Das Anziehtheater

„Erziehung ist (k)ein Kinderspiel!“ - Kleine Kinder haben noch kein Verständnis für die Pflichten des Alltags und die alltäglichen Abläufe können viel Stress verursachen. Wie gehen wir damit um?

Jeden Morgen gibt es Ärger. Wenn Mama klein Sonja anziehen will, macht sie sich stock und steif und läuft davon. Das Fangenspiel ist für sie durchaus lustig. Erst wenn Mama Anstalten macht, ohne sie in die Arbeit zu gehen, fängt sie bitterlich an zu weinen und lässt sich endlich anziehen. Warum ist das Kind erst bei Erpressungsmanoevern bereit, zu kooperieren? Dabei fühlt sich auch die Mutter nicht gut. Und wer weiß, wie lange diese Taktik noch wirkt?

Zwischen Spiel und Machtkampf

Sonja ist noch nicht in der Lage, aus Einsicht zu handeln. Außerdem testet sie ihre Macht und die Grenzen der Mutter. Schließlich hat sie auch Spaß dabei. Offensichtlich ist sie mit der ihr zugestandenen Freiheit, die sich durch Zureden und Abwarten ausdrückt, überfordert.

Die Ankündigung

Um eine Trendwende einzuleiten, kann man Sonja in einer ruhigen Minute darauf vorbereiten: „Sonja, wir haben ein Problem: Wenn ich dich anziehen will, läufst du so lange davon, bis ich gehen muss. Und dann weinst du. Ab jetzt bestimme ich, wann du dich anziehst. Protestieren nützt nichts. Ich weiß, du kannst auch ein braves Mädchen sein. Und wenn du mithilfst, sind wir ganz schnell fertig. Morgen probieren wir es aus. Du wirst sehen, wie gut das geht!“ Das Mädchen muss das Wohlwollen, aber auch die Sicherheit und Entschlossenheit der Mutter spüren.

Die Durchführung

Am nächsten Morgen wird Sonja vor vollendete Tatsachen gestellt: „Sonja, ich habe deine Kleider vorbereitet. Es ist Zeit zum Anziehen!“ Wenn sie davon läuft, muss Mama sie schnappen, fest halten und entschlossen wiederholen: „Es ist Zeit zum Anziehen, jetzt! Wenn du mithilfst, geht’s ganz flott. Bist du bereit?“ Tief in die Augen schauen. Idealerweise kommt eine Zustimmung. Fein wäre es, wenn Mama jetzt eine kleine Geschichte erzählt oder etwas, was während des Anziehens Sonjas Aufmerksamkeit fesselt, vielleicht die Beschreibung des Tagesablaufs mit den bevorstehenden Highlights. Dann gibt die Mutter Anerkennung: „Was hab‘ ich für ein braves Kind! Und jetzt gibt’s Frühstück!“ Sollte sich Sonja noch immer weigern, kann die Mutter das kleine Mädchen sanft festhalten und stoisch sagen. „Ich warte, bis du bereit bist.“ Es gibt aber kein Ablenken, kein Davonlaufen. Die Mutter muss Ruhe bewahren und etwas Zeit einkalkulieren. Bald wird es Sonja zu dumm, und sie wird sich wie selbstverständlich anziehen lassen.

Entschlossenheit führt zum Erfolg, Schimpfen oder Nachgeben nicht.

Die Dokumentation

Bis alles gut läuft, kann eine kleine, gut sichtbare Dokumentation helfen, mit Smilie, Sonne oder Trauergesicht versehen. So kann Sonja am Ende der Woche selbst ihr Kooperationsverhalten beurteilen und sich gemeinsam mit der Mutter über Erfolge freuen.

Einen Kompromiss könnte es zum Wochenende geben: „Heute Vormittag darfst du bestimmen, wann du dich anziehst. Sag mir einfach: ‚Mama, bitte anziehen!’ wenn du so weit bist.“ Das Kind hat die Gelegenheit, ausdrücklich darum zu bitten. So lernt es, diese Serviceleistung der Mutter oder des Vaters besser zu schätzen.

Unter drei Jahren nicht zu viel Entscheidungsfreiraum einräumen

Weil sie entwicklungspsychologisch noch nicht reif genug sind, ist es nicht gut, kleinen Kindern zu viel Entscheidungsfreiheit einzuräumen. Besser ist es, wenn sie sich ganz selbstverständlich in ihren kleine Pflichten nach dem Willen der Eltern richten und kooperieren lernen. Das vermittelt Ruhe und Halt und es bleibt auch mehr Zeit für Spiel und Spaß.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Maria Neuberger-Schmidt

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