Familienbett: Drei in einem Bett, ist das zu viel?

Zu dritt in einem Bett. Die einen finden es kuschelig und schön mit dem Kind in einem Bett zu schlafen. Die anderen befürchten, sie verwöhnen ihr Kleines. Gedanken und Erfahrungen zum Familienbett.

Das Familienbett ist keine neue Erfindung, sondern eigentlich nur ein neuer Name für eine alte Idee: nämlich, dass die ganze Familie zusammen in einem Bett schläft. Früher war das die Regel, aber heute ist dies eher ungewöhnlich. Allerdings schlafen trotzdem viele Kinder im Elternbett, wenn sie zahnen, Bauchweh haben oder sie einfach nicht einschlafen können. In solchen Situationen werfen viele Eltern ihre Prinzipien über Bord und holen „damit Ruhe ist“ das Kind ins Elternbett. Und dann bekommen alle den Schlaf, den sie dringend brauchen.

Schlaf und Geborgenheit

In der aller ersten Nacht mit unserer Tochter war für mich schnell klar, alleine im Kinderbettchen, das geht nicht. Für sie und für mich nicht. Sie schlief neben mir im Bett. Schon nach dieser ersten Nacht schien es mir befremdlich unser kleines Baby, das so vollkommen auf unseren Schutz angewiesen war, woanders schlafen zu lassen als bei uns.

Karl Heinz Brisch, der Bindungsforscher und Kinder- und Jugendlichenpsychiater und Psychotherapeut, erzählte im von mir besuchten Lehrgang „Safe – Sichere Ausbildung für Eltern“ folgende Begebenheit:

„Vor einigen Jahren war ich auf einer internationalen Konferenz und saß beim Konferenzdinner mit sieben Kolleginnen aus Indonesien an einem Tisch. Nachdem der Abend etwas fortgeschritten war und sich die Atmosphäre lockerte, fragte mich eine von ihnen, ob es stimme, dass bei uns in Deutschland Kinder in einem eigenen Bettchen schlafen müssen. Ich bejahte dies und war etwas erstaunt, als im Folgenden noch mehrmals diese Frage gestellt wurde und auf meine positive Antwort hin einige Unruhe auftrat. Schließlich fragte mich eine weitere Kollegin, ob denn die Kinder nachts in ihren Einzelbetten in ihren Zimmern blieben. Diese Frage musste ich nun eindeutig verneinen und sagen, dass die Kinder in Deutschland, wenn sie nachts Angst bekommen und die Möglichkeit haben, aus ihrem Bett herauszukommen zu ihren Eltern zu gehen, diese als sichere Bindungspersonen aufsuchen, um sich durch Körperkontakt zu beruhigen. Das Erstaunen über diese Antwort war sehr groß und die Indonesierinnen meinten: Die Kinder in Deutschland sind ja genauso wie unsere Kinder, aber warum muten deutsche Eltern Kindern zu, dass sie allein in einem eigenen Zimmer im eigenen Bett schlafen müssen, wenn doch klar ist, dass sie sich daran nicht halten, sobald sie Angst bekommen?“

Schlafgewohnheiten sind kulturell bedingt

Nur in westlich orientieren Kulturen sowie in einigen Ländern, die von der westlichen Zivilisation beeinflusst werden, hat sich eine Schlafgewohnheit durchgesetzt, bei der von Babys und Kleinkindern erwartet wird, dass sie alleine schlafen, möglichst in einem eigenen Bett, in einem eigenen Zimmer.

Historisch und transkulturell betrachtet ist es aber so, dass das Familienbett in vielen Kulturen Standard ist. In den nichtindustrialisierten Ländern schlafen laut einer Studie nahezu die Hälfte der Kinder im Elternbett und die andere Hälfte schlafen häufig zumindest im selben Raum.

Evolution

Das uralte Erbe der Menschheitsgeschichte wirkt in unseren Kindern noch heute. Alle Babys kommen mit einem großen Bedürfnis nach Körperkontakt zur Welt. Babys und Kinder können dann gut einschlafen, wenn sie sich sicher und geborgen fühlen. Besonders Kleinkinder, die noch nicht laufen können, brauchen die Nähe der Eltern. Sind sie in der Nähe, bedeutet dies für das Kind, dass ihnen nichts passieren kann. Dieses Verhalten ist ein Überbleibsel der Evolution, mit dem jahrtausendelang sicher gestellt wurde, dass kein Baby allein irgendwo zurückblieb oder das Opfer wilder Tiere wurde. Also wollen Babys dicht bei ihren Müttern bzw. Eltern bleiben, um das Überleben zu sichern.

Dies bedeutet, dass ein Baby auch nachts den Schutz der Mutter um sich wissen möchte, weil Babys und Kleinkinder noch nicht wissen, dass keine wilden Tiere in unsere Wohnung kommen können. Um sich sicher zu fühlen, brauchen sie die Gewissheit, die Eltern in der Nähe zu haben.

Nächtliches Aufwachen ist daher auch einfach ein Schutzmechanismus: um zu überprüfen, ob sie sicher sind. Dann brauchen sie die Hilfe eines Erwachsenen, um wieder in den Schlaf zu finden. Auch wir Erwachsene wachen nachts mehrfach auf, doch finden wir ganz einfach wieder in den Schlaf, so dass wir am Morgen oft nicht mal mehr daran erinnern.

Stillen und ein gemeinsamer Schlafrhythmus

Unsere Tochter schläft bei uns im gemeinsamen Bett und scheint sehr glücklich damit. Nachts weint sie kaum, sie meldet sich wenn sie Hunger hat. Dann dreh ich mich zu ihr und docke sie an, somit ist das gar nicht anstrengend. Meistens schlafe ich schon während dem Trinken wieder ein. Für das nächtliche Stillen ist das Familienbett also unschlagbar bequem.

Mutter, Vater und KInder im Bett

Der Schlafrhythmus von Mutter und Kind gleicht sich an, wenn beide nahe beieinander schlafen. So werden die Mütter durch das nachts weinende Baby nicht aus dem Tiefschlaf gerissen und haben demnach erholsamere Nächte, sagt man und das können wir bisher auch bestätigen.

Viele Babys wachen nachts nicht nur aus Hunger auf, sondern weil sie Nähe brauchen. Wenn unsere Tochter satt ist, spürt sie unsere Nähe im Schlaf und muss dafür nicht extra aufwachen. Um genügend Platz in unserem Bett zu haben, haben wir ein Babybay an unser Bett gebaut. Wir haben bis jetzt nachts noch nie unser Kind schreiend durch die Wohnung getragen, wie ich das von anderen Müttern immer wieder höre und mussten nachts noch nie unser kuscheliges Bett verlassen, um unsere Tochter zu trösten.

Und für alle, die sich Sorgen machen, die Kinder immer im Ehebett zu haben: „Die Kinder ziehen ja nie aus dem Elternbett aus, wenn sie da immer schlafen können!“ – Doch, das tun sie irgendwann, und zwar ganz von alleine.

Gemeinsam schlafen – ein Risiko?

Immer wieder wird das Familienbett kritisiert, und behauptet, dass es ein Risiko darstellt. Wenn aber die folgenden Punkte erfüllt sind, sollte keine Gefahr für das Kind bestehen:

  • Eltern, die rauchen, sollten nicht gemeinsam mit ihrem Kind in einem Bett schlafen. Sie setzen ihr Kind der ausgeatmeten Luft aus, die noch Nikotin und Schadstoffe enthält. Und mit einem Raucher im Bett steigt das Risiko für den Plötzlichen Kindstod (SIDS) deutlich an.
  • Niemand im Familienbett ist schwer krank, betrunken oder unter Einfluss von Drogen oder starken Medikamenten (insbesondere Schlafmittel).
  • Das Baby liegt im Schlafsack und auf dem Rücken. Somit besteht nicht die Gefahr, dass das Kind unter die Decke der Eltern rutscht.
  • Das Bett sollte natürlich auch breit genug sein, damit alle ausreichend Platz haben und die Matratze nicht zu weich, damit das Baby nicht darin einsinkt.
  • Im Familienbett darf kein Haustier schlafen, zwischen zwei Kindern muss ein Erwachsener liegen.

Fazit

Ob eigenes Kinderzimmer, Gitterbett oder im gemeinsamen Bett – jede Familie muss einen individuellen Weg finden, mit dem alle gut schlafen können. Natürlich gilt, nicht nur das Baby, sondern auch beide Elternteile sollten mit der gefundenen Lösung zufrieden sein. Denn wenn nur ein Elternteil das Baby so nah bei sich haben will, kommen bald Konflikte.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Marie-Thérèse Schmiedleitner

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