Impfen, ja oder nein? Interview mit Kinderarzt DDr. Peter Voitl

Bereits ab den ersten Lebensmonaten eines Kindes ist es Thema: Das Impfen. Was soll geimpft werden? Muss man überhaupt impfen und welche Risiken sind damit verbunden? Der Wiener Kinderarzt DDr. Peter Voitl gibt Antworten auf die häufigsten Fragen.

Immer öfter tauchen in Kindergärten und Schulen schwere Krankheiten wie Masern auf, die durch Impfungen verhindert werden können. Steigt die Anzahl der Impfverweigerer?

Generell nimmt Impfmüdigkeit nicht zu. Wir haben zwei Prozent, die sich nicht impfen lassen und impfskeptisch sind, die Zahl ist seit vielen Jahren relativ konstant. Zu erklären sind das Wiederauftreten dieser Krankheiten teilweise durch die Eltern selbst. Sie bergen ein großes Ansteckungsrisiko, da ihr Impfschutz bereits abgelaufen ist. Sie müssen sich wieder impfen lassen und somit den Schutz gegen Krankheiten auffrischen.

Wie riskant sind Impfungen?

Impfungen sind nicht riskant – ganz im Gegenteil: Nicht-impfen ist riskant.

Es werden immer mehr Impfstoffe miteinander kombiniert geimpft – warum und setzen wir dadurch unsere Kinder einem größeren Risiko an Impfreaktionen aus?

Es werden deshalb vermehrt Kombinationsimpfstoffe angeboten, weil der Herstellprozess in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht hat und daher die Impfstoffe hoch gereinigt sind.
Die Belastung für den Körper und das Risiko einer Impfreaktion ist dadurch sogar geringer als etwa vor 10 oder 20 Jahren. Zudem sind mehr Impfstoffe verfügbar und diese müssen zum richtigen Zeitpunkt für den Organismus verabreicht werden.

Was versteht man unter Impfreaktionen?

Hier muss man unterscheiden zwischen den Impfnebenwirkungen, Impfkomplikationen und Impfschäden.

  1. Impfnebenwirkungen treten relativ häufig auf: Schmerzen bei der Einstichstelle beispielsweise oder Fieber am Tag der Impfung. Diese sind harmlos und darüber muss man die Patienten informieren, diese Nebenwirkungen verschwinden allerdings am nächsten Tag.
  2. Bei den Impfkomplikationen ist ein typisches Beispiel der Impfabszess. Geimpft wird nicht steril wie in einem Operationssaal. Natürlich kann ein Abszess auftreten, dass man behandeln muss, unter Umständen sogar mit Antibiotika. Aber auch diese Komplikation ist nach ein paar Tagen weg.
  3. Zuletzt gibt es noch die Impfschäden, diese stellen allerdings nur eine Handvoll an Betroffenen in Österreich dar, wenn man bedenkt, dass es viele Hunderttausende Impfungen pro Jahr in Österreich gibt, ist diese Zahl sehr gering.

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Wie hoch ist die Anzahl an Kindern, die tatsächlich an schweren Impfreaktionen in Österreich erkrankt?

Eine Handvoll, wobei es immer schwierig zuordenbar ist, wenn ein Kind nach einer Impfung erkrankt, ob dies durch die Impfung erfolgt ist, oder zufällig an einer Erkrankung.

Das Institute of Medicine in den USA hat Impfmythen wie Autismus oder Asthma verursachenden Inhaltsstoffe in Impfungen klar widerlegt. Wie kann man eine bessere Impfaufklärung bei den Eltern betreiben?

Impfaufklärung findet bereits in einem sehr guten Ausmaß statt. Die Patienten werden beraten und eventuellen Ängsten kann man am besten mit Fakten begegnen. Allerdings sind diese Impfmythen teilweise verständlich, weil sie historisch begründet sind: Zum Beispiel war Pocken zur Zeit Napoleons eine Zwangsimpfung, teilweise sind Menschen aufgrund des schlechten Impfstoffs verstorben. Heutzutage ist es andererseits so, dass Eltern ihren gesunden Säugling nichts Unangenehmes verabreichen wollen – wie beispielsweise eine Spritze.

Gibt es aus Ihrer Sicht auch ein Zuviel an Impfungen?

Es gibt kein Zuviel an Impfungen. Man kann lediglich falsch impfen, indem man Impfabstände nicht richtig einhält bzw. Folgeimpfungen verpasst. Ein Überimpfen ist nicht möglich.

Was halten Sie von dem Buch „Maßvoll impfen: Risiken abwägen und individuell entscheiden – Eine Orientierungshilfe für Eltern“ von Dr. Stephan Nolte? Er ist darin Impfungen sehr kritisch gegenüber eingestellt und meint beispielsweise die FSME-Impfung würde in Österreich lediglich nur noch aufgrund des Nationalstolzes durchgeführt werden, da der Impfstoff in Österreich entwickelt worden ist.

Dr. Nolte hat nicht ganz Unrecht damit. Es gibt bei FSME unterschiedliche Impfempfehlungen: In Österreich ist die Auffrischung alle fünf Jahre empfohlen, in der Schweiz alle 10 Jahre und in Deutschland wird generell keine FSME-Impfung empfohlen.

Dies sind natürlich verwirrende Interpretationen der wissenschaftlichen Lage, die mit der nationalen Gesundheitsbehörde zu tun hat. Dies heißt: wenn eine Impfempfehlung abgegeben wird, dann muss die Gesundheitsbehörde diese auch bezahlen – hier spielt also nicht nur die gesundheitliche Lage eine Rolle, sondern auch die wirtschaftliche. Was aus Sicht Deutschlands verständlich ist, da nur Bayern ein Risikogebiet ist.

Die Schweiz hingegen interpretiert die wissenschaftliche Lage anders. Hier wird zwar der gleiche Impfstoff verwendet und es ist das gleiche Risikogebiet wie Österreich, allerdings wird der Zeitraum länger definiert, womit sie auch richtig liegt.

In Österreich haben wir mit dem 5-Jahres-Abstand ein Sicherheitspolster, wenn man diesen verabsäumt kann nach 7 Jahren erneut geimpft werden.

Es sind also unterschiedliche nationale Sichtweisen der Daten, die sich aber nicht widersprechen.

Wäre für Sie eine Impfpflicht in Österreich wünschenswert und warum?

Teilweise. Eine generelle Impfpflicht wäre aufgrund der Haftung höchst problematisch. Wenn man impfen muss, wird man alles, was nach einer Impfung passiert (und seien es schlechte Schulnoten) auf die Impfung zurückführen und einklagen. Die Folgen einer generellen Impfpflicht wäre eine Prozesslawine. Was allerdings schon notwendig wäre, ist eine Impfpflicht im Gesundheitswesen.

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