„Erziehung ist (k)ein Kinderspiel!“ – Konfliktkultur von klein auf üben

Bereits Kleinkinder sind in der Lage, ihren Standpunkt bei einem Streit mit einem anderen Kind zum Ausdruck zu bringen und für ihre Anliegen einzutreten. Eltern können dabei unterstützend wirken und ihren Kindern so beibringen, dass Konflikte zum Leben gehören und nichts Negatives sind.

Fallbeispiel: Der Streit ums Tuch

Michael (3) spielt gerade mit einem bunten Tuch. Als klein Emma danach greift, verteidigt er seinen Schatz und es kommt zu einem kleinen Gerangel. Emmas Mutter will Zank vermeiden und bietet ihrer Tochter ihr eigenes Tuch an: „Schau, da hast du!“ Der Streit ist gelöst und die Kinder spielen friedlich weiter.

Konfliktkultur von klein auf üben

Hier wurde eine schöne Gelegenheit verpasst, mit den jungen Kindern Konfliktkultur zu üben. Schon mit 15 Monaten kann Emma lernen, ihren Willen anders zu bekunden als durch kreischen und zerren, auch non-verbal. Die Mutter könnte ihr beibringen: „Wenn du etwas willst, dann klatsch in die Hände.

Das heißt „bitte, bitte!“ Das kleine Zauberwort hat auch jetzt schon seine große Bedeutung. Es hätte Michael bestimmt motiviert, großzügig zu sein. Wenn nicht, hätte sich Emmas Mutter immer noch vermittelnd für ihre Tochter einsetzen und fragen können: „Michael, kannst du dein Tuch Emma ein Weilchen borgen?“, um ihn danach für seine Freundlichkeit zu loben. Will er sich dennoch abgrenzen und seinen Schatz für sich behalten, ist es sein gutes Recht. Emmas Mutter kann ihre Tochter trösten und ihr beibringen, den Willen anderer Kinder zu respektieren, mit oder ohne Ersatzobjekt.

Kinder nicht durch vorschnelles Eingreifen bevormunden

Charakteristisch für diese kleine Szene ist der Reflex vieler Erwachsener, die Probleme ihrer Kinder an ihrer Stelle zu lösen, um nur ja keinen Streit aufkommen zu lassen – vor allem in fremder Umgebung, wenn man auch um sein eigenes Image bangt. Viel wichtiger ist es jedoch, Kindern beizubringen, von klein auf für sich selbst zu sprechen, sich auf faire Weise durchzusetzen, aber auch, die Grenzen anderer zu respektieren. Oft wird der Konflikt geradezu geschürt, indem man Kinder abwertet, wenn sie nein sagen („Das ist aber nicht nett von dir) oder sie zum Nachgeben zwingt („Du siehst doch, dass sie weint. Jetzt borg es ihr aber schnell!“) Besser wäre es, zu sagen: „Emma freut sich, wenn du ihr das Tuch ein Weilchen borgst.“

Kinder für sich sprechen lassen. Eltern sollen nicht die Konflikte der Kinder austragen.

Nichts spricht dagegen, Kindern ihre Konflikte selbst austragen zu lassen und zu beobachten, ob sie unsere Hilfe überhaupt benötigen, um gegebenenfalls als Mediator und nicht als Schiedsrichter aktiv zu werden.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Maria Neuberger-Schmidt

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