Der tägliche Machtkampf beim Lernen

Wenn das Lernen zum Problem wird, geraten Eltern und Kind leicht in eine Spirale von Druck und Verweigerung.

Hannes, 8, macht nicht gerne seine Hausübung. Die Mutter ermahnt ihn: „Setz dich hin und lern!“ nach einer Weile kommt sie wieder und merkt, dass er verträumt vor sich hinguckt: „Jetzt setz dich endlich hin und tu was!“ Nach einer weiteren Weile hat er erst einige Striche getan: „Du trödelst schon wieder! Also, wenn du deine Hausübung nicht sofort erledigst, gibt es Fernsehverbot!“

Druck und Widerstand

Endlich hat er seine Hausübung mehr oder weniger widerwillig gemacht. Beim Abendessen wird dem Buben „gut zugeredet“. Die Eltern kommen so richtig in Fahrt. Der Bub macht sich klein und lässt den „sauren Regen“ auf sich niederprasseln. Weil er aber immer noch nicht erwartungsgemäß reagiert, verstärken sie ihre „Bemühungen“, bis der Bub nur noch krampfhaft schweigt oder frech aufbegehrt.

Wenn Kinder „auf Durchzug“ schalten

Eltern und Kind sind im schönsten Teufelskreis gelandet. Die Eltern begründen: „Weil er so faul ist müssen wir so viel schimpfen!“ Das Kind empfindet: „Weil sie dauernd schimpfen, vergeht mir die Lust!“ Wenn Hannes die „Ohren zumacht“, so ist das der reine Selbstschutz. Er erträgt es nicht mehr, ständig belehrt, ermahnt, kritisiert und erpresst und zu werden. Wie würde es Ihnen gehen, wenn Ihr Chef Ihnen ständig nur Ihre Schwächen vor Augen führt und damit zu verstehen gibt, dass er Sie für eine Niete hält? Sicher nicht aufbauend!

Wer ist schuld?

Diese Frage hilft nicht weiter. Beide Seiten drehen mit viel Energie an diesem Teufelskreis.

Die Frage muss lauten: „Wie kommen wir da wieder raus?“

„Wie können wir diese Abwärtsspirale stoppen und das Rad in die Aufwärtsrichtung drehen?“

Die Hauptverantwortung gehört den Eltern, nicht dem Kind!

Sie müssen sich fragen: Was hat das Verhalten meines Kindes mit mir zu tun? Was kann ich tun, um das Muster zu durchbrechen?

Grundsatzfragen

  • Gibt es externe Faktoren, die dem Kind das Lernen erschweren? Schule, Lehrer oder Lehrerin, Klassengemeinschaft? Ein Gespräch mit der Lehrperson kann Aufschluss geben.
  • Ist das Kind überfordert? Ein psychologischer Test kann Aufschluss über Schulreife und Begabungen geben.
  • Kommunikation verbessern. Hören Sie auf, beim Essen auf das Kind einzureden.

 

Dem Widerstand auf die Spur kommen

Ein gutes Gespräch in entspannter Atmosphäre führen. Nachfragen, statt Druck machen, z.B.: „Wie geht es dir?“ „Woran liegt es, dass dir das Hausübung machen so wenig Spaß macht?“ Brauchst du Hilfe?“

Bei aller Notwendigkeit des Grenzen Setzens sollten wir uns auch ehrlich die Frage stellen: Warum ist mein Kind so widerwillig und bockig? Was kann ich tun, um bessere Rahmenbedingungen zu schaffen? Braucht es Hilfe?

Ein vertrauliches Gespräch in guter Atmosphäre führen

Machen Sie bitte keinen Druck, egal ob Ihr Kind „dummes Zeug“ redet, egal ob es Recht hat oder nicht. Alles soll „raus“ dürfen: ob leise oder laut, mit Wut oder Tränen.

Nehmen Sie Ihr Kind in den Arm und geben Sie ihm zu verstehen, dass Sie es lieben, so wie es ist.

Vielleicht werden Sie mit Vorwürfen konfrontiert, ob zu Unrecht oder nicht. Rechtfertigen Sie sich nicht. Schweigen Sie einmal. Zeigen Sie Verständnis. Danken Sie ihm, dass es so ehrlich war, alles unverblümt zu sagen. Vielleicht erfahren Sie zum ersten Mal, wie sich Ihr Kind wirklich fühlt. Das kann schmerzhaft sein, weil es Ihnen den Spiegel vor Augen geführt hat. Wenn Sie das aushalten und annehmen können, ist dies mit Sicherheit ein heilsamer Prozess, für beide Seiten, und schafft eine neue Basis, auf der Zuneigung und Vertrauen wachsen können. Wenn sich viel aufgestaut hat, kann diese Phase ganz schön lange dauern. Wesentliches kann aber auch in wenigen Sätzen gesagt sein.

Gemeinsam nach Lösungen suchen

Fragen Sie, welche Ideen Ihr Kind selbst hat, was ihm helfen könnte. Bieten Sie Ihre Hilfe an.

Motivation fördern

Wie kann ich mein Kind motivieren, konstruktiv an einer Verhaltensänderung mitzuarbeiten?

Lernen soll auch Spaß machen.

Seien Sie kreativ. Führen Sie ein detailliertes Lerntagebuch. Wann hat es begonnen, wann war es fertig? Wie sorgfältig und richtig war seine Arbeit? Notieren Sie, wie lange es gedauert hat. Vergleichen Sie mit den anderen Tagen. Seien Sie verfügbar, wenn es Fragen hat. Loben Sie jeden kleinen Erfolg. Beurteilen Sie nicht ständig, sondern lassen Sie Ihr Kind sich selbst beurteilen, was es glaubt was es gut gemacht hat und bestätigen oder ergänzen Sie. Seien Sie ehrlich und authentisch, machen Sie Mut.

Selbstbewusstsein stärken

Schlechter Lernerfolg nagt am Selbstbewusstsein, deshalb braucht Ihr Kind Ermutigung und vor allem die Gewissheit, dass es so wie es ist, bedingungslos von seinen Eltern geleibt wird.

Es darf sich nicht alles nur um die Schule drehen

Zeigen Sie Interesse an allem, was das Kind interessiert, und lassen Sie es auch im Alltag mitmachen und mithelfen. Freizeit und Freunde spielen eine wichtige Rolle. Spielen Sie mit ihrem Kind und achten Sie auf ein schönes Gutenachtritual.

Holen Sie sich selbst Hilfe und Anregungen

Elternbildung und Beratung kann helfen, die eigenen „blinden Flecken“ zu erkennen und konstruktive Lösungen zu finden, die das Selbstbewusstsein und die Eigenverantwortung des Kindes stärken.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Maria Neuberger-Schmidt

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