Die letzten Worte

Gedanken zum Karfreitag und wie wir mit unseren Kindern darüber sprechen können

Die Kirchenglocken läuten bei der Abendmahlfeier am Gründonnerstag das letzte Mal, ehe sie bis zur Osternacht verstummen. Sie weisen bereits auf die Geschehnisse des Karfreitags hin. Jesus wird verraten. Er wird sterben.

So wie der Aschermittwoch am Beginn der Fastenzeit von Symbolhaftigkeit geprägt ist, so finden sich auch in den einzelnen Tagen der Karwoche verschiedene Traditionen, Rituale und miteinander verwobene Symboliken. Die Bezeichnung „Gründonnerstag“ geht weniger auf das – bei Kindern oft so unbeliebte - grüne Mittagessen, z.B. in Form von Spinat oder Erbsensuppe zurück, als vielmehr auf den mittelhochdeutschen Wortstamm des „Greinens“, also dem Weinen und Klagen. Auch hier wieder der Hinweis auf den bevorstehenden Tod Jesu.

Himmelhoch, zu Tode betrübt

Bereits mit dem Ende des Faschings erleben die Kinder, dass ab dem Aschermittwoch etwas anders ist. Die bunte, ausgelassene Zeit ist vorbei und es beginnt eine ruhige und stimmungsmäßig nüchterne Zeit. In den Tagen der Karwoche erleben wir dann ein Wechselbad der Gefühle. Der ausgelassene Jubel am Palmsonntag, als Jesus in die Stadt Jerusalem einzieht und mit Freude begrüßt wird.

Die Kinder, die mit Stolz und Lebendigkeit die selbstgebundenen und bunt geschmückten Palmbuschen zur Palmweihe in die Kirche tragen. Und dann der Tiefpunkt am Karfreitag. Jesu Todesstunde. Alles scheint hoffnungslos und dunkel. Eine Schwere breitet sich aus.

Wie erkläre ich meinen Kindern den Karfreitag?

Im Karfreitag finden wir die schrecklichen menschlichen Abgründe an Gewalt, Verrat, gröbste Entwürdigung. Es kann eine enorme Herausforderung für uns Eltern sein, den Kinder die Bedeutung des Karfreitags zu erklären. Es schwingt nicht selten die Frage mit, ob wir diese Grausamkeit unseren Kindern überhaupt zumuten wollen. Auch manche bildlichen Darstellungen des Leidensweges in Kirchenräumen verschonen ihre Betrachter:innen nicht vor deren brutalen Details.

Warum musste Jesus so grausam sterben? Warum hat Gott ihm nicht geholfen? Warum konnte Jesus sich nicht selbst retten? Warum gibt es das Leid in der Welt? Warum lässt Gott das zu?

Fragen wie diese können Kinder beschäftigen, wenn sie mit der Familie die Fastenzeit und Karwoche bewusst miterleben oder im Religionsunterricht die Jesusgeschichten hören.

Wie mit dem Leid umgehen?

So wie uns in unseren eigenen Erfahrungen mit Leid und Tod oft die Sprache wegbleibt, so ist es auch mit dem Karfreitag. Es fällt uns schwer, Worte für diese unsagbare Grausamkeit und Ungerechtigkeit zu finden.

Hinzu kommt ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, dass das Leiden und der Tod ausgeklammert und verdrängt werden. Ein unangenehmes Thema, über das man auch „später“ nachdenken könne, wie manche Menschen meinen. Man spricht nicht darüber, möchte sich selbst und die eigenen Kinder vor dieser traurigen Realität bewahren oder beschützen.

Durch die Medien werden wir tagtäglich mit Krisen und Katastrophen überschwemmt, aber gehen sie uns auch zu Herzen? Stellen wir eine Relation zu unserem persönlichen, je eigenen Leben her? Welche Bedeutung messen wir persönlich dem Leid in der Welt bei?

Der Tod gehört zum Leben

Der christliche Glaube zeigt mit dem Leben Jesu und dem Karfreitag klar auf: Der Tod gehört zum Leben. Ohne Tod gibt es keine Auferstehung und ohne Karfreitag gäbe es kein Ostern. So gesehen lernt uns Jesus ein realistisches Bild vom Leben. Nämlich, dass es kaum geradlinig verläuft. Tod und Leben, Trauer und Freude – alles hat seine Zeit. Diese Übergänge gehören zum Leben.

Durch jede Situation dürfen wir wachsen und reifen, ja sogar zu neuem Leben auferstehen. Das Weizenkorn muss sterben, ehe es neu wachsen kann. Es liegt an uns selbst, aus welchem Blickwinkel wir das Leben, aber auch das Leiden betrachten und wie wir damit umgehen.

Trauer zulassen

Kinder gehen oft natürlicher an schwierige Situationen heran als Erwachsene.

Als vor über einem Jahr mein Vater verstorben ist, befand ich mich für einige Monate in einer großen Trauer. Wir lebten alle unter einem Dach, somit war seine plötzliche Abwesenheit noch stärker spürbar. Auch für die Kinder war es eine große Umstellung, dass der Opa plötzlich nicht mehr da ist. Immer wieder erzählten wir uns gegenseitig unsere Erinnerungen an ihn. Auch Tränen durften dabei fließen. Dies stellte sich für uns als heilsam heraus. Die Trauer wandelte sich in Dankbarkeit für die Zeit, die wir mit dem Opa erleben durften.

Gerade meine kleine Tochter (7) fragte vor kurzem: „Mama, ich möchte wissen, was der Opa als Letztes gesagt hat, bevor er gestorben ist.“ Ich merkte, dass es mir im ersten Moment nicht leicht fiel darüber zu sprechen, weil es für mich eine so schmerzliche Erfahrung war, als er mir und meiner Mutter – im Todeskampf liegend – etwas mitteilen wollte, aber den Satz nicht – nie mehr - zu Ende sprechen konnte.

So überlegten meine Tochter und ich gemeinsam, was der Opa vielleicht sagen wollte. Es war wie Balsam für meine Seele, darüber so offen und frei zu sprechen. Und die Verbundenheit war im Herzen spürbar.

Blumen für Jesus

Dieses tiefgreifende Ereignis, dass Jesus am Kreuz stirbt, hat sich mir bereits als Kind eingeprägt. Die Dunkelheit, die Trauergesänge, die Kreuzesverehrung. Dies alles in einem Mantel der tiefen Liebe, dass Gott seinen einzigen Sohn für uns Menschen hingab. Liebe ist stärker als der Tod, und so empfand ich den Karfreitag aus einer tiefen Liebe heraus. Eine besonders schöne Geste war und ist in meiner Heimatpfarre, bei der Kreuzesverehrung eine Rose mitzubringen und vor die Füße Jesu zu legen.

Als ich im Volksschulalter war, pflückte ich im nahegelegenen Wald immer Schlüsselblumen und Buschwindröschen und brachte sie am Karsamstag zum Heiligen Grab. Diese Geste hatte etwas Natürliches für mich. Immer im Blick nach vorne. Im Wissen, dass der Tod nicht das Ende ist.

Die Gleichzeitigkeit der Dinge

Die Kinder können es kaum erwarten, bis sie am Ostersonntag die Nester mit Schokoeiern und kleinen Spielsachen suchen dürfen. Wochenlang zuvor tauchen sie in die Osterhasen-Welt ein mitsamt Basteleien, Dekorationen und Osterliedern. Die für Kinder unendlich erscheinende Fastenzeit wird durch ihr Wissen, was am Ostersonntag gefeiert wird, zumindest kürzer wahrgenommen.

So geschieht vieles gleichzeitig. Auch wenn wir uns noch im Karfreitag befinden, ist die Auferstehung bereits im Werden. Die Natur lebt es uns vor. In der Mitte des kältesten Winters keimen schon längst die ersten Pflanzen unter der Schneedecke und bereiten sich längst auf ihren Neubeginn im Frühling vor. Sobald die eisige Kälte überwunden ist, beginnt alles zu blühen.

Strahlende Osterfreude

So ist es auch mit dem Osterfest. Auch wenn wir durch das unfassbare Leid gehen müssen und die Trauer unendlich erscheint, dürfen und können wir darauf vertrauen, dass sich all der Schmerz und die Tränen wandeln werden. Durch die große Freude über die Auferstehung Jesu und die hoffnungsbringende Botschaft, dass der Tod nicht das Ende des Lebens ist, eröffnet sich eine ganz neue Dimension. Himmel und Erde verbinden sich und wir dürfen uns von der kraftvollen und strahlenden Osterfreude mitreißen lassen.

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