Dürfen Buben glitzern?
Sind Buben anders als Mädchen? Jein. Es gibt Tendenzen bei meinen beiden Burschen, die klischeehafter nicht sein könnten. Ich habe in den letzten vier Jahren mehr Zeit auf Baustellen verbracht als sonst irgendwo. Mein Wortschatz wurde um diverse Baufahrzeuge und Automarken erweitert. Ist das schlimm? Nein. Nur fad.
Um gegengeschlechtliche Horizonte zu eröffnen, konfrontieren wir unsere Kinder beispielsweise mit Spielzeug, das tendenziell Mädchen zugeordnet wird. Meist spielen sie mit diesen Sachen dann aber anders als von mir gedacht. Die Arme der Puppen wurden lange Zeit konsequent als Baggerarme verwendet. Mit den Buggys der Baggerarmpuppen werden Wettrennen veranstaltet. Schlimm? Nein. Nur faszinierend, wie sich von Anfang an spezifische Interessen ohne unser Zutun herauskristallisiert haben.
Doch eine Sache gibt es, die ich in den letzten Jahren festgestellt habe: Auch Buben wollen glitzern.
Der glitzernde Tanzrock
Bei der Tagesmutter meines Älteren war er der einzige Bub. Die Mädchen dort mochten es, sich in glitzernde Tanzröcke zu kleiden und da machte er mit. Manchmal wenn ich ihn abholte, schwebte er gerade (zugegebenermaßen weniger elfenhaft als seine Freundinnen) in einem ausgeborgten Glitzerrock an mir vorbei. Als die Tagesmutterära zu Ende war, und er ein Kindergartenkind wurde, wollte er für zuhause einen solchen „Tanzrock“ haben. Und ich kam mir ziemlich fortschrittlich und unspießig vor, als ich ein geschmackloses, pinkes Glitzerrüschenröckchen kaufte, mit dem er zuhause zu „Aramsamsam“ abshaken konnte. Doch dann war es so weit: Immer wieder fragte er uns, ob er den Rock nicht auch im Kindergarten anziehen dürfe. Schließlich sei der sooooo schön.
Welche Botschaft habe ich für mein Kind?
„Aber, der ist doch viel zu hübsch für den Kindergarten“, stammelten wir herum und unsere Stirn glitzerte mit dem Rock um die Wette. Doch irgendwann, eines Morgens, als mein Sohn wieder einmal anbrachte, dass er soooo gerne diesen schönen Rock anhaben wolle, kam ich mir blöd vor, nein zu sagen. Warum sollte ich eigentlich? Was sollte meine Botschaft sein? Tanz ja nicht aus der Reihe! Mach es immer so wie die anderen! Hab‘ Angst, Neues auszuprobieren! – Nein, wohl eher doch nicht.
Und so sagte ich ihm, dass er den Rock gerne im Kindergarten anziehen könne. Ich bereitete ihn jedoch darauf vor, dass manche Kinder das lustig und ungewohnt finden könnten. Diese Aussicht nahm er in Kauf und ging pink glitzernd in den Kindergarten. Kam er traumatisiert nachhause? Nein. Ganz trocken interessiert, fragte er mich, warum manche Buben gesagt hätten, er sähe aus wie ein Mädchen. „Weil meistens Mädchen Röcke anhaben.“ „Aha.“
Gesunde Selbstbestimmung fördern
Natürlich haben Eltern Angst, dass ihr Kind ausgelacht wird, wenn es auffällig anders ist als die anderen. In unserem Fall war das – anders als erwartet – gar kein großes Thema. Und selbst wenn jemand gelacht hätte, hätten wir die Möglichkeit gehabt, darüber zu sprechen, und uns gemeinsam zu fragen, warum dieses oder jenes Kind wohl so reagiert haben könnte. Das finde ich besser, als wenn Buben ständig ein „Nein“ hören, sobald sie etwas „Mädchenhaftes“ ausprobieren möchten. Und ich war schon oft Zeugin solcher „Neins“.
Es ist unverständlich und unfair, dass Buben, was ihr Aussehen betrifft, oftmals viel engere Grenzen gesetzt bekommen als Mädchen. Und für Letztere ist es doch auch nicht gesund, dass alles, was ihnen zugeordnet wird, potenziell peinlich ist. Ich kann nur alle Bubeneltern ermutigen: Habt keine Angst, eure Kinder glitzern zu lassen! Sie wollen Nagellack ausprobieren? Lasst sie! Sie möchten ein Spangerl in den Haaren haben? Lasst sie! Lassen wir unsere Kinder in gesundem Rahmen selbstbestimmt sein! Lassen wir sie Superheldinnen und Superhelden in Tanzrock und Batmanleiberl sein!