Erholsamer Schlaf für Babys: Was ist dafür nötig?

Eltern sehen im Schlaf vor allem eines: Erholung und Energie tanken für das Kind. Das eigentliche Leben aber, das spielt sich ab, wenn wir wach sind. Eltern erhoffen sich für ihr Kind, dass es gut schläft um bald wieder fit und munter durch den nächsten Tag zu kommen. Kinder brauchen ihren Schlaf aber nicht nur, um wieder zu neuen Kräften zu kommen. Vielmehr benötigen sie ausreichend Schlaf, um das erlebte zu verarbeiten, um zu wachsen und sich zu entwickeln. Schlaf ist ein großer Teil der kindlichen Entwicklung. Was brauchen Kinder also um gut zu schlafen?

Schlaf und Ernährung

Der aktive Schlaf bringt eine Gemeinheit mit sich: die Säuglinge verbrauchen dabei viel Energie. Sehr viel – Nervenzellen sind die stoffwechselaktivsten und damit hungrigsten Zellen überhaupt. Und anders als die normalen Körperzellen nutzen sie fast ausschließlich Glukose als Energielieferant (es gibt für Homo sapiens also einen guten Grund, weshalb Muttermilch fast doppelt so süß ist wie Kuhmilch!) – und die Glukose lässt sich zudem nicht so einfach speichern wie etwa Fett. Kein Wunder beschäftigen sich Säuglinge auch nachts mit der Nahrungsaufnahme, sehr gerne.

Und wer glaubt, dass sie damit automatisch mit sagen wir 6, 9 oder 12 Monaten aufhören, unterschätzt das Gehirnwachstum: das Gehirnvolumen des 12 Monate alten Säuglings wird sich im zweiten und dritten Lebensjahr noch einmal verdoppeln – gerade gestillte Kinder schlafen sehr häufig deshalb auch im zweiten und oft auch dritten Lebensjahr nicht unbedingt an einem Stück durch die Nacht.

Schlaf und Nähe

Und da ist noch eine Gemeinheit zu berichten: Die Kleinen schlafen nicht nur in kleineren Portionen als Erwachsene und nicht nur leichter als Erwachsene – sie wollen auch ungern alleine gelassen werden. Sie sehen den Schlaf zunächst einmal als Gemeinschaftsprojekt.

Und da sollten wir ein bisschen verweilen: warum ist das so? Der Grund liegt am Schlaf selbst – er stellt nämlich ein Gegenprogramm zu unseren sostigen Tätigkeiten dar. Anders als die meisten anderen Dinge des Lebens lässt er sich ja nicht einfach machen, herstellen oder gar erzwingen. Von wegen: da klemme ich mich dahinter, bringe Leistung und all das – dadurch kommen wir dem Schlaf kein bisschen näher. Im Gegenteil: der Schlaf muss sich ergeben. Sobald Anspannung und Stress im Raum stehen, sind wir wach.

Aus gutem Grund. Alle Lebewesen, ob klein oder groß, stehen vor einem Sicherheitsdilemma. Wer demnächst in eine Art Koma fällt, muss vorsorgen – sonst erlebt er vielleicht böse Überraschungen. Und genau deshalb kann kein Mensch einschlafen, wenn er sich nicht geborgen fühlt – wer kann schon schlafen, wenn die Dielen knarren? Oder wenn ihm die unbezahlten Rechnungen in den Sinn kommen? Erst wenn wir uns geschützt und sicher fühlen, bildet sich dieser magische Stoff, ohne den es keinen Schlaf gibt: Entspannung.

 

Und das ist bei den Kindern ganz genauso. Ja, als besonders wehr- und hilflose (aber gleichzeitig besonders leckere) Geschöpfe sind sie vielleicht noch stärker darauf angewiesen, dem Sandmännchen Bedingungen zu stellen. Auch ihr Weg in den Schlaf führt deshalb über die bekannten Stationen:

Müdigkeit –> Suche nach Sicherheit –> Entspannung –> SCHLAF.

Aber da beginnt dann schon das Problem. Aus sich selbst heraus kann ein Säugling nicht für Sicherheit sorgen. Wie denn auch – ein Baby kann ja noch nicht einmal eine Fliege von seinem Gesicht fern halten. Kann es allein dafür sorgen, dass es zugedeckt wird, wenn das Feuer ausgegangen ist? Kann es einen Wolf verjagen?

Nein. Die Kleinen suchen deshalb ihre Sicherheit zunächst einmal bei den ihnen vertrauten Erwachsenen. Nur von denen können sie annehmen, dass sie im Fall des Falles alles geben (schon die freundliche Nachbarin würde vielleicht dann doch lieber Reißaus nehmen, wenn der Bär erscheint). Kein Wunder beobachten Eltern rund um die Erde das immer gleiche: sobald die Kleinen müde werden – spannt sich bei ihnen eine Art unsichtbares Gummi an. Sie werden nähebedürftig – sagen die Eltern. Ihr Bindungssystem wird aktiviert – sagt die Entwicklungspsychologie.

Ängste werden wach

Und schon stehen Ängste im Raum: werden Säuglinge nicht verwöhnt, wenn wir ihrem Drang nach Nähe nachgeben? Werden sie dadurch nicht dazu ermutigt, mehr Nähe einzukassieren als ihnen gebührt? Und werden sie nicht abhängig von ihren Eltern, wenn die ihnen immer die Brücken in den Schlaf bereitstellen? Mehr noch: wird so ein kleines Kind nicht lernen, dass es seinen Willen bekommt, wenn es nur laut genug schreit?

Für diese Ängste gibt es einen mächtigen, sehr alten Angstlöser: die Menschheitsgeschichte. Unsere Kinder stammen aus einer Welt, in der Nähe – und zwar Nähe satt! – unverzichtbar war. Dass sie viel getragen wurden, dass sie häufig, nach Bedarf und lange gestillt wurden, dass ihr Schreien rasch erhört wurde, dass sie bei ihrer Mutter schliefen – all das war Teil des ganz normalen, für jeden kleinen Homo sapiens unverhandelbaren Lebensprogramms. Wer als Eltern dafür sorgen wollte, dass sein Kind überlebte, hatte gar keine andere Wahl als sich daran zu halten. Und dennoch mussten die Kleinen selbstständig werden – die Welt war noch nie in Seidentücher eingeschlagen. Wenn es für die Entwicklung von Selbstständigkeit darauf ankäme, dem Säugling die Nähe vorzuenthalten, die er bei seinen Eltern sucht, dann wären 99 Prozent aller Kinder, die jemals auf dieser Erde gelebt haben, nie selbstständig geworden.

Ein Schlafteam?

Forscher haben den gemeinsamen Schlaf von Müttern und ihren Säuglingen untersucht, indem sie zum Beispiel deren Schlaf mit Infrarot-Kameras aufzeichneten und gleichzeitig die Hirnstromkurven von Mutter und Kind ableiteten. Dabei stellten sie fest: Mutter und Baby stimmen sich in ihrem Schlaf unbewusst aufeinander ab. Und zwar in mehrfacher Hinsicht. Zum einen positioniert die Mutter ihr Baby immer wieder um und gibt ihm Zuwendung – sie klopft, streichelt, schaukelt und umarmt das Baby, manchmal wird sogar geflüstert oder geredet. Dabei liegt ihr Baby zumeist in einer Art „Kuschelkringel“ (cuddle curl) auf Brusthöhe, und fast immer auf dem Rücken – möglicherweise, weil ihm das »Andocken« an die Brust auf diese Weise leichter fällt.

Wenn es für die Entwicklung von Selbstständigkeit darauf ankäme, dem Säugling die Nähe vorzuenthalten, die er bei seinen Eltern sucht, dann wären 99 Prozent aller Kinder, die jemals auf dieser Erde gelebt haben, nie selbstständig geworden.

Gleichzeitig zeigen die Ableitungen der Hirnstromkurven einen interessanten Befund: die Schlafstadien von Mutter und Kind stellen sich aufeinander ein. Schläft die Mutter leicht, so ist meist auch das Baby im Leichtschlaf. Diese Synchronisierung bedeutet, dass sich das Kind nur dann zum Stillen meldet, wenn sich auch die Mutter im Leichtschlaf befindet. Dadurch muss die Mutter ihren Schlaf zum Stillen nicht komplett unterbrechen, ihr Tiefschlaf bleibt geschützt. Schläft das Baby dagegen in seinem eigenen Bett, so lässt sich diese »schlafschonende« Abstimmung nicht beobachten – das Baby klopft jetzt möglicherweise zum unpassendsten aller Zeitpunkte an – wenn die Mutter gerade im Tiefschlaf liegt.

Der Schlaf im Nahbreich der Mutter hat für das Baby aber einen weiteren Effekt: es verbringt zumindest in den ersten Lebensmonaten mehr Zeit im REM-Schlaf. Und da schließt sich dann der Kreis: da der REM-Schlaf leichter ist, taucht das Baby häufiger für kurze Zeit an die Schlafoberfläche auf – einen Umstand, den es zum Trinken nutzt. Tatsächlich trinken Babys im Bett ihrer Mutter fast doppelt so häufig an der Brust als wenn sie alleine schlafen (und nehmen nach Messungen nachts etwa ein Drittel mehr Kalorien auf als die alleine schlafenden Säuglinge). Trotzdem bekommen ihre Mütter wegen der beschriebenen Synchronisierung der Schlafstadien nicht weniger Schlaf als die Mütter, deren Säuglinge alleine schlafen.

Wie den Schlaf unterstützen?

Die Schlafformel des Kindes, das haben wir am Anfang dieses Artikels gesehen, ist im Grunde nicht anders als die des Erwachsenen: Ein Kind will zum Schlafen nicht nur müde, warm und satt sein – es will sich auch sicher fühlen. Und dazu braucht es zunächst einmal seine erwachsenen Begleiter – das eine Kind braucht sie dringender als das andere, das eine Kind länger als das andere. Erfährt ein Kind immer wieder eine solche sichernde Begleitung in den Schlaf, dann baut es allmählich eine eigene Sicherheit auf, ein Gefühl von „Schlafheimat“. Es hat aus Erfahrung gelernt: meine vertrauten Erwachsenen wachen über meinen Schlaf.

Es ist deshalb ein Missverständnis, wenn Eltern oder auch Erzieherinnen meinen, beim Schlaf ihres Kindes käme es vor allem darauf an, den einen Trick zu finden, mit dem Babys plötzlich problemlos in eine Art Koma fallen.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Herbert Renz-Polster

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