Brauchen Kinder den lieben Gott?

Kinder stellen oft bohrende Fragen, auf die wir Erwachsene keine Antwort haben. Warum? Sie erleben die Welt anders als wir. Das vergessen wir oft, haben verlernt, uns in sie hineinzuversetzen, wollen uns aus Zeitgründen auch nicht hineinversetzen und das, obwohl wir doch selbst mal in ihrem Alter waren. Das Leben hat uns verändert. Traum, Fantasie, Kreativität, Einfühlungsvermögen diese Dinge gehören zu einer Welt, die wir im Alltag kaum mehr betreten.

Alles in der Kinderwelt ist groß.

Kinder erfahren schnell: die Welt kann liebevoll und umarmend sein, aber auch beängstigend, bedrohlich und gefährlich. Eine gruselige Puppe könnte doch durchaus lebendig werden. Auch wenn sie wissen, dass es nur eine Puppe ist. Ein Clown kann einem schon Angst machen, auch wenn man schon weiß, dass das nur ein Mann ist, der eine Maske trägt und eine Rolle spielt. Die Regeln, um sich zurechtzufinden, machen die Eltern. Die kennen sich aus. Zumindest tun sie immer so allwissend und selbstverständlich. Das müssen sie auch, ist das Folgen doch Voraussetzung dafür, dass den Kleinen nichts passiert.

Wenn wir nicht vehement und selbstbewusst klar machen, wo’s langgeht, würden die Kinder an uns zweifeln und Regeln infrage stellen.

Erwachsene müssen Vertraute und Beschützer sein. Und von Beschützern ist man abhängig. Streiten die Eltern mal, sind sie wütend, sind sie krank, kann das für die eigene, kleine Existenz ganz bestimmt bedrohlich sein.

In dieser intensiven Erlebniswelt spielt Religion eine ganz wichtige Rolle.

So basteln sich Kinder aus Lob und Tadel schon instinktiv ihre eigene, kindliche Art der Ethik. Weitere Anregungen für ihre Religion holen sie sich von den Erwachsenen. Sie hören vom „Lieben Gott“, lernen von der Oma abends ein Gute-Nacht-Gebet, sprechen im Kindergarten gemeinsam ein Tischgebet, gehen in den Religionsunterricht, zeichnen den Nikolaus, das Christkind, hören Bibelgeschichten. Sie lernen, Gott kann die Guten beschützen und die Bösen bestrafen. Er ist für sie so real wie jede andere Person. Und oft sprechen sie ganz von selbst mit ihm. Dann staunen Eltern, die selbst nie beten, plötzlich: „Unser Kind betet.“

Ich habe mir Gott als Kind immer als Riesen vorgestellt

Wenn selbst die Eltern zu ihm beten, wenn sie sagen „Gott sei Dank“, wenn ihnen etwas gelingt und „um Gottes Himmels Willen“, wenn sie schockiert sind, dann muss der Gott da oben über den Wolken ganz schön gewaltig und riesig sein! Kinder sind Gott gegenüber unbefangen, sie brauchen Gott so wie wir alle. Weil wir alle jemand Göttlichen oder etwas Göttliches brauchen, an dem wir uns anhalten können, etwas, das einen Plan hat, jemand, der weiß, wo’s langgeht, auch wenn wir den Weg verloren haben.

Wie geht man mit den unangenehmen Fragen um? Je einfacher die Antwort, desto besser kann das Kind sie in sein Weltbild integrieren.

  • Was ist eine Kirche? - Dort spricht man mit Gott. ­
  • Wer ist Gott? - Gott hat die Welt, dich und mich gemacht. ­
  • Warum ist Opa tot? -  Opa ist im Himmel bei Gott.

 

Kindern Gott zu erklären, kann motivieren, über den eigenen Glauben nachzudenken

Als ich Kind war, war die Sache einfach: Man war katholisch oder evangelisch. Zu Festtagen ging man in die Kirche. Es gab Umzüge in der Stadt, da schaute ich mit der Oma zu, wenn die Prozession durch die Straßen zog. Der Nikolo kam genau an dem Tag, an dem er kommen soll und nicht dann, wenn’s den Eltern in ihren Terminkalender passt. Das gleiche galt für den Krampus. Das war ein Hallo, die Kramperln wild tanzend am Platz! Ob man am Abend beten soll? Ja, was denn sonst? (Zugegeben, das war nur so lange fixer Bestandteil des Tagesrituals, so lang mein Bruder und ich klein waren.) Und vom Religionsunterricht abgemeldet hat sich, soweit ich mich erinnere, nie jemand. Diese Option gab es gar nicht.

Kann man seine Kinder christlich erziehen, wenn man selber nicht gläubig ist?

 

Ich merke, dass sich einige Erwachsene wie Lügner vorkommen. Ob es sich ums Christkind, den Osterhasen oder den Krampus handelt. Egal. Sie wollen um jeden Preis so lang wie möglich ihr Kind an die hübsche Vorstellung glauben lassen. Andererseits aber sind sie sich sicher, dass es das alles gar nicht gibt. Weil rational nicht erklärbar, ist auch Gott nicht da. Doch sie finden es zu hart, dem Kind zu sagen, die Menschen hätten sich Gott nur ausgedacht, die Welt sei zufällig entstanden und von Opa bleibt nur der verwesende Körper im Grab übrig.

Kinder wollen aber nicht belogen werden. Ist eine Antwort unzureichend erklärt, wird nachgebohrt. Das kann schon auf die Nerven gehen. Sie merken, wenn ihre Eltern nicht hinter dem stehen, was sie sagen. In dem Fall sollte man lieber im Vorhinein seine Ratlosigkeit zugeben. Religiöse Erziehung gelingt nur, wenn man nicht auf seiner Meinung beharrt, sondern andere Ansichten zulässt und sich auf die kindliche Sicht einlässt.

Glaube und  Religion sollte Hilfe sein und nicht als missionarischer Zwang erlebt werden.

Brauchen Kinder Gott?

Ein Kind zu stärken heißt, ihm zu beteuern, es immer lieb zu haben, egal, was es angestellt hat, egal, wie sehr man manchmal auch schimpft. „Ich habe dich immer lieb.“ Nichts anderes sollte man auch über Gott erzählen. „Gott hat dich immer lieb.“ Das ist doch etwas, auf das man bauen und vertrauen kann.

Das Abendgebet ist ein Danke-Sagen für all das Tolle, was man heute erlebt hat.

Den Tag auf diese Weise mit dem Kind vorm Schlafengehen revuepassieren zu lassen ist ein wunderschönes Ritual. Für beide Seiten. Was hat mich heute glücklich gemacht? Was hat mich geärgert? Worüber habe ich mich gefreut? Weshalb war ich traurig? Lieber Gott, bitte  hilf, dass dies oder jenes nicht nochmal passiert. Lieber Gott, mach, dass es allen, die ich lieb hab, gut geht. Lieber Gott, mach, dass sich alle Kinder heute Abend so geborgen fühlen können, wie ich gerade, ein warmes Bett haben und jemand, der ihre Hand hält, bis sie einschlafen.

Im Gespräch mit Gott lernt das Kind, seine Gefühle wahrzunehmen, ihnen Ausdruck zu verleihen, Misserfolge und Kränkungen zu relativieren und seine Stimmung aufzuhellen. 

Religiöse Erziehung bringt dem Kind eine positivere Sicht aufs Leben. Sie stärkt das Selbstbewusstsein und das Bewusstsein für die eigenen Gefühle und die anderer. Ja, Kinder brauchen Gott – genauso wie wir Erwachsene.

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