Die Pubertät – der Beginn einer neuen Beziehung

In der Pubertät geht es vor allem darum, bewusst in Beziehung und in der Verbindung mit euren Jugendlichen zu bleiben. Das kann herausfordernd sein, vor allem, da viele Eltern hohe Ansprüche an sich und ihre Kinder haben. Dabei sind alle, sowohl die Eltern als auch die Jugendlichen, zum ersten Mal in dieser Phase. Selbst wenn Eltern bereits bei Geschwisterkindern Erfahrungen mit der Entwicklungsphase Pubertät sammeln konnten, so ist doch jedes Kind, jede*r Jugendliche verschieden.

Eltern müssen nicht alles sofort perfekt können, oder sofort eine Antwort auf die vielen neuen Fragen haben – sie dürfen gemeinsam mit ihren Kindern wachsen, sie dürfen mit ihren Ideen auch mal scheitern, denn gerade darin liegt ja auch der Anreiz, etwas Neues zu versuchen und sich mit den eigenen Themen auseinanderzusetzen.

Wer bin ich?

Die Pubertät braucht eine andere Art von Verbindung. Mit „Ich weiß, was gut für dich ist“-Einstellungen kommen Eltern oft nicht weiter, denn der Entwicklungsschritt für die Jugendlichen besteht jetzt genau darin, sich mehr oder weniger von den Vorstellungen, Ideen und Ansätzen der Eltern zu trennen, um ihren eigenen Weg finden zu können. Das geht nicht von heute auf morgen. Dazu braucht es ein Ausprobieren und Fehler machen (dürfen), ein auf-die-Suche-gehen nach der eigenen Identität. Wer bin ich, abgesehen von den Normen und Werten meiner Eltern? Was ist richtig für mich, was fühlt sich gut oder nicht gut an?

Dieser Weg kann Angst machen. Man lässt Vertrautes hinter sich, und das Neue ist noch nicht in Sicht. Daher brauchen Jugendliche jetzt vor allem eines: Vertrauen.

Damit ist nicht das Vertrauen gemeint, dass sie sich an Regeln halten, rechtzeitig nach Hause kommen oder wie vereinbart den Geschirrspüler ausräumen, sondern echtes Vertrauen in sie als Person. Vertrauen, dass sie ihren Weg gehen werden. Und ja, vielleicht schließt dieser Weg Fehler mit ein, vor denen ihre Eltern sie gerne bewahrt hätten – weil man Fehler eben manchmal selbst machen muss, um aus ihnen zu lernen und um sich selbst zu erfahren. Und gerade dann brauchen sie keine Belehrungen, sondern offene Arme und tröstende Worte - sofern sie diese gerne annehmen möchten.

„Ich bin so gerne dein sicherer Hafen. Wann immer du magst, kannst du hier bei mir alles auftanken, das du da draußen wieder brauchst. Und dann fährst du wieder raus aufs Meer. Und du wirst das schaffen. Ich glaube so fest an dich!“

Um bildlich zu bleiben: das umgekehrte Bild wären verschlossene Hafenpforten, die sagen: „Selbst Schuld, ich habe dir doch gesagt, dass du so nicht aufs Meer rausfahren kannst! Zur Strafe bleibst du 2 Wochen lang hier!“ – Würdet ihr diesen Hafen nochmal ansteuern?

Oder Hafenpforten, die bereits beim Verlassen des Schiffes eine sorgenvolle Miene aufsetzen und erstmal kontrollieren, ob das Schiff auch wirklich alles an Bord hat, was es benötigt, alle Vorkehrungen getroffen hat, und ob es auch wirklich sicher ist, dass es da raus fahren möchte? - Gäbe euch das Vertrauen in euch selbst, Vorfreude, auf die Welt, die auf euch wartet, das Gefühl, dass ihr alles schaffen könnt?

Sich Sorgen machen

Es ist vollkommen normal, dass sich Eltern Sorgen machen. Das Sorgen machen hört nie auf. Wir sorgen uns um unser Ungeborenes, unser Kleinkind, unser Schulkind, und auch um unseren Jugendlichen. Sucht euch daher gerne Bekannte, Freunde, Familie, mit denen ihr eure Sorgen teilen könnt, wann immer ihr ein offenes Ohr braucht. Bei eurem Kind sind sie jetzt fehl am Platz, denn sie machen unsicher.

Auch für Eltern ist die Pubertät eine Entwicklungsphase.

Wir Eltern dürfen lernen, zu vertrauen. Wir dürfen lernen, dass unser Kind andere Ansichten haben darf als wir. Dass das, was sich für uns richtig anfühlt, nicht das Richtige für unser Kind sein muss. Dass unser Kind Dinge anders sehen darf. Dass wir seinen Weg nicht bewerten, genauso wenig, wie wir unseren Weg bewertet wissen wollen. Wir dürfen lernen, Verantwortung abzugeben und ehrlich loszulassen, bei Themen wie Schule, Medien oder Freundschaften.

Wir dürfen eine andere Art von Beziehung zu unseren Kindern kennenlernen. Ist das nicht wunderschön? Diese neue, einzigartige Beziehung wird uns ein Leben lang begleiten, sie wird unsere Zukunft.

Aus Veränderung entsteht immer etwas Neues, auch wenn es sich manchmal wie das Ende von etwas anfühlt, und es in gewisser Weise ja auch ist: das Ende von etwas Altem, der Beginn von etwas Neuem.

Auch dieser Weg geht nicht von heute auf morgen, auch dieser Weg kann Eltern Angst machen, Unsicherheit. Um gut für ihre Kinder da und weiterhin in Verbindung zu sein, tut es gut, sich diesem eigenen Prozess achtsam zuzuwenden, der eigenen Baustelle sozusagen, anstatt auf der Baustelle des Jugendlichen zu baggern - vor allem, wenn dieser das gar nicht möchte und die ausgebaggerte Stelle ohnehin wieder zuschüttet.

Es kann wirklich schwer sein, „einfach“ mit etwas aufzuhören, das wir so gewohnt sind. Sucht euch daher ein gutes „stattdessen“: Wenn der Impuls kommt, zu ...., was mache ich dann stattdessen? Das kann zum Beispiel ein Spaziergang sein, eine Runde laufen gehen, ausschütteln, eine Freundin/einen Freund anrufen oder bewusstes Atmen.

Auch psychologische Beratung kann gut unterstützen, sich Glaubenssätze, Gedanken- oder Verhaltensmuster genauer anzuschauen, zu hinterfragen und für sich wieder positiv auszurichten, Vertrauen zu finden.

Denn über Vertrauen und bedingungslose Liebe (bedingungslos!) gelingt weiterhin Verbindung, gelingt Beziehung, gelingt ein dich-sein-lassen und ich-selbst-sein-dürfen.

Online-Workshop "Pubertät" 

Wenn ihr mehr über die Entwicklungsphase „Pubertät“ erfahren möchtet und darüber, wie es Eltern gelingen kann, ins Vertrauen zu gehen, dann besucht gerne meinen Online-Workshop im Rahmen der #Elternimpulse „Achtsam durch die Pubertät“ am 23. November 2022 wahlweise von 9.30 – 11.30 Uhr oder 19.30 – 21.30 Uhr (Kosten: 20€ pro Bildschirm).
Alle Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung findet ihr unter: 
https://beziehungsvoll.at/pubertaet/

Ähnliche Artikel

Ein Artikel von

Portraitfoto Barbara Grütze

Weitere Artikel des Autors lesen