Wie lässt sich eine Scheidung vermeiden?

Professor Hartmut Esser, Professor für Soziologie an der Universität Mannheim, gibt jungen Paaren einen Tipp: „Kein Ehevertrag! Kein Zögern! Geht für den anderen erkennbar ein Risiko ein, damit er sieht, dass man sich aufeinander verlassen kann. Zeugt mehrere Kinder! Investiert in gemeinsames Eigentum! Startet gemeinsame Projekte! Verbringt viel Zeit miteinander! Am besten im „Rahmen“ vieler gemeinsamer Freunde!“

Ein gemeinsamer, starker Rahmen

Ausschlaggebend für eine gelungene Langzeitbeziehung ist der gemeinsame starke Rahmen. „Der stärkste Faktor ist die kirchliche Heirat. Die zeigt an, dass die Partner sich und ihre Beziehung nicht mehr als Individualisten, sondern als kollektive Einheit verstehen. Der Frame ist noch stärker, wenn sie sich bei der Heirat mehr als ein Kind wünschen. Und wenn Sie vom Geschmack und von ihren Einstellungen her gut zusammenpassen und der Partner vom eigenen Umfeld voll akzeptiert wird,“ so Professor Esser im FOCUS.

Interessanterweise ist der gemeinsame Rahmen bei religiösen und traditionell denkenden Menschen besonders stark. Individualistisch denkende Menschen können dies aber durch besonders ausgeprägtes Zusammenpassen wett machen, erklärt Prof. Esser: „Die fehlende Religiosität kann durch eine hohe Übereinstimmung in Sachen Geschmack, Werte und Einstellungen und durch eine dichte soziale Einbettung quasi ausgeglichen werden.“

Freunde stabilisieren die Beziehung

Ein weiterer wichtiger Faktor sind Freunde: Diese stabilisieren die Beziehung und stellen eine Barriere gegen eine Trennung da – man will schließlich die Freunde nicht verlieren. Interessant ist das Phänomen der Scheidungsspirale: Je mehr Scheidungen es gibt, umso leichter sind die Trennungen für andere.

Oft wirft man „fest gerahmten Ehen“ vor, dass sie zwar beständiger sind, aber öfters nur eine Fassade nach außen vortäuschen. Prof. Esser verneint das: „Unsere Daten zeigen, dass Partner in fest gerahmten Ehen ihre Beziehung als gut oder sehr gut beurteilen. Es gibt dort auch deutlich weniger schwere Ehekrisen und Seitensprünge.“

In die Ehe investieren und Scheidung vermeiden

Denn ein starker Rahmen bedeutet auch, dass beide Ehepartner mehr in die Ehe investieren, wodurch auch der Zusammenhalt wächst. Alles auf eine Karte zu setzen, macht diese Karte weitaus stärker. Das größte gemeinsame Investment sind natürlich die Kinder. Mehrere Kinder zu haben festigt eine Beziehung, schafft gemeinsame Aufgaben und gemeinsames Erleben.

Früher waren die Ehen nicht besser. Aber die Menschen waren krisenfester, auch weil sie weniger Alternativen hatte. Prof. Esser erklärt das so: „Wenn Probleme auftauchen, dann wird das schneller als früher als Ehekrise definiert. Früher wurden Krisen tiefer gehängt, allein weil man keine Alternativen hatte. Heute wird sozusagen jeder Windstoß als fundamentale Gefährdung der gesamten Lebensplanung aufgefasst. Mit den Möglichkeiten steigen eben auch die Unzufriedenheiten, sogar überproportional.“

Zusammenfassung eines Interviews aus „FOCUS“, Nr. 10, 2003.

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