Kinder sind die Spiegel unserer Selbst

Kennt Ihr das, liebe Mamas und Papas, wenn das Verhalten des eigenen Kindes einen oftmals ratlos macht? Wenn es einem zur Verzweiflung und an den Rand der eignen Grenzen bringt? Wenn man eigentlich nicht mehr weiter weiß?

Wenn ja, dann Gratulation – Kinder halten uns in solch schwierigen Situationen oftmals den Spiegel vor die Nase und zwingen uns hineinzusehen. Dadurch gewinnen wir eine Chance. Die Chance ehrlich in diesen Spiegel zu blicken und etwas über uns selbst zu lernen.

Kinder übernehmen unsere Verhaltensweisen und Gewohnheiten. Wir sind, ob wir es wollen oder nicht, Vorbilder für sie. Das fängt bereits im Kleinkindalter an. Neugierig beobachten sie unsere Gesten, unsere Mimik und versuchen diese nach zu machen. Unser Verhalten wird dann nach der Zeit oftmals völlig von ihnen übernommen und zu ihrem eignen Verhalten. Jesper Juul drückt es mit seiner Aussage so aus

„Kinder machen nicht das, was wir sagen, sondern das, was wir tun.“

Anhand eines persönlichen Beispiels möchte ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser aufzeigen, wie unsere große Tochter mir den Spiegel vorgehalten hat und was ich dabei lernen durfte- auch wenn es im ersten Moment schwer war, ehrlich zu sich selbst zu sein…..

„Kind, wehr dich doch!“

Unsere Große war schon immer ein sehr sensibles, schüchternes, „braves“ Mädchen. Hört sich jetzt für den ersten Moment gar nicht schlecht an ein „braves“ Kind zu haben,….. Doch hatten wir immer und immer wieder dasselbe Problem: sie ließ sich von anderen, „stärkeren“ und dominanteren Kindern alles gefallen. Wenn sie gerade ein Spielzeug hatte und jemand riss es ihr aus der Hand, sagte sie nichts. Wenn jemand sagte sie sei blöd, litt sie bloß im Stillen dahin. Wenn sie mal gekratzt oder gebissen wurde, weinte sie bloß.

Ich weiß noch, wie oft ich mit ihr gesprochen hatte, sie solle sich wehren, sie solle „Stopp“ schreien, sie solle sich doch endlich einmal gegen die anderen behaupten. Ich versuchte alle möglichen Dinge, um ihr Selbstbewusstsein zu stärken und ihren Selbstwert, doch nie konnte sie „Stopp“ oder „Nein“ zu anderen Kindern sagen. Mir war selbst schon zum Heulen, ich wusste gar nicht mehr was ich machen sollte und litt einfach mit ihr mit.

Doch woher soll es mein Kind können wenn ich es selbst nicht kann?

Ein Gespräch mit einer Freundin, brachte schließlich den „Erleuchtungsmoment“. (Wofür ich ihr unendlich dankbar bin)  Als ich ihr mein Leid klagte, sah sie mich ernsthaft an und fragte aus heiterem Himmel:

„Setzt du deinen Mitmenschen Grenzen? Kannst du gut leicht „Nein“ sagen?“

Wuuuusch….das hatte ordentlich gesessen und getroffen. Zuerst versuchte ich mich gegen diese „blöden“ Fragen zu stellen. Natürlich machte ich das. Sicher konnte ich das. Im Endeffekt musste ich doch ehrlich zu mir selbst sein, „Nein“.  Auch ich hatte nicht gelernt „Nein“ zu sagen, mich wehren zu dürfen.

Und als ich mehr darüber nachdachte merkte ich, dass dies ein richtiges Muster in meiner Familie war. Weder meine Mama, noch meine Oma, noch meine Uroma konnten das. Es wurde immer weitergegeben, dass man „brav“, „lieb“, „nett“ sein müsste, dass man alles ertragen und bloß nicht auffallen sollte. Als mir dies bewusst wurde, lag das eigentliche Problem auf der Hand.

Woher sollte unsere Tochter das ,,Nein-Sagen“ kennen und können, wenn sie es nicht bei mir sah.

Also begann ich „Stopp“ zu sagen, wenn es mir bei etwas nicht gut ging. Ich fing an „Nein“ zu sagen. Auch wenn es zunächst viel an Überwindung kostete, es fühlte sich danach verdammt gut an. Und es ist jetzt unschwer zu erraten. Seitdem ich dies unserer Tochter vorlebe, traut auch sie sich zu behaupten.

„Kind, was spiegelst du mir?“

Diese Frage hat für mich seitdem eine kraftvolle Bedeutung bekommen. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass Kinder uns auch das genaue Gegenteil von etwas spiegeln können. Wenn ich mich, wie bei meinem genannten Beispiel nie wehre, kann das Verhalten des Kindes auch ins genaue Gegenteil ausschlagen. Nämlich, dass das Kind aggressiv wird, weil es die eigenen verdrängten Aggressionen, weil man brav sein muss, auslebt.

Wenn das eigene Kind also oft wütend wird, oder tobend ist, kann man sich fragen: Trage ich selbst eine Wut in mir? Und wenn ja, woher kommt sie? Oftmals wirkt dieses Erkennen und Hinschauen schon lösend. Zudem hilft es uns besser mit schwierigen Situationen umzugehen, wenn wir die Hintergründe verstehen.

Ein weiteres, kleines Paradebeispiel dazu ist die überordentliche Mutter mit dem chaotischen Kind….. Ist es nicht irgendwie logisch, dass ein Kind gar nicht anders kann als unordentlich zu sein, wenn die Mutter innerlich an einem steifen Perfektionismus festhält ..?

„Kind, was spiegelst du mir?“ – Eine sehr starke Frage, die es lohnt sich zu stellen, wenn man den Mut hat, sich selbst ehrlich zu begegnen.

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