Emotionale Entlastung bei Missgeschicken: Die kaputte Porzellanfigur

Wie reagieren bei Missgeschick? Trösten oder strafen? Wie kommt es, dass schneller Trost hysterische Reaktionen oft noch verstärken kann?

Anhand einer kleinen Panne möchte ich veranschaulichen, warum Kinder scheinbar unlogisch reagieren, wenn wir es doch nur gut mit ihnen meinen. Ich lade Sie ein, in die Feinheiten der Kommunikation und der Kommunikationssperren einzutauchen.

Hier meine Story

Tim, 5, hat beim Spielen den Tonvogel vom Regal heruntergeschmissen. Er läuft weinend zur Mutter. Beschwichtigend meint sie: „Ist ja nicht so schlimm. Mach dir nichts daraus!“ „Aber der war sooo schön! Huuhh“! Mutter: „Wir kaufen dir einen neuen!“ Je mehr die Mutter versucht, ihn zu trösten, umso mehr steigert sich Tim in hysterisches Geheule hinein. Was geht in ihm vor?

Gefühle ausreden blockiert emotionale Entlastung

In bester Absicht hat die Mutter versucht, Tim seine Gefühle auszureden, sie also völlig ignoriert.

Für ihn ist es aber schlimm! Und sie behauptet das Gegenteil!

Wären nicht auch Sie frustriert?

Da Tim keine emotionale Entlastung bekommt kann er sich auch nicht beruhigen.

Paradox: Trost macht wütend!

Aktives Zuhören ist gefragt

Tim hat das Bedürfnis, dass seine Gefühle ernst genommen werden. Das könnte sich so anhören: „Du bist wirklich traurig, weil dir das passiert ist…!“Allein so ein scheinbar banaler Satz bewirkt seelische Erleichterung und Aufatmen. Das können Sie sogar beobachten. Tim kann bestätigen: „Ja!“ Weil Tim sich verstanden fühlt, will er nun alles loswerden: „Das war mein Lieblingsvogel!“ Es hilft, wenn die Mutter Interesse zeigt: „Wie ist denn das passiert?“ und wie ein Coach nochmals mit aktivem Zuhören auf seine Gefühle reagiert: „Du bist traurig und ärgerlich zugleich...“ So kann Tim auch erkennen, was er falsch gemacht hat.

Verständnis statt Mitleid

Bei allem Verständnis, halten Sie sich bitte auch mit Mitleid zurück. Tim macht eine alltägliche Erfahrung, wie sie zum Leben dazugehört. Er darf lernen, mit Frustrationen klarzukommen.

Sich mit eigenen Lösungsvorschlägen zurückhalten

Statt Lösungen zu „servieren“ („Wir kaufen einen neuen!“) kann die Mutter Tims Blick in Richtung Lösung lenken: „Und was kannst du jetzt tun?“ Tim: „Hilfst du mir, ihn zu kleben?“ Oder: „Bekomme ich einen neuen?“ Oder: „Schade. Das war wirklich ein schönes Stück.“ Die Lösung kann auch darin bestehen, dass es keine Lösung gibt: Tim muss sich einfach damit abfinden. Auch der Griff zum Besen ist pädagogisch wertvoll. So kann sich Tim beruhigen und Verantwortung übernehmen, denn die Mutter vermittelt: „Ich trau dir was zu!“

Es darf auch getröstet werden: aber zum richtigen Zeitpunkt. Eine herzliche Umarmung ist Trost genug.

Vermeiden Sie zwei Extreme

Manche Kinder sind nicht so selbstkritisch und nehmen Mamas Trost gerne an, gehen wieder spielen und hinterlassen der Mutter den Trümmerhaufen. Diese Reaktion ist nicht wünschenswert, da sie zur Unachtsamkeit erzieht. Alles ist schnell ersetzbar, nichts hat Wert. Wozu aufpassen?

Auch das andere Extrem ist zu vermeiden, wohl bekannt aus alten Zeiten, wo kindliches Missgeschick oft mit harten Zurrechtweisungen oder überzogenen Strafen quittiert wurde. Es ist gut, wenn wir Kindern vermitteln: „Wenn dir ein Missgeschick passiert, ist es kein Drama, aber sei in Hinkunft achtsamer und übernimm Verantwortung!“

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Ein Artikel von

Portraitfoto Maria Neuberger-Schmidt

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