Wie weit kann man Kinder in Entscheidungen einbinden?

Wenn wir Kinder von klein auf in Problemlösungen mit einbeziehen, stärken wir ihr Selbstbewusstsein, ihr Verantwortungsgefühl und ihre Bereitschaft zur Kooperation.

Der Vorteil

Wenn sich Kinder solcherart ernst genommen fühlen, lassen sich viele Probleme locker und nachhaltig lösen, weil Kinder eher bereit sind, Lösungen, die sie selbst gefunden, oder denen sie persönlich zugestimmt haben, in die Tat umzusetzen. Viele Konflikte lassen sich mit dem partnerschaftlichen Ansatz leichter lösen oder überhaupt vermeiden.

Entscheidungen an den Bedürfnissen und Wünschen des Kindes ausrichten

Babys und Kleinkinder sind noch nicht fähig, sich verbal zu artikulieren.

Aber empathische Eltern lernen ihr Kind gut kennen und werden oft Meister der non-verbalen Kommunikation. Die Entscheidungen, die sie für das Kind treffen, werden deshalb meist gut angenommen, weil sie sich an den Bedürfnissen des Kindes orientieren und nach Möglichkeit auch deren Wünschen entgegenkommen. Selbst ein Nein zu manchen spontanen Wünschen kann das Kind leichter akzeptieren, wenn es dahinter Liebe und Verständnis spürt.

Bei Mitsprache sind Alter und Entwicklungsstand des Kindes zu beachten

Kinder müssen in kleinen Schritten in die Mitbestimmung einbezogen werden.

Als Faustregel gilt: unter drei Jahren sind Kinder mit zu vielen Lösungsoptionen meist überfordert. Das erkennt man daran, dass sie sich nicht entscheiden können oder dass sie irrationale Entscheidungen treffen. Sie wollen zum Beispiel im Winter die Badehose anziehen.

Bitte beachten: Kleine Kinder können noch keine Versprechungen einhalten

Beispiel: Das Kind möchte vor dem Mittagessen noch schnell etwas naschen, weil es schon „so hungrig“ ist und verspricht treuherzig: „Ich verspreche dir, ich werde brav meine Suppe essen!“ Als diese serviert wird, hat Ihr Kind gar keinen Appetit mehr darauf. Ihr Vorwurf: „Aber du hast mir doch versprochen!“ sollte in erster Linie Ihnen selbst gelten. Es wird von Lust und Unlust gesteuert. Bedürfnisaufschub kann das Kind noch nicht selbst regulieren. Das müssen Sie in die Hand nehmen und sei es mit einem klaren Nein zu spontanen Wünschen, selbst wenn diese mit lautem Geschrei eingefordert werden und Sie Mitleid verspüren oder Sie gerade jetzt nicht den Nerv für eine Konfrontation haben. Natürlich können manchmal Kompromisse helfen.

Zusammenfassung: Ein Merkmal für noch mangelnde Reife ist, dass Kinder ihre Versprechungen und Zusagen nicht einhalten können. Das erfordert nämlich ein beträchtliches Ausmaß an Reife, verzichten und warten können. Das Erwerben von Frustrationstoleranz braucht Ihre geduldige und verständnisvolle Begleitung.

Eingeschränkte Lösungsmöglichkeiten anbieten

Schon sehr früh können Kinder deutliches Bestreben nach Selbständigkeit und Selbstbestimmung zeigen. Das gilt es zu unterstützen.

Bieten Sie eine eingeschränkte Auswahl an: „Möchtest du den grünen oder roten Pullover anziehen?“ Die Kleidung soll am besten schon am Vorabend ausgesucht werden. Dann gibt es in der Früh keine oder weniger Diskussionen.

Ihr Kind möchte sich selbst anziehen? Haben Sie Geduld und unterstützen Sie seinen Ehrgeiz: „Sag mir, wenn du Hilfe brauchst!“ Wenn es schnell gehen muss, dann muss es folgen. Erklären Sie es dem Kind und handeln Sie freundlich und entschlossen.

Widerstand hat meistens Gründe

Ein Beispiel: Es war sehr kalt draußen und das zweijährige Mädchen weigerte sich mit großem Geschrei, über seinem T-Shirt noch ein Sweatshirt unter dem Anorak anziehen. Die Mutter war nahe daran, ihn dem Kind auf Biegen und Brechen drüber zu ziehen. Dann besann sie sich. Die Wohnung war überheizt und beim Spielen war dem Kind sehr warm geworden. Sie schlug folgenden Kompromiss vor: „Ich sehe, es ist dir momentan zu warm. Deshalb nehmen wir das Sweatshirt mit und wenn wir im Kaufpark sind und du den Anorak ausziehst, dann wirst du stattdessen dieses Sweatshirt drüberziehen.“ Damit war das Kind einverstanden.

Wenn Partnerschaftlichkeit zu Endlosdiskussionen führt

Wenn über alles und jedes ständig diskutiert und elterliche Anweisungen notorisch in Frage gestellt werden, sodass die täglichen Abläufe zu nervenaufreibend werden und wertvolle Zeit verloren geht, dann muss man die Situation neu überdenken, am besten mit dem Partner, in einer ruhigen Minute.

Führungsverantwortung beibehalten

Erwachsene dürfen bei aller Partnerschaftlichkeit ihre Führungsverantwortung nicht abgeben. Sie sind und bleiben hauptverantwortlich dafür, wie miteinander kommuniziert wird, welche Ergebnisse vereinbart und ob diese eingehalten werden. Führen heißt manchmal auch, delegieren können, besonders wenn man schon größere Kinder hat. Die Botschaft zwischen den Zeilen lautet: „Ich trau dir was zu“. Das stärkt das kindliche Selbstbewusstsein und Verantwortungsgefühl und entlastet auch Sie, weil es Stress von den Schultern nimmt.

Führungskompetenz ist eine Kunsts, die Eltern selbst oft erst lernen müssen.

Orientierung and den drei „Körbe“: Freiheit, Mitsprache, Gehorsam

Im täglichen Leben müssen Entscheidungen oft spontan und effektiv gefällt werden. Das Bild von den drei „Körben“ kann Ihnen dazu als Orientierung dienen.

Können Sie die Entscheidung ruhig dem Kind überlassen? Dann machen Sie lockere Leine und geben Sie Freiheit. Zum Beispiel, welches Buch für die Gutenachtgeschichte ausgesucht werden soll, wieviel es essen, oder womit es spielen möchte.

Wollen Sie das Kind in die Entscheidung einbinden?

Dann wählen Sie den „Korb“ Mitsprache.

Wenn Sie wollen, dass das Kind Ihre Entscheidung einfach akzeptiert und Ihre Anweisungen befolgt, dann wählen Sie den „Korb“ Gehorsam. Ich wähle das unbeliebte Wort „Gehorsam“ einfach um damit auszudrücken, dass klar sein muss, wer wem Anweisungen geben darf. Das heißt, Sie bestimmen, aus Ihrer elterlichen Verantwortung heraus. Wenn Sie klare und begründete Anweisungen geben, dann werden diese meist gerne befolgt. Je nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes, aber auch, je nach der momentanen Situation oder Stimmung kann der passende Korb vom einen zum anderen Mal variieren.

Einmal tief durchatmen

Gerade in stressigen Situationen, die keine Zeit für langes Nachdenken oder Diskutieren zulassen, hilft es, einfach nur mal kurz durchzuatmen. Welcher Korb passt gerade? Ist mein Kind emotional überfordert? Spannung lockern: Korb Freiheit. Nimmt es mich momentan vielleicht gar nicht ernst? Zügel straffer nehmen: Gehorsam.  Ein kurzes Innehalten und Durchatmen können Ihnen dabei helfen, die stimmige Entscheidung zu treffen. Das hilft Ihnen, Ihre Sicherheit und Gelassenheit zurückzugewinnen, freundlich und entschlossen zu handeln. Wenn Ihr Kind liebevolle Führungskompetenz spürt, lässt es sich leichter lenken und es wird sich gut dabei führen.

Gewusst, wie: Elterntraining und Coaching

In diesem Artikel habe ich Ihnen eine Fülle theoretischer Überlegungen nahegebracht. Nun lautet die Frage? WIE mache ich das alles? Jede Entscheidung soll ja in die gelebte Praxis umgesetzt werden, authentisch und gewaltfrei.  Suchen Sie den Austausch mit anderen Eltern unter kompetenter Begleitung eines professionellen Elterntrainers. Manche Situationen lassen sich mit einem erfahrenen Coach persönlich reflektieren und in eine gute Bahn bringen.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Maria Neuberger-Schmidt

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