Wie ein Kind lernt, alleine zu spielen

Wie lernt ein Kind, sich selber zu beschäftigen? Ab wann spielt es alleine, und wie kann ich das Spiel meines Kindes fördern? Tipps und Tricks, die einfach umzusetzen sind.

Gerade habe ich es geschafft, für eine Weile an meiner Seminararbeit weiterzuschreiben, da höre ich schon meine zweijährige Tochter Lara rufen: „Mama, spielst du mit mir?“ Ich habe bereits vier Mal „Halli Galli“ und zwei Mal „Mensch ärgere dich nicht“ hinter mir, abgesehen von einer gemeinsamen Jause und einem Spielplatzbesuch.

Ich frage mich, wann dieses Kind lernen wird, sich selber zu beschäftigen. Ich schaffe es kaum einmal, in Ruhe zu kochen, da Lara laufend meine Aufmerksamkeit beansprucht.

Ist unsere Erwartungshaltung an das Kind zu hoch? Die Veränderungen, die ein Kind mit sich bringt – keine ruhige Morgendusche mehr, Mahlzeiten, bei denen wir selber kaum zum Essen kommen und ein Tagesprogramm ohne Pausenknopf – lässt viele Eltern sehnsüchtig auf den Moment hoffen, an dem sich das Kind endlich einmal alleine beschäftigt. Diese Sehnsucht kann so groß werden, dass wir manchmal einfach zu früh zu viel von unserem Kind erwarten.

Abhängig vom Charakter

Ein Baby schafft es meist nicht mehr als zehn Minuten, sich alleine zu beschäftigen, ein zwei Jahre altes Kleinkind kann das häufig schon bis zu einer halben Stunde, danach steigert sich das Spielvermögen sukzessiv, bis es im Volksschulalter seinen Höhepunkt erreicht. In jedem Fall hängt es sehr vom Charakter des jeweiligen Kindes ab. Es gibt unruhige Kinder, die sich selber schwerer tun, konzentriert bei einer Sache bleiben, und sehr viel länger brauchen können, bis sie lernen, sich selber zu beschäftigen. Dennoch gibt es einige Tricks, um das Spielen des Kindes zu fördern:

#1 Das „Anspielen“

Spielen Sie eine kurze Weile mit oder neben dem Kind. Wenn Sie es in das Spiel vertieft sehen, ziehen Sie sich etwas zurück und beschäftigen sich in der Nähe. Werfen Sie ab und zu etwas ein, sodass das Kind Ihre Nähe spürt. Die Spannen mögen kurz sein, aber es sind wertvolle Gelegenheiten, dem Kind beizubringen, alleine zu spielen.

#2 „Die leere Zeit“

Die leere Zeit ist jene Zeit, in der ein Kind einen Durchhänger hat und die berühmte Frage stellt: „Mami, spielst du mit mir?“ Reagieren Sie nicht reflexartig auf diese Anfragen, sondern lassen Sie Ihr Kind ruhig ein wenig hängen. „Mami, muss jetzt ein wenig bügeln“, sollte dem Kind verständlich machen, dass es jetzt nicht auf Mami bauen kann, und ihm so die Chance geben, das anstehende Problem der Langeweile selber zu lösen. Es gibt kein Kind, das über längere Zeit Langeweile hinnimmt. Auf das Risiko hin, sich ein wenig Blödsinn auszudenken, lernt es dafür, seine Kreativität einzusetzen und sich eine Beschäftigung auszudenken.

#3 Anregungen geben

Oft fällt einem Kind der Wechsel von einer Beschäftigung zur nächsten schwer, und es benötigt nur ein paar Ideen. Ungeeignet sind allgemeine Anregungen wie etwa: „Wie kann das sein, dass du nicht weißt, was du spielen sollst, dein Zimmer geht doch über von Spielzeug?“ Hilfreicher sind konkrete Tipps wie z.B.: „Möchtest Du nicht das Duplo wieder mal rausholen und die Baustelle nachbauen, die du letzthin bei deinem Freund Maxi gesehen hast?“ oder „Willst Du Deine Puppen nicht einmal auf ein Picknick am Strand einladen, ich borg Dir dafür unsere Badehandtücher, wenn Du magst?“

#4 Weniger ist mehr

Gerade zu viele Spielsachen auf einem Haufen hemmen das Spielverhalten. Das Kind nimmt in der Menge die einzelnen Spielsachen nicht mehr wahr, seine Phantasie und Kreativität kommen durch das Überangebot nicht in Fahrt.

Räumen Sie immer wieder einmal einen Teil der Spielsachen weg und reduzieren Sie diese auf ein paar wenige Angebote, die immer wieder gewechselt werden.

#5 Ordnung beeinflusst die Spielfreude

Unaufgeräumte Zimmer, in denen sich die Spielsachen türmen oder in ein paar Boxen unsortiert häufen, hemmen ebenso die Kreativität des Kindes. Es ist immer wieder faszinierend, wie schnell Kinder wieder Interesse am Spielen zeigen, sobald die Sachen ordentlich aufgeräumt in ihrem Regal stehen. Machen Sie die Probe!

Kind spielt mit Duplo

#6 Altersgemäßes Spielzeug anbieten

Viele Kinder besitzen Spielsachen, die ihrem Alter noch nicht entsprechen. Beeindruckende ferngesteuerte Autos, Barbies und Ritterburgen werden vom Kind mit großer Begeisterung in Empfang genommen und liegen dann relativ bald zur Enttäuschung der Eltern unbenutzt in irgendeiner Ecke. Oft ist es nichts anderes, als dass das Kind noch nicht so weit ist, das betreffende Spielzeug mit seinen vollen Möglichkeiten zu nützen. Altersvorgaben sind hier meist Mindestvorgaben, die aber nicht der Reife jedes Kindes gerecht werden können.

#7 Medien mit Maß einsetzen

Gerade wenn wir der dauernden Unterhaltung unserer Kinder müde sind, ist die Versuchung groß, sich der Medien zu bedienen. Nur kann gerade das einen Teufelskreis einleiten. Denn Medien können erst recht verhindern, dass Kinder lernen, sich selber zu beschäftigen. Die passive Versorgung, die das Fernsehen bietet, ist in jedem Fall verführerischer als jedes Spiel und daher die größte Konkurrenz in dieser Hinsicht.

Vermeiden Sie daher, immer dann zum Fernseher zu greifen, wenn das Kind gerade einen Durchhänger hat.

#8 An der Hausarbeit teilnehmen lassen

Oft wünschen wir uns, dass unser Kind ausgiebig spielt, damit wir in Ruhe unsere Arbeiten erledigen können. Aber niemand kann nur spielen. Auch ein Kind braucht die Abwechslung in seinen Tätigkeiten und liebt es, wenn wir es an unserer Arbeit teilnehmen lassen. Geben wir ihm kleine Aufgaben: sein Zimmer saugen, den Teig rühren, den Tisch decken oder das Waschbecken putzen. Es bekommt das Gefühl, gebraucht zu werden und „gearbeitet“ zu haben und wird danach wieder glücklich zum Spielen abmarschieren.

#9 Sind alle Grundbedürfnisse gedeckt?

Sollte ein Kind trotz aller Bemühungen zu gewissen Zeiten trotzdem nicht in das Spiel hineinfinden, sind es oft andere Gründe, die es daran hindern. Vielleicht braucht es nur ein wenig Ansprache und zehn Minuten ausschließlicher Zuwendung. Vielleicht ist es bereits müde, hungrig oder benötigt nichts anderes als eine gute Portion Bewegung an der frischen Luft. Sollte das aus irgendeinem Grund nicht möglich sein, machen Sie einfach das Fenster weit auf und ziehen Sie ihm einen Anorak beim Spielen an. Das wirkt oft Wunder.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Christina Schmidt

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