Wertschätzung und Achtsamkeit im Familienalltag – eine innere Haltung

Wir kennen ihn, wir fühlen ihn, wir wissen von ihm – vom Schmerz, der sich in uns ausbreitet, wenn jemand unachtsam, geringschätzend und grenzüberschreitend mit uns umgeht, laut wird oder uns ankeift.

Wir spüren die Wut, die sich in uns ausbreitet, und die Angriffslust, die uns packt, um uns zu verteidigen. Wir fordern Respekt und Wertschätzung uns gegenüber ein. So darf und soll niemand mit uns sprechen. Wir gehen in den Gegenangriff. Oder sagen STOP. Oder: „Rede nicht so mit mir, als wär ich ein Kind!“ Sehr gut! Grenze aufgezeigt. Aber Moment mal…

Was heißt, „Rede nicht so mit mir, als ob ich ein Kind wär….“?

Dürfen wir mit Kindern anders sprechen, als wir es uns gegenüber erwarten würden? Wahrscheinlich geht’s Dir jetzt wie mir, und du denkst: Nein, natürlich nicht! Gerade Kindern gegenüber wollen und sollen wir wertschätzend, achtsam und respektvoll sein und kommunizieren. Denn schließlich, ist es so, wie es Peggy O´Mara einst ausdrückte:

„Die Art, wie wir mit unseren Kindern sprechen, wird zu ihrer inneren Stimme.“

Und wir wollen schließlich das Beste für unsere Kinder. Sie sollen gut über sich denken und später liebevoll zurückdenken können, an ihre geduldigen, achtsamen Eltern, von denen sie sich geliebt fühlten und Wertschätzung erfuhren.

Und der Entwicklung der Pädagogik und des Elternseins sei Dank, greifen wir heute auf eine Fülle an Wissen zu, dass uns unterstützt unseren Familienalltag wertschätzend und achtsam zu gestalten. Kopfschüttelnde, Fingerwedelnde Instagram-Mütter zeigen uns, wie wir nicht sein sollen und wie wir richtig mit unseren Kindern kommunizieren. Elternzeitschriften helfen uns mit Tipps, wie „Reduziere deine Stressquellen!“, um geduldig und wertschätzend bleiben zu können mit unseren Kindern. Und sie haben Recht. Stress erzeugt negatives elterliches Verhalten. Stress bringt uns dazu, zu denen zu werden, die wir nicht sein wollen. Also Ansprüche loslassen, Stressoren verringern, Alltag besser strukturieren, Selbstfürsorge-Momente schaffen und schon klappts mit der Umsetzung des Eltern-Tutorials von Social Media.

Ja eh,… denkst Du dir jetzt vielleicht. Und rufst dir die letzte Situation mit deinem Kind in Erinnerung, in der dir das so gar nicht gelungen ist… Das schlechte Gewissen ist auch schon wieder mit von der Partie? Dann geht es dir wie den meisten Eltern. Die allermeisten Eltern sind bemüht darum wertschätzend und achtsam mit ihren Kindern umzugehen. Und es gelingt auch in so vielen Situationen, und dann…

Ich möchte ehrlich zu Dir sein, denn es wird Zeit, dass wir Eltern die Dinge ansprechen, wie sie sind.

Ich als Mama,  schaffe es nicht immer wertschätzend und achtsam mit meinem Kind umzugehen. Ich werde lauter, ja auch der ein oder andere Brüller kommt mir schon mal aus. Ich sage Dinge, die ich sofort bereue, und für die ich mich nachträglich schäme. Ich sitze abends da und zähle meine Fails, anstatt die vielen guten Situationen und Gespräche zwischen uns zu würdigen. Denn die negativen Momente und Verhaltensweisen wiegen gefühlt so viel mehr.

Theoretisch hab ich alle Variationen von wertschätzender Kommunikation in meinem Kopf, ich weiß wie es geht. Ich habe mich als Beraterin aber natürlich auch als Mama mit zahlreicher Fachliteratur auseinandergesetzt, mich fortgebildet, reflektiert und fachlich begleiten lassen, meine eigenen Themen bearbeitet, und tue es noch. Also alle Voraussetzungen gegeben.

Und in so vielen Alltagssituationen gelingt mir das auch, wären da nicht diese anderen Momente. Diese Situationen, in denen der Stress überhandnimmt, die Spannung das innere Gummiringerl zum Schnalzen bringt, die Emotionen übernehmen und der Verstand den negativen Mustern Platz macht.

Wir alle sind nicht unendlich belastbar und gerade im Leben von Eltern gibt es zahlreiche Stressoren. Der Alltag ist zehrend, die Aufgaben nie enden wollend, der Zeitdruck in vielerlei Situationen ein stetiger Begleiter. Und dann liegt das Kind am Boden, wenn der wichtigste Termin der Woche wartet. Da endet auch bei mir das „Schatzi, Mausi, Hasi, würdest du jetzt bitte weiter tun…“.

Das ist NICHT die Schuld des Kindes.

Kinder dürfen sich wie Kinder verhalten, noch nicht die Fähigkeiten haben,  sich zu regulieren, zu reflektieren und zu steuern. Wir allerdings, tragen das Los der Erwachsenen und sind vollumfänglich und immer für unser Verhalten verantwortlich und können es uns nicht so einfach machen, die Schuld beim Kind zu suchen.

Wir selbst haben das Zepter in der Hand, proaktiv Situationen zu gestalten, auch wenn es sich nicht immer danach anfühlt sondern eher nach einem nie enden wollenden Strudeln durch Fremdbestimmung, Ohnmacht, Hilflosigkeit und Wut. Und zack wieder nicht so achtsam kommuniziert, wie ich es doch wollte.

Wir Eltern sind also auch nur Menschen, die sich nicht zur Gänze optimieren können. Kein Instagram-Video dieser Welt oder noch so sinnvoller Tipp, wird es möglich machen, unsere Ansprüche in jeglicher Situation, zu erfüllen, und immer so zu agieren, wie wir es uns in den schillerndsten Elternsein-Bildern ausmalen. Ich behaupte aber, Wertschätzend und Achtsam zu sein, ist eine innere Haltung, die ermöglicht, dass wir mit unseren Kindern dementsprechend agieren, auch wenn es gerade nicht danach aussieht.

Stell Dir mal vor: Wie wertschätzend es doch ist, wenn Du als mein Kind es mir Wert bist, mich als echter Mensch zu zeigen, der mit dir in einer echten Beziehung ist. Ein echter Mensch, mit Emotionen, Grenzen, Persönlichkeitsneigungen, Stärken und eben auch Schwächen und Fehlern.

Wie achtsam es ist, mit Dir als dieser echte Mensch stetig in Beziehung zu sein und dir zu vermitteln unsere Beziehung ist sicher, auch wenn es zwischen uns gerade stürmt, ich am Ende bin, gerade nicht mehr kann, oder zutiefst menschlich gerade nicht Eltern-Oscar-verdächtig agiere. Wie wertgeschätzt fühlst Du dich, wenn ich mit Dir über mein (Fehl)-Verhalten spreche, es reflektiere und mich dafür entschuldige.

Wäre es achtsam, wenn ich trotz stürmischer Momente, dich als Person dennoch immer wertschätze und Dir das auch sage? Alle Deine Verhaltensweisen muss ich aber nicht wertschätzen, wenn es auch achtsam ist, sie dennoch verstehen zu wollen. Wertschätzend Dir gegenüber ist es auch, mein Eltern-sein als stetigen Entwicklungsprozess zu begreifen und die Verantwortung für mich und meine Muster, meinen Stress, meine Themen zu übernehmen.

Denn achtsame Elternschaft muss nicht perfekt sein. Sie gewinnt aber, wenn sie  bewusst und entwicklungsorientiert gelebt wird.

Romantisierte Bilder helfen uns wenig, uns selbst zu entwickeln und unsere Aufgabe als Mama/Papa bewusst zu leben. Aber eine authentische, echte Eltern-Community, die sich austauscht und gemeinsam entwickelt, kann Halt geben.

Online-Workshop „Achtsame Kommunikation

Wenn Du mit dabei sein möchtest, komme Doch gerne im Rahmen der #Elternimpulse zum Online-Workshop „Achtsame Kommunikation: Die 5 Sprachen der Liebe – Welche Sprache sprecht ihr?“ am Mittwoch, 11.Jänner 2023 wahlweise von 9:30 – 11:30 Uhr oder 19:30 – 21:30 Uhr. (Kosten: 20€ pro Bildschirm) Alle Informationen und Anmeldung unter: www.bildungswerk.at (eine Veranstaltung des Katholischen Bildungswerkes – Elternbildung)

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