Ist das Lob die Droge unserer Kinder?

Vielleicht kennen Sie auch diese Situation: Ihr Kind malt ein Bild und fragt: „Und Mami, wie findest du es?“ Weil man eine liebende Mutter ist, jubelt man und sagt: „ Wunderschön, mein Spatz!“ Das nächste Bild ist dann nur mehr ein Strich auf dem weißen Blatt Papier und wieder folgt die Frage, wie man es denn finde. Was nun?


Auch ich machte diese Erfahrung einige Male mit meinen Kindern. Die Frage ist doch: auf was kommt es bei dieser Situation wirklich an? Kinder sind geradezu Meister-Detektive wenn es um das emotionale Lesen ihrer Eltern oder Bezugspersonen geht. Sie erkennen genau, ob wir sie wirklich sehen und wahrnehmen oder ob wir eigentlich mit etwas anderem beschäftigt sind.

Doch wenn wir noch einmal auf mein Beispiel von oben zurück kommen und diese Situation näher betrachten, merken wir eines ganz schnell: Es geht um die Aufmerksamkeit! Habe ich mein Kind in dem Moment, als ich es lobte, auch wirklich wahrgenommen? Bin ich tatsächlich auf sein Schaffen eingegangen? Oder wollte ich nur mal schnell loben, um dann meiner Tätigkeit wieder nachzugehen.

Wenn ich ganz ehrlich bin, war das genau der Fall: Kleines Lob und dann etwas Ruhe. Wenn es doch so einfach wäre.

Ist mein Kind am Ende selbstständig, wenn es nur gelobt wird?

Wenn man sich das Ziel der Erziehung ansieht und diese (hoffentlich) erfolgreich hinter sich gebracht hat, sollte am Ende dieses Weges ein mündiger, selbständiger und verantwortungsvoller Erwachsener stehen. Doch ist mein Kind am Ende selbstständig, wenn es nur gelobt wird?

Wenn nur das Lob die Motivation meines Kindes ist, um ein Bild zu malen und nicht der Stolz am eigenen Schaffen, konditioniere ich mein Kind auf das Lob. Man kann es, so hart es klingt, mit Leckerlis für Hunde vergleichen. „Du machst das, was ich will, dann lobe ich dich und belohne dich. (Eigentlich brauche ich etwas Pause, ich lobe dich mal schnell.) Komm und geh' das nächste Bild malen.“


Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, auch ich lobe meine Kinder, wenn sie etwas leisten und Lob ist durchaus etwas Erstrebenswertes, doch ist es auch wie mit  gutem Wein: alles mit Maß und Ziel. 

Sollte Lob nicht nur ein kleiner Bonus sein und das eigentliche Ziel vielmehr die „innere“ Belohnung aus eigenem Handeln und eigener Motivation etwas zu Stande gebracht zu haben?

Denn wenn ich nur aus der extrinsischen Motivation (zum Beispiel Lob von außen) heraus agiere, lebe ich am Ende nur für den Blick des anderen und nicht für mich selbst. Ich verzehre mich nach der Liebe und Anerkennung und vergesse vielleicht, mich selbst zu lieben.

Ein stetiger Lernprozess

Für mich ist es immer noch ein Lernprozess und ich arbeite täglich daran, dass mir kein beiläufiges Lob über die Lippen kommt, sondern nur mehr ein ernst gemeintes und dafür wertvolleres. Ich begann zuerst mit einfachen Dingen, da meine Tochter nahezu süchtig nach meiner Anerkennung für ihre Bilder wurde. So fing ich an zu fragen, wie sie denn ihr Bild selbst finde. Das erste Mal war sie etwas erstaunt und sie wusste nicht so recht, was sie darauf antworten sollte. Beim zweiten Mal sagte sie: „Naja, beim Einhorn wären mir jetzt schon die pinken Flügel lieber gewesen.“


Meine Tochter bekam mit der Zeit einen anderen Blick:  das Bild musste nicht mir sondern ihr gefallen! Auch wenn ich die Mutter bin, muss ich nicht immer alles schön finden was meine Kinder so gestalten. Denn auch ich finde nicht jedes Bild und jede Kritzelei meiner Kinder toll, aber ich kann ihnen Anerkennung zollen für ihre Arbeit und Ihre Bemühungen. „Ich sehe dich! Bei diesen Bild habe ich gemerkt, wie du dich angestrengt hast. Ich freue mich, wenn du dich freust.“

Denn was gibt es schöneres, als zu erkennen, dass unsere Kinder nicht im Blick anderer leben, sondern sich von innen heraus immer geliebt fühlen.

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