Trotzphase: Wer mitbrüllt, verliert

Neulich am Küchentisch:

Mia: „Mama, mein Reizhusten klingt jetzt schon wie ein normaler Husten. Hör mal – höhöhöhö!“

Ich: „ Ich find, der klingt leider wie immer.“

Mia: „Aber er ist nicht mehr gereizt.“

Wie reizend.

Gesagtes wird zur Kriegserklärung

Dafür hab ich bald keine Stimme mehr. Nicht vom Husten, der ja durchaus ansteckend sein kann (wie ich aus Erfahrung weiß), sondern vom Brüllen. Angesteckt hab ich mich beim Brüllen vom Brüllen ihrer kleinen Schwester. Laut Internet soll ja die Trotzphase am 2. Geburtstag beginnen und mit dem 3. Geburtstag zu Ende sein. Gut gebrüllt, aber drauf gehustet!

Was ich auch angreif, was ich auch sage, es klingt wie eine Kriegserklärung in den Ohren meiner Jüngsten, die schon „halb vier“ ist, wie sie stolz sagt. Soll richtiger heißen, sie ist bereits viereinhalb Jahre alt, also bald fünf. Aber da sie mit der großen Schwester grad die Uhr mitlernt, ist das mit den Zahlen und Zeiten recht verwirrend für sie.

Falsch, falsch, falsch.

Immer und alles mach ich falsch. Ist doch sicher nicht so schlimm, meinen Sie? Pah! Es fängt gleich in der Früh an. Da hab ich doch tatsächlich nicht das Lilifee-Leiberl für sie rausgelegt sondern das mit dem Hasen drauf, und noch dazu hab ichs aufs Bett gelegt statt auf den Sessel. Mein Fehler, wie sie mir lautstark zu verstehen gibt. Und was fällt mir ein, ihr beim Anziehen überhaupt helfen zu wollen? Wieder Gebrüll. Ich verzieh mich ins Bad, bereite die Zahnputzsachen vor. Hätt ich das bloß sein lassen. Denn ausgerechnet heute wollte sie doch die scharfe Zahnpasta vom Papa ausprobieren. Und ich hab das vorher nicht errochen!

Kleinigkeiten führen zur Eskalation

Beim Frühstück der nächste Fauxpas meinerseits. Das Müsli gehört doch nicht vor der Milch in die Schale geschüttet! Kennen Sie diesen Blick, den nur kleine Kinder draufhaben? Der, wenn sie das Kinn fest auf die Brust pressen und wütend nach oben Richtung Decke starren? Blitze kommen da aus den Augen, sag ich Ihnen. Man sieht fast nur mehr das Weiße in den Augäpfeln, und dann dieses Funkeln. Überhaupt jetzt will sie kein Frühstück mehr. Und wir, Mia und ich, sollen bloß nicht so schauen, und grinsen sollen wir überhaupt schon gar nicht! Mia lacht. Sie kann nicht anders. Das war’s mit dem gemütlichen Beisammensitzen am Küchentisch. In den Augenwinkeln seh ich die Hand meines kleinen Wutzwergs das volle Saftglas ergreifen, es hochheben und … grad noch hab ichs abgefangen, bevor es die Große erwischt hätte. Noch mal gerettet. Nur den Fuß der Kleinen hab ich leider nicht kommen sehen. Der tritt mit Schwung gegen mein Schienbein.

„Auuuuuu!“ schrei ich. „Äääähhhhh! Bääähhhh!“ schreit sie. Die Große lacht indes weiter, was der Situation nicht dienlich ist. Jetzt erntet sie von uns beiden giftige Blicke. „Zieh die Schuhe an und geh zum Bus!“ brüll ich die Große an. „Und du hör auf zum Bitzeln, sonst hast heut Eisverbot“, schrei ich zur Kleinen. „Uäääähhh!“ Da rollt sie sich schon am Boden.

Die Welt stört sie, alles in der Welt stört sie, die Dinge, die Menschen darin und im Speziellen die Mama. Wenn nur alle kapieren würden, wie ungerecht das Leben zu ihr ist. Und zu mir? Aber Mamas Gefühle sind nicht relevant. Durch Schreien und Bitzeln erhofft sich die Kleine Verbesserung, oder zumindest, dass alle anderen wissen, wie gemein der Wutzwerg in ihr ist.

Der Schnüffelhund

Und wissen Sie was? Ich habe jemanden erfunden, der mir hilft, mein Kind beim Trotzen zu beruhigen. Es ist ein Spiel, das tatsächlich noch jedes Mal funktioniert hat.

Ich hole den „Schnüffelhund“. Wer das ist? Na, ich!

Meine Tochter liebt Hunde, ganz besonders natürlich die anschmiegsamen. Wenn Argumente nicht mehr helfen, wenn das Bitzelkind einen sogar schon wegstößt, will man es trösten und beruhigen, dann hilft der Schnüffelhund.

Der Schnüffelhund redet nicht, er ist ganz zart und schüchtern. Er ist nicht wild, er bewegt sich zaghaft aufs Kind zu, stößt mit dem Kopf leicht ans Kinderbein, legt seinen Kopf in den Kinderschoss,  schnüffelt süß wie ein Häschen und stupst das Kind sanft an. Der Schnüffelhund ist nicht groß wie ein Erwachsener, er kniet, geht auf allen Vieren und macht ganz vorsichtig wauwau und schnurrt dabei noch wie ein Kätzchen. Er kommt an mein Kind heran, wenn die Mama nicht rankommen darf. Und immer weicher und leiser wird mein Trotzkopfkind, immer mehr verschwindet der Wutzwerg in ihm.

„Haben wir uns wieder lieb?“

Plötzlich streichelt eine kleine Hand über meinen Kopf – pardon über den vom Schnüffelhund. Dem Schnüffelhund gefällt‘s, er kuschelt mit dem Trotzkopfkind, das den Schnüffelhund auf einmal fest umarmt und drückt. Und irgendwann sagt es zu ihm: „Ist schon gut. Ich bin ja da. Schnüffelhund!“

„Haben wir uns wieder lieb?“ frag ich nun als Mama vorsichtig. Und siehe da, dann bekommt die Mama die Umarmung. Gefühle kontrollieren lernen ist schwer. Nicht bloß für kleine Kinder. Wer sich als Mama am Riemen reißt, nicht mitbrüllt, sondern genau das Gegenteil macht, nämlich leiser wird und ganz klein, wird überrascht sein, wie schnell die Stimmung umschlägt und der Trotzkopf einem ein Lächeln schenkt.

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