Wir brauchen mehr kindgerechte Gottesdienste

Sitzen, stehen, knien. Ja, der Gottesdienst folgt in der Katholischen Kirche einer gewissen Choreografie, die sich nicht immer von selbst erschließt. Im Groben folgt sie der Logik: bei den Zeichenhandlungen und Gebeten zu stehen, beim Hören zu sitzen und beim Mittelpunkt der Messe, der Wandlung, zu knien. Was allen großen und kleinen Gelegenheits-Kirchgängern als Hilfe dient, ist in erster Linie das mitzumachen, was die Kirchengemeinschaft vorzeigt.

Doch was gepredigt und was gesungen wird ist für Kinder freilich ebenso unspannend wie langes, ruhiges Sitzen auf einer harten Kirchenbank. Darum brauchen Kinder unbedingt spannende Gottesdienste!

Die Begrüßung ist ganz wichtig

Ein herzliches Willkommen aller Kinder in der Kirche, ein direktes Ansprechen durch den Pfarrer ist ein Muss, so finde ich, am Beginn jeder Messe. Jeder soll sich eingeladen und willkommen fühlen. Und wer mich direkt anspricht, dem schenke ich auch automatisch meine volle Konzentration.

Der Ort darf wechseln

Es muss nicht immer das Kirchenhaus sein.

Auch ein Gottesdienst im Freien in der Nähe eines Gemüsefeldes zu Erntedank würde sich anbieten oder der Pfarrgarten im Sommer unter schattigen Bäumen.

Nie werden meine Kinder einen Tauferinnerungsgottesdienst im Innenhof unserer Kirche vergessen, als alle – Eltern, Kinder, Großeltern und Freunde - auf Decken im Gras, auf Langbänken oder gemütlichen Stühlen unter einem großen Baum saßen.

Sogar unser kleiner Hund durfte mit. Wenn gesungen wurde, jaulte er zwar ein bisschen zur Melodie, aber das war kein Problem, im Gegenteil, alle lachten und beruhigten ihn durch intensives Streicheln. Er war glückselig, genau wie die Kinder, bei denen er mit auf der Decke direkt vor dem Altartisch sitzen durfte.

Das Verhalten in der Kirche verstehen

Ist es eine gute Idee, Kinder zum Ruhigsein im Gottesdienst zu ermahnen?

Auf jeden Fall ist es wichtig zu lernen, dass es in der Kirche Regeln und Rituale gibt. Im Gottesdienst passiert etwas Intensives, das bedeutet, ich muss mich konzentrieren. Es ist ein Ort der Ruhe. Dass das In-sich-hinein-Spüren und Lauschen noch nicht von Anfang an gut klappt, ist klar. Aber dass hier jeder die Stille sucht, muss erklärt und verstanden werden.

In manchen Kirchen gibt es daher schon eine Spieleecke, in der Eltern ihre Kleinkinder beschäftigen können.

Es muss in Ordnung sein, Kinder in den normalen Gottesdienst mitzunehmen, um ihnen auch die Chance zu geben, die Umgebung und die spezielle Atmosphäre kennenzulernen.

Die Abwechslung macht den Reiz aus

Kinder lieben das Mitmachen, sie lieben das Vorbereiten, sie lieben Bewegung, Lieder und bunte Bilder – eigentlich ganz wie wir Erwachsene. Ein belebter Gottesdienst ist einer, bei dem sich „was tut“.

Warum nicht im Vorfeld mit den Kindern Plakate zur Lesung gestalten? Warum das Brot fürs gemeinsame Abendmahl nicht mal gemeinsam mit den Kindern vorher backen? Wieso wird das Vater-Unser eigentlich so selten gesungen?

Kindern wird in einer Messe oft ganz schön viel Konzentration abverlangt. Jede Art von szenischer Untermalung macht das quängeligste Kleinkind still und aufmerksam. Denken wir nur an Krippenspiele!

Den Gottesdienst mitgestalten dürfen

Vom Religionsunterricht bis zur Jungschargruppe könnte man schon unter der Woche jede Menge für den Sonntagsgottesdienst vorbereiten.

  • Musikstücke mit Instrumenten (die dann im Gottesdienst an die anwesenden Kinder verteilt werden) einstudieren
  • bei einer Vorlesegeschichte Bilder malen lassen, die nachher in der Kirche aufgehängt werden
  • Kerzen basteln oder Laternen/Lampions
  • die Kirche mit selbstgemachten Papier-Blumen schmücken
  • ein Rollenspiel aufführen
  • Weihrauch aufsteigen lassen
  • etwas verteilen (besonders in der Adventszeit bieten sich selbstgemachte Kekse an)
  • Symbolhandlungen einbauen, z.B. einen Gegenstand durchreichen lassen und jeder, der den Gegenstand hat, kann, wenn er will, eine Fürbitte laut aussprechen
  • Das Altartuch selbst gestalten
  • Kinder könnten zum Schluss der Messe am Ausgang stehen und an die Kirchgänger gefaltete Friedenstauben, Sinnsprüche, Teelichter etc. verteilen und eine schöne Woche wünschen…

 

Doch eigentlich sind weder Ort noch Ablauf für einen spannenden Gottesdienst mit Kindern wichtig. Was zählt ist das Erleben der Gemeinschaft und das Hören von Geschichten.

Als ich Kind war

In meiner Kindheit hatten wir in unserer Kirchengemeinde eine wirklich moderne, sehr engagierte Religionslehrerin. Kurz nach Beginn der Messe bat sie alle Kinder mit hinüber in einen Spieleraum des Pfarrhauses, um sich um uns zu kümmern. Eine tolle Entlastung für die Eltern, die den Gottesdienst in Ruhe genießen konnten und ihre Kinder gut betreut wussten. Es gab Saft und was zu knabbern.

Erstmal hieß es austoben! Wir liefen herum, spielten fangen, powerten uns aus. Dann setzten wir uns in einen Sesselkreis, sie holte ihre Gitarre und wir sangen flotte, moderne Kirchenlieder.

Mittanzen, aufhüpfen, klatschen – alles war erlaubt. So kamen wir langsam zur Ruhe und wurden aufnahmefähig für ihre Bibelgeschichten. Sie las vor und erzählte, wir zeichneten dazu und dekorierten anschließend den Gruppenraum, den Eingangsbereich oder die Fensterscheiben mit unseren Bildern. Manchmal wurde auch ein Geburtstag gefeiert.

Es macht mich traurig

Zum Ende der Messe wanderten wir gemeinsam wieder hinüber zu den Erwachsenen und beteten das Vater-Unser. Manchmal bat der Pfarrer uns Kinder dazu nach vorne, wir hielten uns an den Händen und bildeten einen Kreis um den Altar. Ich habe – obwohl ich schon viele, viele Jahre in einer anderen Stadt wohne – immer noch Kontakt zu manchen Gemeindemitgliedern von damals, als ich Kind war.

Wenn ich heute Gottesdienste besuche, sehe ich leider nur wenige Kinder oder ganze Familien in der Kirche. Das macht mich traurig, weil ich als Kind doch so gerne am Sonntag zu diesen speziellen, spannenden Gottesdiensten ging. Ich hoffe, dass sich das in Zukunft wieder ändert.

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