Wenn es dem eigenen Kind schlecht geht - und es nicht darüber spricht

Als Eltern hoffen wir, dass wir unseren Kindern in „gutem Kontakt“ sind. Doch was, wenn wir etwas erfahren, dass diese Hoffnung zerschlägt?

Zwei grundverschiedene Persönlichkeiten

Vorweggenommen: Unsere Mädels (13 und 16) sind grundunterschiedlich. Während die Große eher extrovertiert ist und ihr Herz auf der Zunge trägt, ist die Kleine eher introvertiert und man muss ihr regelrecht jedes Wort aus der Nahe ziehen. Dennoch gehen wir davon aus, dass wir mit beiden in „gutem Kontakt“ sind, ihre Probleme grundsätzlich verstehen und davon wissen und überhaupt das Befinden unserer Kinder ganz gut einschätzen können.

Doch was sich zuletzt bei unserer „Kleinen“ ereignete, hat uns dann doch gehörig vor den Kopf gestoßen und diese Annahmen ins Wanken gebracht: Seit geraumer Zeit teilt und „liked“ sie Videos, die von depressiv verstimmten Jugendlichen handeln und unterstützt damit gewissermaßen deren Stimmung und macht sie zu ihrer eigenen.

Alarmglocken oder "normale" Pubertät?

Nun hat auch unsere „Große“ einen guten Draht zur „Kleinen“. Sie fand heraus, dass es ihr offenbar „nicht gut geht“, dass sie das Leben aktuell als wenig anregend empfindet und sich vermeintlich nur bei ihren Freundinnen wirklich wohl und glücklich fühlt. Das lässt sich womöglich als klassische, früh-pubertäre Phase abtun.

Bei uns lässt das aber auch die Alarmglocken schrillen.

Das nicht deshalb, weil wir uns fürchten, dass Gefahr in Verzug ist. So gut kennen wir unsere Tochter dann doch. Die Alarmglocken schrillen, weil sie uns schlicht und einfach nichts davon erzählt hat.

Wir haben offenbar aktuell auch kein ausreichend ausdifferenziertes Sensorium dafür, solche Befindlichkeiten und Verstimmungen adäquat wahrzunehmen.

Seither fragen wir uns: Was ist falsch gelaufen? Warum ist dieser Draht aktuell offenkundig ein wenig unterbrochen oder zumindest die Leitung gestört?

Ist das eine normale Phase in der frühen Adoleszenz oder müssen wir tatsächlich mehr nachfragen und sie ganz gänzlich anders als unsere Große behandeln, die mittlerweile – zumindest was die Pubertät betrifft – aus dem gröbsten heraus ist?

Ein Versuch, Nähe aufzubauen

Gut möglich, dass letzteres ein Schlüssel sein kann. Wir versuchen es jedenfalls seither verstärkt, doch es wird immer wieder abgeblockt. Sie tut so, als ob nichts wäre und sie weiß wiederum nichts, dass wir es – vermittelt über die Videos die sie teilt und liked – „wissen“. Seither betrachten wir – besonders ich – alles unter diesem Gesichtspunkt.

Wir schauen darauf, wie es ihr wirklich geht.

Spielt sich etwas „hinter den Kulissen“ der womöglich lediglich gespielten guten Laune ab? Sind ihre Momente, in denen sie sich völlig zurückzieht und jeden Kontakt mit uns „blockt“ unter Umständen nur leise Hilfeschreie, dass sie eigentlich ausführlich mit uns reden möchte? Oder will sie in diesen Momenten wirklich in Ruhe gelassen werden und es sind es nur ganz normale Zeiträume in der frühen Pubertät, in denen sie Autonomie einfordert? Gewissermaßen erscheint uns unsere „Kleine“ gegenwärtig wie ein Buch mit sieben Siegeln. Ist auch das in diesem Punkt „normal“?

Unterschiedliche Herausforderungen

Mit unserer „Großen“ war es natürlich ebenfalls nicht leicht. Sie war – wie bereits angedeutet – oft sehr explosiv, es kam oft zu Konflikten. Ich maße mir dabei nicht an zu behaupten, dass wir sie in solchen Augenblicken stets verstanden und/oder ihre Handlungsweisen nachvollziehen konnte. Aber durch ihre expressive Art wussten wir gewissermaßen stets wo sie steht, sich gerade mental befindet, auch wenn die Motive dahinter schleierhaft blieben und sich manches für uns schwer verständlich oder gar irrational darstellte.

Bei unserer „Kleinen“ ist das schwierig: Sie ist verschlossen und lässt uns erst gar nicht so viele Möglichkeiten der Interpretation.

Sie gibt uns deutlich weniger „Stoff“, den wir als Eltern „auslegen“ und interpretieren könnten. Das macht die Situation tatsächlich schwieriger, zumindest aber gänzlich anders, als wir es bisher gewohnt haben.

Was ist jetzt zu tun?

Wir wissen es aktuell nicht. Aber wir bleiben dran und versuchen den Kontakt zu gut wie möglich zu wahren und bestenfalls klar zu verstärken.

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