Wenn Kinder in einer unsteten Welt aufwachsen

Es scheint ein Dogma der Gegenwart zu sein: Die einzige Konstante ist die Veränderung. Doch was, wenn einem das alles zu viel wird?

Um es vorwegzunehmen: Ich bin mit Leib und Seele als Einzelunternehmer selbständig. Doch manchmal erscheint es mir so zu sein, dass ich von Mini-Krise zu Mini-Krise hechte. Aufträge kommen und gehen, Möglichkeiten tun sich auf, während sich andere Türe wieder schneller als gedacht verschließen.

Die neuste Krise: Der Medien- und Zeitungsmarkt scheint in dieser Form kurz vor dem Kollaps zu stehen. Als jemand wie ich, der zu einem guten Teil von freien Tätigkeiten in diesen Bereich lebt, ist das ein bedrohliches Szenario. Es wird hier wohl gelten, sich neuerlich neu zu erfinden, neue Nischen zu besetzen und neue Felder anzuvisieren.

Aber es soll hier – entgegen dem bisherigen Anschein – nicht um meine ganz persönliche berufliche Situation zu tun. Vielmehr möchte ich diese in einen Zusammenhang bringen: In den Zusammenhang mit meine Vaterrolle, die ich nie isoliert oder gar abgekoppelt von meinem beruflichen Tun betrachten möchte.

Mein Beruf hat unmittelbare Auswirkungen auf mein Vatersein.

Als Selbständiger bin ich zwar von Zeit zu Zeit auch am Abend beschäftigt, habe keine wirklich fixen Arbeitszeiten, kann mir ziemlich immer mal wieder „freinehmen“, wenn ich es als sinnvoll erachtet. Das hat unmittelbaren Einfluss, wie flexibel ich mit unseren beiden Mädels (12 und 15) interagieren kann und wann wann für sie Zeit habe.

Rahmen und Kontinuität

Was aber noch deutlich schwerer wiegt: Wie soll ich bei all dieser (zum Teil ja positiven und kreativen Unstetigkeit) den Rahmen geben, der für Kinder und Heranwachsende so wichtig ist? Dieser Rahmen: Das bedeutet Kontinuität, Sicherheit, Klarheit. Wie schnell als das kollabiert, hat die Corona-Krise gezeigt: Von einem Tag zum anderen brachen Aufträge völlig ein, die Zukunft schien in beruflicher und finanzieller Hinsicht mehr als ungewiss.

Das hieß auch: Es zog mir den Füßen unter dem Boden weg.

Ich war verunsichert. Und das ist einer Zeit, in der unsere Kinder Sicherheit und Beständigkeit am meisten benötigt hätten. Das hat dazu geführt, dass ich diese Rolle gewissermaßen gespielt habe: So zu tun, als ob alles gut werden würde. Als ob alles passen wird. Dass es so sein würde, wusste ich damals natürlich nicht. Aber Zuversicht war das letzte Mittel.

Ähnlich ist es gerade wieder: Wir erleben – außerhalb des persönlichen Mikrokosmos – Wirtschaftskrisen und Kriege. Können wir unseren Kindern somit mit gutem Gewissen sagen, dass alles gut werden wird? Oder sollen wir „vorgaukeln“? Sollen wir Rollen spielen, weil sich unsere eigene Verunsicherung sonst nur umso mehr Widerhall bei unseren Kindern findet? Oder sollen wir schonungslos ehrlich sein?

Ich tendiere zu einer Haltung der in Mitte

Als Erwachsener hat man Rollen einzunehmen, zu filtern, zu überlegen, was den eigenen Kindern wie und in welcher Form zumutbar ist. Anders gesagt: Die Wahrheit ist ihnen zwar grundsätzlich zumutbar, aber womöglich in gewissen Dosierungen und mit der notwendigen Stärke abgeschwächt, die man als Erwachsener nun einmal an den Tag legen sollte.

Was die positivste aller Wendungen dabei ist: Dass Kinder die Krise – zumal wenn sie im eigenen Einflussbereich liegt – als Chance sehen. Man kann nämlich – stark vereinfach ausgedrückt – den Kopf in den Sand stecken und darauf warten, bis alles um einen herum zusammenbricht und gar nichts mehr geht. Oder man kann rechtzeitig die richtigen Weichen stellen, damit es nicht so weit kommt.

Es ist denkbar, bei geschicktem strategischem Handeln, dass man neu gestärkt aus den Krisen hervorgeht.

Das ist also, was ich – alles in allem – meinen Kindern mitgeben will: Die Welt zwar so zu erkennen, wie sie ist, eben als manchmal komplex und manchmal hoffnungslos, aber nie als eine Welt, der man nicht auch gute Seite abgewinnen könnte. Aus dem tiefsten Schwarz können die schönsten, strahlenden Farben entstehen. Das ist eine Erkenntnis, die schön ist und ich weitergeben möchte.

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