„Erziehung ist (k)ein Kinderspiel!“ – Wie viel Freiräume dürfen sein?

Kindliche Freiräume sind unentbehrlich für die Entwicklung. Doch sind wir manchmal im Dilemma: Freiraum oder Sicherheit? Darf mein Kind frei laufen oder muss es die Hand geben? Muss es folgen oder nicht? Noch dazu steht der Spieltrieb des Kindes oft im Widerspruch zu den eigenen Bedürfnissen. 

„Wenn du jetzt nicht endlich die Hand gibst, bekommst du eine Ohrfeige!“ Bei diesen barschen Worten, die eine Mutter zu ihrem etwa zweijährigen Kind sprach, tat mir das Herz weh. Zunächst einmal wegen der bedrohlichen Formulierung, die dem Kind Angst macht und sein Selbstwertgefühl verletzt. Es war auf einer schönen, breiten Allee in einem großen Park. Schade auch, dass diese Mutter eine wunderbare Gelegenheit versäumte, ihrem Kind freien Auslauf zu gewähren, Freiheit zu atmen, sich zu spüren, die Welt zu erobern, Nähe und Distanz spielerisch auszuloten, mit der Gewissheit, jederzeit zum schützenden Schoß der Mutter zurückkehren zu können. So werden die ersten Schritte in die Selbstständigkeit getan, Schritte, die das Selbstbewusstsein und die Intelligenz des Kindes stärken. 

Kinder spüren, wie viel sie sich zutrauen können

Kinder haben von klein auf einen wunderbaren Instinkt dafür, zu spüren, was sie brauchen und wie viel sie sich schon zutrauen können: ist es wagemutig, entfernt es sich, sucht es Geborgenheit, kommt es näher. Es genügt, wenn wir unsere Kinder gewähren lassen, in einem Rahmen der Sicherheit, den natürlich wir Erwachsene abstecken. Zum Beispiel die Sorge, sich eine Erkältung zu holen oder schmutzig zu werden, sollten wir nicht durch Verbote lösen, sondern durch die passende Bekleidung. Es ist besser, einen Waschgang mehr einzulegen als Kinder unnötig einzuengen.

Bewegung macht froh, intelligent und selbstbewusst

Wir können die Entwicklung und die Lebensfreude unserer Kinder fördern, indem wir ihnen altersgemäß so viele Freiräume wie möglich lassen, besonders in einer urbanen, wenig kindgerechten Welt, die die notwendigen Freiräume der Kinder sowieso sehr stark einschränkt. Damit schaffen wir auch eine Vertrauensbasis, denn Kinder wissen diese Haltung der Eltern zu schätzen. Kinder, die zu wenig Freiräume haben, werden gehemmt, ängstlich, unselbstständig, ungeschickt, freudlos, inaktiv, quengelig und oft auch aggressiv, weil sie ihren kindlichen Bewegungsdrang nicht auf gesunde Weise ausleben dürfen. 

Freiraum und Disziplin sind kein Widerspruch

Wenn es aber wirklich nötig ist, darauf zu bestehen, dass Ihnen Ihr Kind die Hand gibt, weil Sie beispielsweise zur gefährlichen Autostraße kommen, dann empfiehlt es sich, dem Kind ruhig und bestimmt den Sachverhalt zu erklären und welche Verhaltensweise nun von ihm verlangt wird. Dann wird auch das kleine Kind die liebevolle Fürsorge und die Achtung der Eltern spüren und deren Forderung nicht als Willkür empfinden.

Als Eltern entscheiden Sie dann, ob sie ihm noch einige Minuten Zeit geben, seinen Übermut auszuleben oder ob sofortiger Gehorsam eingefordert werden muss. Freiraum und Disziplin – beides muss es in der Erziehung geben, gewährt mit Geduld und Verständnis, und vielleicht auch mit einer Portion spielerischem Humor. Diesen können wir von Kindern lernen, wenn das Leben uns schon zu ernst hat werden lassen, sodass wir vergaßen, dass wir auch einmal Kinder waren. 

Nützen Sie die Freizeit bewusst dazu, Ihren Kindern so oft wie möglich Gelegenheit zum Laufen, Spielen, Toben, Experimentieren und Spaß machen zu geben! Nicht nur bei Schönwetter!

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Ein Artikel von

Portraitfoto Maria Neuberger-Schmidt

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