Soll mein Kind mit zur Beerdigung?

Viele Eltern glauben nicht an Gott und besuchen die Kirche nur noch zu Hochzeiten oder Taufen. Zu Begräbnissen – zumindest in meinem Umfeld – werden Kinder oft gar nicht mitgenommen. Das steht nicht mal zur Debatte. Zu traurig, alle in schwarz, viele weinen, Kindern wird da auch schnell fad, dann spielen sie am Friedhof rum, zappeln, sind lästig. Und die Eltern und Verwandten weinen zu sehen, sei nicht gut für die Kinder.

Dabei bereitet ein Begräbnis nicht den Kindern Unbehagen sondern den Erwachsenen. Der Tod gehört zum Leben dazu wie die Geburt. Man kommt, man geht. Blume wächst, Blume verwelkt. Ich habe meine Kinder nie von einem Begräbnis ferngehalten. Sie haben keinen Schaden davongetragen.

Die Eltern auch einmal weinen zu sehen, ist wichtig. Darüber zu reden ist Pflicht.

Auch wenn es auf viele Fragen keine Antworten gibt. Ehrlich zu sein, zuzugeben, dass man nicht alles weiß, aber an etwas glaubt, das ist die Antwort. 

Es ist von großer Bedeutung, dass wir Kinder an unseren Emotionen, auch an der Trauer teilhaben lassen. Bei einem Todesfall in der Familie bemühen sich die Erwachsenen häufig, ihre Trauer nicht zu zeigen und machen gute Miene zum bösen Spiel. Das ist für Kinder kein brauchbares Vorbild. Schließlich tun wir alle gut daran, den Druck rauszulassen, um uns zu erleichtern. Wer keine Traurigkeit rauslässt, schafft auch keinen Platz, um neue Freude reinzulassen. Mittlerweile weiß man, dass die Heranführung an den Tod als Teil des Lebens der kindlichen Entwicklung zuträglich ist.

In Ruhe kindgerechte Erklärungen zu geben, mitzuteilen, was bei der Trauerfeier genau passieren wird, eventuell den Abschiedsort vorher zu besuchen, um zu zeigen, wie es dort aussieht, kann ungeheuer helfen.

Auch Kinder sollen sich verabschieden dürfen

Nicht beim Begräbnis dabei zu sein, sehe ich als Versäumnis, das nie mehr nachgeholt werden kann. Die Teilnahme an einer Bestattung hilft den Kindern, die Endlichkeit des Lebens und die Endgültigkeit des Todes zu verstehen.

Ab wann ist einem Kind ein Begräbnis zumutbar?

Jeder kennt sein Kind am besten. Man sagt, dass sich Kinder ab 4 Jahren mit dem Tod auseinandersetzen können. Das hat noch nichts mit den Geschehnissen auf einer Beerdigung zu tun! Hierbei geht es nur um das Thema Sterben. Um es auf ein Begräbnis mitzunehmen, ist es wichtig, es gut darauf vorzubereiten. Man sollte unbedingt mit ihm über den Ablauf sprechen, wo man hingeht, wie es dort aussieht, was dort passiert, wer aller dabei ist, wie man sich dort verhält, und was man erleben und sehen wird.

Eine Beerdigung kann einem Kind helfen, den Tod zu verstehen. Aber nur, wenn es weiß, was einen dort erwartet. Der unerwartete Anblick von Trauernden in schwarzer Kleidung und von der Stille überall kann ein unvorbereitetes Kind stark verunsichern. Und dann kommen schlimme Träume. Es gibt viele tolle Kinderbücher, die den Tod und das Sterben verständlich und in einem schönen Zusammenhang erklären.

Hat dein Kind Fragen, auch wenn sie noch so absurd erscheinen, dann beantworte sie offen und ehrlich!

Denk daran: Genauso wie Ihr euren Hamster nicht einfach heimlich weggebracht, sondern ihm gemeinsam ein Bettchen in einer Schachtel gerichtet und ihn begraben habt, so soll auch der verstorbene Mensch nicht einfach fortgegangen sein und nie wieder kommen. Ihr verabschiedet euch von ihm, alle gemeinsam. Und weil ihr ihn lieb hattet, seid ihr traurig.

Das Kind weiß, dass der Verstorbene einen Platz hat und nicht einfach verschwunden ist. Das ist ganz wichtig.

Leider mussten meine Kinder schon sehr früh mit dem Tod umgehen lernen. Zwei Opas, eine Oma und eine entfernt verwandte Tante starben, als sie noch im Kindergartenalter waren. Und letzte Woche erst verließ uns ein guter Freund der Familie. Er wurde nur 48 Jahre alt, war Vater von 3 kleinen Kindern. Zwei Tage zuvor hatten wir ihn und seine Familie noch getroffen. Die Nachricht von seinem Tod kam für uns so überraschend, dass unsere Töchter den Schock, unter dem wir Eltern standen, hautnah mitbekamen.

Er war eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Ein Rezept, wie man darüber mit seinen Kindern spricht, gibt es nicht. Aber dass man darüber sprechen muss, oft und immer wieder, das ist essentiell.

Ich habe darauf bestanden, dass sich meine Kinder von ihrem Opa im Spital und ihrer Oma im Altersheim noch verabschieden dürfen. Es war schmerzlich, aber ich würde es jederzeit wieder so machen. Und ich habe darauf bestanden, sie zu den Begräbnissen mitzunehmen. Wir haben sie darauf vorbereitet, haben Bilder gemalt und Blumen ausgesucht, und die Kinder durften sie ins Grab werfen.

Und als ich nun am Begräbnis unseres Freundes seine Frau mit den drei Kindern sich umarmen und kuscheln sah, habe ich ganz viel Wärme empfunden. Diese großartige, starke, junge Frau hat es richtig gemacht. Sie hat ihre Kinder nicht vom Begräbnis ferngehalten. Sie haben sich zusammen von ihrem Papa verabschiedet. Ganz besonders schön war das bemalte und mit Handabdrücken bunt gestaltete Tuch, das sie über den Sarg legten.

Wir reden zuhause oft von denen, die nicht mehr mit uns - aber immer bei uns sind.

Und ich kann jeden nur ermutigen, offen mit dem Thema Sterben und Tod umzugehen, die Kinder mit einzubeziehen und alle Fragen offen und ehrlich zu beantworten. Natürlich nur, wenn die Umstände es zulassen. Letztendlich können eben nur die Eltern entscheiden, ob ein Kind für diese Themen schon bereit ist oder noch nicht.

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