Mit allen Sinnen durch die Fastenzeit

Symbolik & Rituale. Wie die 40 Tage vor Ostern mit der ganzen Familie bewusst gelebt und lebendig erfahren werden können.

Anders als in der Adventszeit, die auch als die „kleine Fastenzeit“ bezeichnet wird, ist in vielen Familien die Fastenzeit vor Ostern – die „große Fastenzeit“ - häufig weniger von Ritualen und Bräuchen geprägt. Da gibt es keinen Schokoladenkalender, der die Wartezeit auf das große Fest verkürzen könnte und auch keine süßen Kekse, die in der warmen Stube gebacken werden. Keine Osterlieder im Radio, die bereits im Fasching durch die Einkaufshallen klingen und kein schimmernder Ostermarkt in der Stadt, der die ganze Fastenzeit lang besucht werden könnte. Nein, Ostern ist einfach anders. In gewissem Sinne vielleicht noch ursprünglicher und stiller als die in unserer Zeit so laut gewordene und hastige Adventszeit. Gerade darin kann die Kraft liegen: Ganz bewusst, in Ruhe und mit allen Sinnen mit der Familie durch die Fastenzeit zu gehen.

Fühlen – die Symbolik der Asche

Im biblischen Kontext hat die Asche eine besondere Bedeutung bei den Trauernden. Immer wieder ist zu lesen „…und hüllte sich in Sack und Asche“ Ein Trauerritual, bei dem sich die Menschen damals in raue Gewänder kleideten und sich Asche über ihr Haupt streuten. Vgl. Judit 9,1.  Die Symbolik der Asche finden wir zentral in unserer kirchlichen Tradition am Aschermittwoch. Der Priester zeichnet mit einer Prise Asche ein Kreuzzeichen auf die Stirn der Gläubigen.

Es ist eine besondere Erfahrung, wenn die Kinder zu Hause auch einmal Asche angreifen dürfen.

Das Fühlen allein ist meist schon besonders für sie. Noch interessanter wird es für die Kinder, wenn sie mit Asche malen oder basteln dürfen. Dazu kann man zB. aus Klebstoff ein Kreuz auf ein Blatt Papier malen und anschließend Asche darauf streuen und trocknen lassen. Oder man stellt ein Glas Wasser bereit, in das die Kinder ihre Finger eintauchen können, um dann etwas Asche zu nehmen und mit dieser auf einem Blatt Papier zu malen. Sie können ihr Asche-Bild nach Belieben mit Wasserfarben ergänzen und bunt machen.

Auch im Religionsunterricht habe ich immer gerne Asche für die Schüler:innen mitgebracht. Manche haben sich davor geekelt und diesen grauen Staub mit Schmutz in Verbindung gebracht. Wenn die Kinder die Asche (freiwillig!) angegriffen haben, stellten sie immer eine Sache fest: Die Haut wurde plötzlich ganz zart und angenehm weich. Dies liegt an der reinigenden Eigenschaft der Asche.

Und hier spannt sich wieder der Bogen zur Fastenzeit, der Zeit der Reinigung und des seelisch-körperlichen „Rein-Werdens“ auf das Osterfest hin.

Hören – Jesusgeschichten frei erzählen oder vorlesen

Meine Tochter (7) konnte kürzlich nicht gut einschlafen. Ich setzte mich zu ihr und las ihr aus einem schillernden Geschichtenbuch über Pferde vor. Nach ein paar Zeilen interessierte sie die Geschichte nicht mehr und sie fiel mir ins Wort mit ihrer eigenen Geschichte, die sie am Vormittag in der Religionsstunde gehört hatte. Da war ich sehr überrascht und zugleich berührt, mit welcher Begeisterung sie plötzlich von Jesus erzählte. Angesteckt von ihrer Begeisterung erzählten wir uns schließlich gegenseitig von Jesus und seinen Wundertaten bis hin zu seinem Leidensweg und zur Auferstehung. Meine Tochter wollte alle noch so kleinen Details der Geschichten wissen. Ich konnte ihre Fragen nicht jedes Mal beantworten, schlug aber vor, ihr am nächsten Abend aus der Familienbibel vorzulesen. Nach diesem anregenden Gespräch über Jesus schlief sie ruhig ein. Ich nahm mir vor, öfter einzelne Jesusgeschichten detailhaft vorzubereiten und diese dann meiner Tochter in eigenen Worten zu erzählen. Ein Jesus-Story-Telling am Abend, ein Ritual nicht nur für die Fastenzeit.

Sehen – Die Farbe Lila und das Fastentuch

Farben haben im kirchlichen Jahreskreis eine besondere Bedeutung. So ist es die Farbe Lila, die die Fastenzeit prägt. Lila finden wir in der Kirche auch in der Adventszeit oder bei Begräbnissen. Sie zeigt sich am Gewand des Priesters und der Ministrant:innen. Als Farbe der Trauer wird am Aschermittwoch der Altarbereich oder das Kruzifix mit einem violetten Tuch verdeckt. Es ist wie ein Fasten mit den Augen. Erst in der Osternacht wird der Altarbereich oder das Kruzifix wieder enthüllt, als Zeichen dafür, welch großes Ereignis und Mysterium mit Jesu Tod und Auferstehung vollbracht war. Jesus ist wieder „ganz“ da. Er ist auferstanden.

Das Fastentuch – oder Hungertuch, wie es auch genannt wird, kann in verschiedenen Farben und mit Darstellungen aus der Bibel gestaltet sein.

So könnten die Eltern mit ihren Kindern zu Hause zum Beispiel ein eigenes Fastentuch gestalten, ein Tuch mit Stofffarben bemalen oder bedrucken und aufhängen. Es kann auch eine spielerische Herangehensweise sein, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen und mit ihnen gemeinsam ihre „Heiligtümer“ zu verhüllen. Mit Jesu Auferstehung sind wieder alle Farben und alles, was das Leben bunt und froh macht, wieder da.

Riechen und Schmecken – der Sonntagskuchen

Die 40 Tage der Fastenzeit können sich für Kinder wie eine Ewigkeit anfühlen. Ich selbst versuche diesmal, bis Ostern ganz auf Süßes zu verzichten. Meinen Kindern (7 und 10), und auch meinem Mann gelingt es zumindest hin und wieder, auf Schokolade und dergleichen zu verzichten. Ein liebevolles Aufmerksam machen auf das Reduzieren gelingt, wenn es ein greifbares Ziel gibt. Die Sonntage sind von der Fastenzeit ausgenommen, denn beim sonntäglichen Gottesdienst feiern wir immer wieder aufs Neue Jesu Auferstehung, und die darf und will gefeiert werden. Das Fasten unter der Woche gelingt uns in diesem Wissen auch besser.

Die Kinder warten jede Woche darauf, dass es am Sonntag einen Kuchen gibt und dass dieser am Samstag - natürlich gemeinsam – gebacken wird. Durch den Verzicht unter der Woche werden die Sinne geschärft. Ein guter Duft von einem frisch gebackenen Kuchen und nicht zuletzt das gemeinsame Essen der Mehlspeise ist ein Erlebnis für alle Sinne, das den Verzicht unter der Woche für alle Familienmitglieder gut aushalten lässt.

Das Entwickeln eigener Rituale stärkt die Familie

Jede Familie kann und soll ihre eigenen Rituale und ihre eigenen Bräuche entwickeln. Rituale geben Kindern, aber auch uns Erwachsenen Halt und tragen bei, das alltägliche Leben, besonders in den sogenannten geprägten Zeiten, wie es die Fasten- und Osterzeit ist, ganz bewusst und mit Achtsamkeit und Freude wahrzunehmen und zu leben.

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