Liebe als innere Haltung

„Love, love is a verb. Love is a doing word“, hallt bei mir eine Liedzeile von Massive Attack im Ohr nach. Liebe ist ein Verb, ein Tunwort. Liebe ist nicht statisch, nicht unveränderbar und auch kein fixer Zustand. Vielmehr wird sie in eine Handlung, in ein Tun übersetzt. Ist in Bewegung und Veränderung, fließt.

Ein Stück weiter gedacht kann Liebe auch nicht bloß ein Gefühl sein. Das Gefühl dahinter ist die Verliebtheit, vor allem in der Hoch-Zeit des Kennenlernens, auf das unser Hormonspiegel reagiert und uns in Euphorie versetzt. Doch schon allein vom biologischen Aufwand her ist das kein auf Dauer angelegter Zustand. Die Verliebtheit des Anfangs lässt nach, wir sehen einander realistischer und lernen auch die Schatten aneinander besser kennen. Ein Anflug von Verliebtheit, vom Zauber des Anfangs, ist immer wieder möglich und wunderbar bereichernd für die Partnerschaft. Doch es braucht für das Zusammenleben ein tragfähigeres Fundament.

Meiner Liebe Ausdruck verleihen

Paartherapeutin Eva-Maria Kremsner entfaltet in einem Begleitwort zu Exerzitien im Alltag Gedanken zu Liebe als innerer Haltung. Über das Gefühl der Verliebtheit hinaus besteht die Liebe als Entscheidung. „Liebe ist die Haltung, in der ich den Anderen als Wunder, als einzigartig respektvoll in seiner Würde achte“, schreibt sie. Dieser inneren Haltung des würdevollen Respekts vor der Individualität meiner Partnerin/meines Partners verleihen wir in Taten Ausdruck, die unsere Liebe spürbar werden lassen.

Liebe ist die Haltung, in der ich den Anderen als Wunder, als einzigartig respektvoll in seiner Würde achte.

Eine Frau erzählte in einem Seminar, dass sie und ihr Mann es als gemeinsame Übung betrachten, nicht nur miteinander, sondern auch voneinander wertschätzend zu sprechen. Wenn sie also mit anderen Leuten über einander reden, bemühen sie sich darum, respektvoll von Handlungen, Sichtweisen oder Motiven zu sprechen, anstatt sich über den anderen verbittert zu beklagen, wie das oft zu hören ist.

Es ist ihnen ein Anliegen, auch nach außen hin und wenn der Partner/die Partnerin gar nicht anwesend ist zu zeigen: „Ich liebe und schätze diese Person.“ In einer vertrauensvollen Beziehung zu einer Freundin etwa, haben natürlich Gespräche über das eigene Befinden und Erleben in der Paarbeziehung Platz – aber die beiden bemühen sich um ein wertschätzendes Übereinander-Sprechen. Denn sie wissen, bei Problemen, die unsere Beziehung betreffen, ist der Partner/die Partnerin die erste Ansprechperson, mit der ich nach einer Lösung suche.

Ich liebe und respektiere dich – und mich!

Die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, sie auch zu kommunizieren und für die eigenen Gefühle und Grenzen einzustehen, ist ein integraler Bestandteil der Liebe als innerer Haltung. Liebe kann sich nicht bloß auf ein Gegenüber beziehen, ohne auch Selbstliebe zu sein. Lieben heißt, um es mit Kremsners Worten zu sagen, „authentisch sein, mich dem anderen zeigen, Grenzen setzen und akzeptieren. Erst dann kann ich über Grenzen hinausgehen und meine Ansprüche hintan stellen, in eine Beziehung investieren, langmütig und gütig handeln, verzichten und mich nicht so wichtig nehmen“.

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