Machtkampf und Krisenbewältigung: „Dann mach doch was du willst!“

Loslösungsprozesse können oft in dramatische Szenen münden. Wie kann man Beziehung fördern und Kurzschlusshandlungen vermeiden?

Wenn die Unvernunft der Jugendlichen mit einer guten Portion Provokation und Sturheit einhergeht und sie auf keinen guten Rat mehr hören wollen, wissen Eltern oft nur noch eins darauf zu antworten: „Dann mach‘ doch, was du willst!“ Scheinbar entlässt dieser Satz in die Freiheit. In Wirklichkeit spürt man, dass ein gescheitertes Bemühen oder ein Machtkampf vorausgegangen sind. Er enthält ein Ultimatum, setzt unter Druck. Was passiert, wenn Eltern jetzt, aus einer Mischung von Zorn, Resignation oder Kränkung einfach loslassen, jetzt, wo das Seil auf äußerste gespannt ist? Sie haben es erraten? Der Sturz ist vorprogrammiert! Wer auf diese Weise in die Freiheit entlassen wurde, hat seinen Eltern oft ein Leben lang nichts mehr zu sagen, vor allem dann, wenn auch hinterher keiner bereit ist, als erster die Hand zur Versöhnung auszustrecken. Jahrelange, bemühte Erziehungsarbeit endet mit einem Götz-Zitat. – „Das war’s!“ Die Türen fallen zu, man hat einander nichts mehr zu sagen. Ihre Mühe bleibt unbedankt oder der Dank wird auf den Pflichtanteil reduziert. 

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Übernehmen Sie Ihren Teil der Verantwortung!

Es liegt großteils in Ihrer Verantwortung, wenn die Loslösung vom Elternhaus nicht in eine neue Art von Freundschaft zwischen Eltern und Kind einmünden kann, aber auch, wenn Ihr Sohn oder Ihre Tochter gerade auf dem Höhepunkt von Krise und Machtkampf Kurzschlusshandlungen setzt. „Dann mach‘ doch, was du willst!“ Bei diesem Satz hört man sehr viel zwischen den Zeilen durchschwingen. Das kann sein: Enttäuschung (Sie meinen es gut, doch man hört nicht auf Sie), gekränkte Eitelkeit (Man stellt Ihre Kompetenz in Frage), Wut („Das tut sie/er nur, um mich zu ärgern!“), Verzweiflung („Ich weiß mir nicht mehr anders zu helfen!“), Erpressung („Entweder du richtest dich nach meinen Vorstellungen oder du wirst sehen, wie du zurecht kommst!“). Durch den Widerstand Ihres Kindes fühlen Sie sich persönlich abgelehnt und reagieren – verzeihen Sie! – genauso pubertär wie dieses.

Nehmen Sie nicht alles persönlich

Die Provokation Ihres Sohnes oder Ihres Tochter entstand aus einer emotionalen Spannung, vielleicht noch verstärkt durch die Familientradition, wenn Konflikte immer schon so ausgetragen wurden, dass einer gewinnen musste und man einander Vorwürfe und Beleidigungen an den Kopf warf.

In Wirklichkeit geht es Ihrem Sohn/Ihrer Tochter meist gar nicht darum, Sie zu kränken, sondern er/sie weiß sich nicht anders zu helfen. Er/Sie befindet sich in einem an sich gesunden und notwendigen Ablösungsprozess und kommt wahrscheinlich momentan mit sich selber und seinen Problemen nicht zurecht. Wie es in ihm/ihr aussieht, erfahren Sie aber nur, wenn Sie bereit sind, offen und unvoreingenommen zuzuhören.

Vater Sohn gespräch

Statt „Dann mach’ doch was du willst!“ sollte es in etwa so lauten: „Ich sehe, dass du momentan nicht bereit bist, auf mich zu hören!“ (Sie spiegeln ihm/ihr Ihre Wahrnehmung, welchen Eindruck Ihr Kind momentan auf Sie macht.) Dann senden Sie eine Ich-Botschaft ohne Machtwort, Vorwurf oder dgl.: „Ich kann und will dich nicht zu deinem Glücke zwingen: Aber es ist mir wichtig, dass du weißt, wie ich darüber denke. Vor allem möchte ich, dass du weißt, was du mir bedeutest und dass ich mir wünsche, dass du den richtigen Weg für dich findest.“ (Sie stehen offen zu Ihren Gefühlen der Liebe und Solidarität, oder auch der Enttäuschung.) Wenn Sie solchermaßen loslassen, dann bleiben Sie Ihrem Kind Stütze und Orientierungshilfe und geben ihm vor allem die emotionale Sicherheit. Ins rechte Lot wird Ihr Sohn oder Ihre Tochter dann aus eigener Kraft finden.

Wie Eltern Halt geben und mit Vertrauen belohnt werden

Wir können unsere Kinder nicht vor allem bewahren und manchmal müssen sie anscheinend auch schlechte Erfahrungen machen. In dem Maße, wie sie nicht auf uns hören, müssen sie auch die Verantwortung für ihr Tun übernehmen. Wir müssen genau abwägen, wie und was wir verbieten oder einfordern. Aber wir können und sollen die Türen offen halten.

Wenn sie dann klein und angeschlagen wiederkommen, ist es wichtig, dass Sie kompetent reagieren und ihm/ihr die Wiedereingliederung ohne Gesichtsverlust ermöglichen. Kein belehrendes, süffisantes „Ich hab’s ja gleich gewusst!“, sondern ehrlich: „Ich freue mich, dass du wieder da bist“,  „..dass du das einsiehst!“ Nicht nur Sie, in erster Linie Ihr Kind musste sich überwinden und Sie sollten dies auch würdigen. Jugendliche wissen diese Haltung zu schätzen, wenn sie es auch nicht immer gleich zugeben. Vielleicht erfahren Sie es erst nach Jahren. Aber so kann er/sie aus Fehlern lernen und Ihre Beziehung wird immer mehr zu einer tragfähigen Basis für die Zukunft.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Maria Neuberger-Schmidt

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