Ehe und Freiheit – ein Gegensatz?

Als Ehepartner verzichten wir nicht auf unsere Freiheit, sondern sind endlich angekommen. Vieles machen wir gemeinsam – alles aber mit Unterstützung des anderen.

Ein Gespräch mit einem nicht mehr jungen Mann geht mir nicht aus dem Sinn: „Ich werde meine Freundin, mit der ich schon lange zusammenwohne, nicht heiraten, weil ich dann mein Druckmittel verliere: ich drohe ihr mit Auszug.“ Ich war sehr erstaunt über so viel Kurzsichtigkeit, denn er hatte offensichtlich nicht verstanden, worauf es bei einer Partnerschaft ankommt. Und ich beobachte, dass diese Denkweise weit verbreitet ist: Mit der Ehe scheint es mit der Freiheit passé, somit muss ich mir eine Hintertür offen halten, denken viele.

Ich erinnere mich an den Moment nach meiner Trauung, als ich das erste Mal allein war mit meinem Mann nach der Brautmesse. Für mich war er plötzlich fremd und ich sah meine Freiheit als verloren an. Behutsam sprachen wir sofort darüber und er nahm mir jeglichen Zweifel, er versprach mir meine Freiheit zu achten, ja, sie zu hüten. So ist es bis heute geblieben.

Ehe heißt, anzukommen

Nach und nach empfand ich meine Heirat als „ankommen“ im Hafen der Ehe; es ist ein passendes Bild, dieser Hafen. Wir hatten beide keine Lust mehr auf ein stürmisches Leben mit Hochs und Tiefs in „Beziehungen“. Wir wollten endlich Ruhe, den „gleichmäßigen Fluss“, denn wir hatten noch viel vor in unserem Leben, eingeplante Turbulenzen deswegen würden uns an Aufregung genügen. Viele Pläne und Ideen warteten auf uns, die wir nur teilweise gemeinsam umsetzten, aber alle umgesetzten niemals ohne die Hilfe und Unterstützung des Partners. Alle wichtigen Entscheidungen trafen wir gemeinsam, egal ob sie nur einen oder beide von uns betrafen. Gemeinsam tragen mussten und müssen wir sie allemal.

Vertraue ich meinem Partner, dass er immer die richtigen Entscheidungen trifft? Oder entscheidet er zu seinem Vorteil? Sobald diese Frage in mir Skepsis hervorruft, stimmt etwas nicht. Die Frau kann sich an dieser Stelle fragen: Möchte ich, dass es meinen Lieben gut geht und würde ich auch Unbequemes ertragen, würde ich, wenn es gar nicht geht, es in Liebe ansprechen? Der Mann kann sich fragen, ob er bedingungslos für das Wohl seiner Lieben einstehen möchte und er eine verlässliche, liebevolle Größe in der Familie sein will? Wenn beide dies bejahen – herzlichen Glückwunsch! – dann führen Sie sicher schon eine gute Ehe und können vielleicht Vorbild für andere sein.

Hingabe ist entscheidend in der Ehe

Viele schaffen diesen Schritt nicht. Man nennt diesen Schritt „Hingabe“. Ich erkenne meine Aufgabe, mit allem was ich bin, als Teil eines Größeren. In diesem Fall meine Ehe, meine Familie. Ich bin nicht mehr allein und finde meine Aufgabe, die Richtung, in die mein Leben weitergehen soll, im Wohlergehen des anderen. Geht es Dir gut – dann geht es mir gut. Das ist so etwas wie eine Geld-zurück-Garantie.

Wenn jeder der Partner diesen Kreislauf von Geben und Erhalten erkannt hat und seine ganz eigene Aufgabe gefunden hat, dann kann die Ehe uns zu großen Höhen bringen – zu Erfolg, Zufriedenheit, Gelassenheit.

In unseren Seminaren arbeiten wir ganz gezielt darauf hin, dass Männer und Frauen ihre ganz eigene, wesenshafte Berufung in Familie und Welt finden. Es ist immer wieder berührend, zu erleben, dass vor allem Ehemänner – für die „alle Seminare“ eigentlich etwas für „Weicheier, Loser, Psychos“ sind – erkennen, dass sie selbst es sind, mit denen sie am meisten kämpfen müssen. Nicht im Job, nicht in der Gesellschaft, erst recht nicht mit der Ehefrau. Und das ist nichts für Feiglinge, sondern etwas für mutige Männer.

Ähnliche Artikel

Ein Artikel von

Portraitfoto Jeanette Karbig

Weitere Artikel des Autors lesen