerl bringen.
Da sind die Bekannten, deren Kind im Schikader trainiert und zu den besten der Gegend zählt, während unser Kleinstes gerade einmal damit angefangen hat ein ordentliches Rad zu schlagen. Der Sohn der Freundin hat gerade bei „Prima la Musica“ den ersten Platz belegt, während unser Sohn täglich zum Klavierspielen animiert werden muss. Während die eigenen Kinder Intensivhausaufgabenbetreuung in Latein benötigen, schaffen es deren Schulfreunde scheinbar alleine und in der Hälfte der Zeit.
Zu guter Letzt haben wir in unserer Beziehung vielleicht mit dem einen oder anderen Problem zu kämpfen, während ein befreundetes Paar nach zwanzig Jahren Ehe davon schwärmt, wie schön und gesegnet ihre Ehe doch sei.
Gibt es die perfekte Familie wirklich?
Aber sind wir einmal ehrlich: glauben wir wirklich, dass in diesen „Bilderbuchfamilien“ alles super läuft? Denken wir ernsthaft, dass nur wir mit Problemen und Herausforderungen kämpfen, während es die anderen „auf die Butterseite des Lebens“ geschafft haben?
Jede Familie ist einzigartig!
Jede Familie ist einzigartig, so einzigartig, wie es jedes darin lebende Familienmitglied ist. Jede hat ihren eigenen Stil und jede Familie setzt ihre eigenen Schwerpunkte. Während Sport die Religion der einen Familie ist, die jedes Wochenende Fotos von den bezwungenen Berggipfeln an den gesamten Freundeskreis versendet, legt eine andere Familie ihren Schwerpunkt vielleicht auf etwas ganz anderes. So wird diese Familie vielleicht mehr beziehungsorientiert leben, ein offenes Haus für Hilfesuchende haben, oder die Kinder im Musikunterricht fördern, gemeinsam singen und musizieren und sich musikalisch in der Gemeinde einbringen.
Leider neigen wir sehr schnell dazu, zu vergleichen und zu bewerten.
Was für die einen wichtig ist, ist es für die anderen vielleicht überhaupt nicht und das ist auch in Ordnung so.
Vergleichen macht unglücklich
Auf das Leben der anderen zu schielen und deren „Reichtum“ zu beobachten, wird uns auf Dauer nicht glücklich machen. Viel mehr werden sich Neid und Unzufriedenheit einstellen und uns den inneren Frieden und die Freude an dem, was wir haben, rauben.
Schwierigkeiten muss jeder im Leben bewältigen - die einen früher, die anderen später.
Ein Blick hinter die Kulissen
Familien mit zwei Elternteilen haben es oft einfacher als Alleinerziehende, denn sie müssen jedes Problem allein bewältigen. Zum Trennungsschmerz kommen oft existentielle Schwierigkeiten dazu. Allzu oft versuchen sie, für die Kinder Mama und Papa gleichzeitig zu sein.
Familien mit zwei erwerbstätigen Eltern haben andere Schwierigkeiten, als jene in denen ein Elternteil Vollzeit zu Hause bleiben kann.
Familien mit Kindern, welche besondere Bedürfnisse oder chronische Krankheiten haben, müssen andere Probleme überwinden als jene, die gesunde Kinder haben.
In manchen Familien ist ein Elternteil psychisch oder physisch krank, was eine enorme Belastung für das gesamte System darstellt. Doch auch hier muss das Leben irgendwie weiter gehen.
Hier zu vergleichen und zu bewerten, macht unglücklich und traurig.
Unzufriedenheit und Neid sind wie ein Gift, das sich, wenn man es zulässt und ihm Raum gibt, langsam in unseren Familien breit macht und sie von innen aufzufressen beginnt.
Sich bewusst gegen das Vergleichen stellen
Sobald man sich jedoch aktiv dafür entscheidet, die eigene oft nicht zu ändernde Familiensituation zu akzeptieren, hat man bereits einen ersten wichtigen Schritt gemacht.
Die Entscheidung, den Kindern im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen, ist der beste Weg in eine glückliche Kindheit.
Beziehungen müssen gelebt und gutes Zusammenleben geübt werden.

Dies geschieht nirgends so gut, wie in der Kernfamilie. Sobald wir in unser Familienleben Kraft, Zeit und Energie investieren, ist der Nährboden für eine gesunde Entwicklung der Kinder, sowie zu einer sicheren Bindung zueinander gegeben.
Was wirklich zählt
Dabei zählt es weniger, ob wir den Kindern finanziell alles bieten können, oder ob sie auf vieles verzichten müssen, weil es einfach nicht im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten liegt. Es zählt nicht, ob wir alle fit genug sind, am Wochenende eine Bergtour nach der nächsten zu machen oder Preise bei diversen kulturellen Veranstaltungen zu erzielen. Vielleicht müssen wir lernen mehr Rücksicht aufeinander zu nehmen und auch einmal zu Gunsten der Schwächeren auf etwas zu verzichten.
Nein, es zählt die Liebe und die Wertschätzung, die wir einander entgegenbringen, gerade auch den Schwachen in unseren Familien und jeden, die unsere Unterstützung brauchen. Das Verständnis für den anderen und der sichere Hafen, den wir einander bieten können, wenn die Welt draußen wieder einmal mit aller Härte und Unmenschlichkeit auf uns einwirkt, sind das, was zählt und die Welt ein Stückchen besser machen. An diesem Vorbild lernen auch unsere Kinder und werden so zu mitfühlenden, liebevollen Erwachsenen.