Mitten in der Krise - und doch getragen
Waschmaschine kaputt. Auto gehört in die Werkstatt. Kinder streiten ständig. Computer gibt plötzlich den Geist auf. Daten auf der Festplatte sind nicht mehr auffindbar. Meine Tochter schreibt ein „Nicht genügend“ auf die Schularbeit. Mein Sohn hat Läuse. Ich habe auch Läuse. Und die To-Do Liste ist endlos.
Befinde ich mich aufgrund der Anhäufung dieser Schwierigkeiten, die den familiären Alltag belasten, in einer Krise? Wohl noch nicht – obwohl ich derzeit wirklich erschöpft und oft genervt bin.
Eine echte Krise ist etwas anderes
Warum ich das behaupte: Weil ich einige solcher Krisen in meinem Leben bereits durchgestanden habe… aber mehr davon weiter unten…
Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch schreibt:
„Krise ist ein produktiver Zustand, man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“
Über diesen Satz muss ich erstmal nachdenken und mich fragen, ob Max Frisch wirklich auch erfahren hat und weiß, wovon er spricht.
Krise als produktiver Zustand? Wenn ein geliebter Mensch an Krebs erkrankt? Ein Familienmitglied stirbt? Eine psychische Krankheit unvorhersehbar über einen kommt?
Gefahr und Chance
Laut Wikipedia besteht das chinesische Wort für „Krise“ angeblich aus zwei Schriftzeichen: Gefahr und Chance.
Eine Krise stellt insofern einerseits eine „Gefahr“ für den Betreffenden dar, die ihn zu überwältigen droht mit dem Risiko, dass der Mensch die Belastung nicht mehr effektiv bewältigen kann.
Anderseits beinhaltet eine Krise die „Chance“ mit der Möglichkeit, in dieser Krise persönlich zu wachsen. Mitten in der Krise selbst wird aber kaum jemand dies als Bereicherung empfinden, sondern erst nach der positiven Bewältigung.
In der Krise herrscht ein Ungleichgewicht zwischen Größe des Problems und den ihm zur Verfügung stehenden Bewältigungsstrategien.
Man erlebt sich als hilflos, der Situation ausgeliefert, die ausweglos erscheint. Gefühle von Angst und Verzweiflung können bis zu Suizidgedanken führen.
Verschiedene Arten von Krisen:
- Veränderungskrisen (Pubertät, Familiengründung, Wechseljahre, Pensionierung, Pflegebedürftigkeit usw
- Traumatische Krisen (Todesfall, Krankheit, Unfall, Trennung, Kündigung usw.)
Meine persönliches Zeugnis
Meine Krise, von der ich hier kurz berichten möchte, hatte ich nach der Geburt meines dritten Kindes. Es war ein echtes Wunschbaby. Aber meine Schwangerschaft war schon mehr als unschön mit unerträglicher Übelkeit bis eine Woche vor der Geburt. Kurz vor der Geburt erkrankte ich zudem an einer schweren Grippe. Ich ging äußerst geschwächt, elf Tage über dem Geburtstermin in den Kreissaal, um mein Kind zu gebären.
Die Geburt verlief an sich normal. Aber in der ersten Nacht, in der ich stundenlang mein Baby durch die Geburtenstation trug, damit dieses nicht die anderen Frauen im 4-Bett-Zimmer durch sein Schreien aufweckte, kam eine Art Verzweiflung und komplette Überforderung über mich. Die Tage darauf bekam ich Schlafstörungen. Ich konnte nach dem Stillen (mehrmals pro Nacht) nicht mehr einschlafen und es überkamen mich eine Unmenge an Sorgen, Zweifel und dunklen Gedanken. Nach wenigen Wochen kamen Panikattacken, tägliche Weinkrämpfe und endloses Gedankenkreisen dazu.
Dennoch brauchte ich etwa zwei Monate, bis ich endlich verstand, dass ich Hilfe benötigte…
Krise - und was nun?
Leider gibt es nicht „den einen Weg“ aus einer Krise, den perfekte Therapieplan für jeden Menschen oder ein Rezept. Jeder Mensch ist einzigartig und ein Original. Trotzdem habe ich hier eine kurze Auflistung versucht von dem, was helfen könnte, um eine Krise zu bewältigen:
- Soziales Netzwerk und Entlastung
- Seelsorge, Beratung oder Therapie
- Regelmäßige Bewegung und Ausdauertraining
- Struktur, Routine und ausreichend Schlaf
- Ruhe oder auch Ablenkung
- Gebet und Perspektivenwechsel
- Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel
- Musik und Lobpreis
- und vieles mehr
Was mir geholfen hat aus meiner Krise? Vielleicht von allem ein bisschen. Aber sicher sehr viel Gnade Gottes!
Hilfe durch den Glauben
Und eines weiß ich nach der überstandenen Krise: „Das Gott bei denen, die ihn lieben ALLES zum Besten gereichen lässt!“ (Römer 8,28). Und ja, das ist recht viel, denn:
Ich sehe heute Dinge anders. Meine Prioritäten haben sich geändert. Ich lebe mehr als vor dieser Krise im Hier und Jetzt. Ich verstehe Menschen mit ähnlichen Problemen und seelischen Erkrankungen, was mittlerweile auch ein Segen für meine Beratungstätigkeit geworden ist.
Ich bin eine Lebenserfahrung reicher, selbst wenn sie ungemein hart erworben werden musste…
Mittendrin war es schrecklich! Das muss einfach klar gesagt werden. Ausweglos und dunkel! Ein Wandern durch ein äußerst „finsteres Tal“ (vgl. Psalm 23,4) … und ich möchte da nicht noch mal durchgehen müssen!
Gott trägt mich
Nach dieser schweren Zeit haderte ich auch oft mit Gott, weil er scheinbar „in meinem Lebensboot geschlafen hatte“ als der Sturm am angsteinflößendsten war (vgl. Matthäus 8,23-26). Aber Gott hat mich nicht ertrinken lassen und ich sitze nach fast 8 Jahren hier und schreibe diese Zeilen als Gesundete.
Kommt eine Krise zum richtigen Zeitpunkt? Niemals! Sie passt uns nie in unsere Lebenskonzept und kommt immer ungelegen (behaupte ich). Dennoch hat man als gläubiger Mensch einen Vorteil: Man ist NIEMALS ALLEIN!
Da ist DER EINE, der mit uns durch das finstere Tal hindurchwandert!