Wenn das Kind den gemeinsamen Theaterbesuch verweigert
Man meint es wirklich nur gut und will dem Nachwuchs Zugang zu Kultur auf allen Ebenen verschaffen. Doch das Kind bockt. Was nun?
Ich hätte es mir so sehr gewünscht: Eine Kindheit voller Kunst und Kultur.
Meine Eltern waren bzw. sind gute Menschen, freundlich, zuvorkommend und herzlich. Nur: Die Kultur hat bisher keine allzu große Rolle in ihrem Leben gespielt. Das soll keine Wertung sein, sondern eine ganz neutrale Feststellung, die auf vielen Jahren der Beobachtung meinerseits basiert.
Selbst habe ich deshalb die Kultur – allen voran Musik aber auch Theater – erst recht spät als wichtige Ventile entdeckt. Ventile, die dadurch, dass man sich für einen gewissen Zeitraum in andere Welten versetzen und von diesen lernen kann, Lebensmut, Lebenstüchtigkeit und Glück so gut wie nichts anders forcieren.
Zudem musste ich mir – abgesehen von der zeitlichen Dimension, dass diese Möglichkeiten erst recht spät in mein Leben traten – vieles erarbeiten. Vieles, vor allem in der sogenannten „Hochkultur“, war mir nur schwer verständlich, erschien mir rätselhaft und ja, gewissermaßen auch etwas, das nicht zur mir gehörte und einem „höheren“ Bildungsstand vorbehalten bleiben sollte.
Mein daran anschließender Gedanke ist aus meiner Sicht so einfach wie logisch: Unsere Kinder sollte es später einmal nicht so gehen. Sie sollten wissen, dass ihnen jedwede Kunstform „gehört“ und offensteht.
Es sollte ihnen bewusst sein, welche wunderbaren und fast schon magischen Möglichkeiten Kunst eröffnet.
Was liegt damit näher, als den Nachwuchs mit zu Konzerten und eben zu Theaterstücken zu nehmen? Na eben. Keinesfalls soll das ein Zwang sein. Keinesfalls ein Muss. Aber ein Angebot, das so gut ist, dass es gar nicht ausgeschlagen werden kann. Wer würde schon freiwillig auf einen Theaterbesuch verzichten, der einen in andere Welten versetzt und einen Schritt für Schritt näher zu einem vollumfänglichen Genuss dieser ach so wunderbaren Kunstform bringt?
Richtig. Meine Tochter, die 13 Jahre alt ist. Liegt es an der Pubertät oder liegt es daran, dass Kurzvideos und soziale Netzwerke die eher langsame Kunstform Theater verdrängt haben? Besser gesagt: Wohl nicht verdrängt, aber für die Rezeption der jungen Leute null und nicht gemacht haben. Soll heißen: Altmodisch, aus der Zeit gefallen, nicht mehr interessant. Wahre Inhalte und wahre Relevanz findet damit – zu Ende gedacht – vor allem häppchenweise und online statt.
Sie war ganz und gar nicht begeistert.
Auch meine Überredungskunst half nichts. Ihre Redaktion verwunderte mich jedenfalls. Ich war kurz davor, von Undankbarkeit zu sprechen. Ich konnte mich schließlich aber noch zurückhalten, denn eine solche Aussage wäre wohl kontraproduktiv und widerspricht ja nicht zuletzt auch dem Wesen der Kunst: Alles kann, nichts muss.
Dennoch aber frage ich mich: Woran liegt es? Man legt dem Nachwuchs gewissermaßen die Kunst-Welt zu Füßen und dieser verweigert, diese Türe zu durchschreiten?
Ist es Trotz, der der Pubertät geschuldet ist, also eine Haltung, die a priori ablehnt, was einem die Eltern vorsetzen und anbieten?
Ist es die Suche nach Autonomie und mithin die Sache, einen eigenen Zugang zu Kunst und der Welt zu finden, die nicht von den Eltern begleitet wird?
Nach wie vor weiß ich nicht, wie die richtige Reaktion auf ihre damalige Reaktion aussehen hätte können. Hätte ich sie noch weiter überreden muss, gar Zwang anwenden nach dem Motto: Später wirst du mir denkbar sein und es wird dir dann doch gefallen haben? Oder ist die richtige Antwort darauf, es schulterzuckend zur Kenntnis zu nehmen und nicht weiter nachzudenken oder gar nachzufragen?
Mittlerweile kann ich damit umgehen. Und bin dann alleine zu der – übrigens grandiosen – Theatervorstellung gegangen. Ich habe meiner Tochter davon erzählt. Und hoffe, dass ich sie auf diese Umwege dazu bekomme, mich doch noch einmal und zeitnah demnächst zu begleiten.
