Nachhaltig leben - Meine sieben Learnings

Müll vermeiden, Second Hand kaufen, öffentlich fahren, pflanzlich essen…all das stand mal ganz weit vorne in meiner Agenda. Meine Learnings aus den letzten Jahren.

Ich bin in Unverpackt-Läden gefahren (mit der Bim versteht sich), war Mitglied einer Food Coop, recherchierte gewissenhaft, um aussortierten Dingen ein  weiteres Leben zu ermöglichen (und sei es nur als Hunde-Schmusedecke in einem Tierheim) und bastelte Geschenke selbst.

Das habe ich in diesen Jahren gelernt:

#1 Nachhaltig ist das falsche Wort

Ganz ehrlich? Wir verändern als Gesellschaft unseren Planeten seit Jahrzehnten nachhaltig - leider in einer bedenklichen und uns und andere Spezies bedrohenden Weise. Ich für mich möchte also nicht nur nachhaltige Entscheidungen treffen, sondern vor allem möglichst ressourcenschonend leben.

#2 Ressourcenschonung braucht Gleichgewicht

Unser Planet hat nur begrenzte Ressourcen. Ich als Mensch aber auch. Mit den Ressourcen des Planeten sorgsam umzugehen ist mir ebenso wichtig, wie auf meine eigenen Ressourcen zu achten. Zu denen zählen Zeit, Geld und mein Energielevel. Wer Verantwortung für ein oder mehrere Kinder trägt, hat schnell mal knappe Ressourcen. Und sollte sich keineswegs schlecht fühlen, weil man den Weg zum Kindergarten mit dem Auto statt zu Fuss zurück gelegt hat oder den eingesaugten Lego-Stein nicht wieder aus dem Müll klaubt. Denn wer sich völlig verausgabt, hat irgendwann gar keine Kraft mehr für die umweltschonenderen Entscheidungen.

#3 Lass dich nicht verunsichern

In meiner ersten Schwangerschaft kaufte ich Stoffwindeln. Und erzählte davon. Das Umfeld reagierte darauf leider nicht nur mit erstaunten Blicken. Von Freundinnen bekam ich Wegwerfwindeln „zur Sicherheit“ geschenkt. Die Oma überwies uns monatlich eine kleine Summe mit dem Betreff „Windelgeld“. Mit anderen Worten: Niemand hat daran geglaubt, dass mein Vorhaben mit Stoffwindeln zu wickeln, gelingen würde. Das Ergebnis? Eine junge verunsicherte Mutter, die viel zu viel ihrer Entscheidungskraft in die immer wiederkehrende Frage gesteckt hat, welche Windel sie dem Kind als nächstes anzieht. Egal wie die Entscheidung ausfiel, von außen kommentiert wurde sie sowieso.

#4 Selbstsicher statt verbissen

Zwei Schwangerschaften später (und ehrlicherweise auch einige Freundschaften weniger) war ich deutlich selbstsicherer in meiner Mutterrolle. Diesmal gab es kein Back-Up zu den Stoffwindeln. Dafür ein zusätzliches Töpfchen zum Abhalten (Stichwort windelfrei, bzw. Elimination Communication). Es klappte wunderbar. Dabei wäre ich zu jedem Zeitpunkt bereit gewesen aus der nächsten Tankstelle Wegwerfwindeln zu holen, wenn es mir zu mühsam oder unpraktikabel geworden wäre. Wurde es aber nicht. Selbst 14 Tage Urlaub haben wir easy mit Stoffwindeln geschafft. Ich war glücklich und auch ein bisschen stolz, weil wir als fünfköpfige Familie mit Wickelkind mit der kleinsten Restmülltonne vor der Tür ausgekommen sind. Heute haben wir kein Wickelkind mehr, dafür eine größere Mülltonne.

Und auch das macht mich stolz: weil es mir zeigt, dass ich meine Entscheidungen nur für meine Familie und für mich treffe - und das immer wieder neu. Nicht für die Meinung anderer Leute. Und nicht für irgendeine Ideologie.

#5 Ich brauche kein Label

„DU kaufst sowas?“, „Bei euch gibt es das ja nicht!“ - solche Aussagen oder schlichtweg hochgezogene Augenbrauen erntet wohl jeder mal, wenn er in seinen Konsumentscheidungen nicht dem Mainstream entspricht.

Meine Meinung dazu? Fang gar nicht erst an, dich als Veganer*in dafür rechtzufertigen, warum da Honig auf deinem Brot ist. Gib als Minimalist*in nicht jedem Auskunft über die Anzahl deiner Kleidungsstücke. Lass dir als Öko-Papa nicht einreden, dass du deinem Kind den viel verpackten Paw Patrol-Schwachsinn an der Kassa nicht kaufen darfst. Und selbst als Klimakleber darfst du dich in ein Auto setzen und sogar eines besitzen.

Mittlerweile weiß ich: Wenn andere Leute mich in eine Schublade stecken wollen und ich passe da nicht rein, dann ist das ihr Problem und nicht meines.

#6 Mein Einfluss ist überschaubar

Ich glaube schon daran, dass jede*r einzelne etwas bewirken kann. Jede*r kann als Vorbild dienen und aufzeigen, dass es auch anders geht. Es ist toll, dass ich immer die Möglichkeit habe meine Welt im Kleinen nach den für mich richtigen Maßstäben zu gestalten!

Aber die Welt im Großen braucht kluge und mutige Entscheidungen seitens Politik und Wirtschaft. Und das darf jeder Mensch von den Entscheidungsträger*innen erwarten und einfordern, dafür muss er nicht erst selbst den perfekten ökologischen Fußabdruck vorweisen können.

Meinen ökologischen Fußabdruck habe ich ohnehin dadurch völlig zerstört, dass ich drei weitere Menschen in die Welt gesetzt habe. So viel kann ich gar nicht mehr auf Fliegen und Autofahren verzichten, um das auszugleichen. Leider gibt es tatsächlich die Debatte, ob man aus Klimagründen denn überhaupt noch Kinder auf die Welt setzen soll.

Liebe Leute, lasst euch nicht verunsichern:

Wenn ihr euch Kinder wünscht, bekommt Kinder!

Verständlicherweise hat jeder Elternteil ein besonderes Interesse an einem zukunftsfähigen und lebenswerten Planeten. Aber solange die nachhaltigeren Entscheidungen mehr Zeit, mehr Geld und mehr persönliche Anstrengung erfordern, liegt die Verantwortung dafür meiner Meinung nach in erster Linie bei der Politik.

#7 Mut zur Lücke macht glücklich

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Kontrolle und Sicherheit sehr hoch geschätzt werden. Und so ist es nicht verwunderlich, dass ein Großteil der Haushalte für jede Eventualität gerüstet ist. Das mag praktisch sein, ressourcenschonend ist es nicht. Und aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass ein gewisser Mut zur Lücke zu sehr großen Glücksgefühlen führen kann.

Ich liebe Autofahren, aber da wir lange Zeit für unsere täglichen Wege kein Auto benötigt haben, haben wir drei Jahre lang ohne eigenem Auto verbracht. Was für ein tolles Gefühl das war, zu erleben, wieviele Menschen mir im Fall der Fälle ihr Auto anvertraut haben (und was für eine großartige Schulung für meine Fahrpraxis, mich immer wieder auf ein neues Fahrzeug einstellen zu müssen)!

Wie gut die Kekse geschmeckt haben, die ich aus Resten kreiert habe, weil der nächste Einkauf noch nicht anstand. Und was für herrliche Geschenke ich mit meiner Tochter für Kindergeburtstage gebastelt habe, weil ich nicht extra etwas kaufen wollte! Außerdem hätte sich manch schönes Gespräch nicht ergeben, wenn ich nicht bei den Nachbarn um Eier gefragt hätte, wenn ich der Kindergarten-Mama nicht unsere zu klein gewordenen Gummistiefel angeboten hätte und wenn mein Kind nicht am Spielplatz fragen hätte müssen, ob es sich den Bagger einmal ausborgen darf.

Es spart nicht nur Ressourcen der Umwelt, wenn ich den Vertikutierer der Nachbarn mitbenutzte, anstatt einen eigenen in der Garage stehen zu haben. Es spart auch meine persönlichen Ressourcen: meinen Platz und mein Geld! Es ist ein wunderbares Gefühl, zu erleben, dass man nicht alles auf sich allein gestellt meistern muss. Es gibt Menschen, die gern und selbstlos teilen oder anders helfen! Und es gibt kaum ein wirkungsvolleres Mittel, um miteinander ins Gespräch zu kommen, und vielleicht sogar neue Freund*innen zu finden, als ehrlich und ohne Hintergedanken Hilfe anzubieten. Ein Geben und Nehmen je nach Bedarf und Möglichkeiten, anstatt ein Vorsorgen für alle Fälle.

Für mehr Familiencontent von Agnes schaut auf ihre Seite FamilienWIP

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