Was tun, wenn die Großeltern nerven?

Ein neugeborenes Baby ist ein Wunder. Klar, dass da jeder in der Familie und im Freundeskreis Anteil nehmen will. Manchmal jedoch mehr, als den frischgebackenen Eltern lieb ist. Wenn die Nachricht von der Geburt erstmal die Runde gemacht hat, will das Telefon nicht mehr aufhören zu klingeln und jeder schaut mal „kurz auf einen Sprung“ vorbei, um Glückwünsche zu überbringen oder das Baby herumzutragen. Jungen Müttern wird das oft zu viel. Allein, sie trauen es sich nicht zu sagen.

Wie geht man damit um?

Vor allem Großmütter neigen dazu, regelrecht Anspruch auf das Enkelkind zu erheben. Wie geht man damit um? Omas bringen Strampler vorbei, warmes Essen und haben natürlich jede Menge gut gemeinter Ratschläge im Gepäck. Was man der Höflichkeit halber zu Anfang noch akzeptiert, nimmt bei manchen Großeltern unangenehme Formen an, die sich – wenn man dem nicht rechtzeitig Einhalt gebietet – irgendwann zu einem großen Streit zusammenspitzen.

Kontakt zur Oma komplett abgebrochen

So ist dies bei einer befreundeten Familie geschehen, die den Kontakt zur Oma komplett abgebrochen hat. Man hat sich so zerstritten, dass es die Oma für die Kinder ab dem Kindergartenalter nicht mehr gab. Keine Familienessen, keine Besuche, keine Anrufe mehr. Dabei leiden alle Beteiligten – bis heute. Und die Kleinen sind nun bereits 17 und 19. „Aber es ging nicht mehr. Sie hat sich in alles eingemischt. Sie wusste alles besser. Sie hat uns nicht als eigene, kleine Familie akzeptiert.“ Traurig.

Großeltern sind spitze.

Aber manchmal können sie mit ihrer Lebenserfahrung auch ordentlich nerven. Wenn sie es auch nicht direkt aussprechen, wir wissen, was sie denken. Kennen Sie vielleicht manche dieser Sätze?

10 Dinge, die Großeltern wirklich denken, wenn sie uns beobachten - und manchmal auch laut sagen:

  1. Also wir haben früher nur alle vier Stunden gefüttert.
  2. Ums Stillen haben wir früher nie so ein Tamtam gemacht. Das ging so nebenbei.
  3. Was? Jetzt willst du schon wieder arbeiten?
  4. Du gehst arbeiten, um dir eine Tagesmutter zu leisten? Wieso bleibst du nicht selbst daheim, sondern gibst das Kind einer Fremden?
  5. Der arme Wurm, warum muss er denn jetzt auch noch zum Babyschwimmen?
  6. Du diskutierst viel zu viel mit dem Kind. Wir haben früher eine klare Ansage gemacht. Punkt, Ende.
  7. Zu meiner Zeit hatten die Kinder nicht jeden Nachmittag einen Termin. Das ist ja Stress pur.
  8. Als ihr klein wart, wurde gegessen, was auf den Tisch kam.
  9. Im Tragetuch kriegt das Zwutschgerl ja gar keine Luft!
  10. Lass ihn doch mal schreien. Schreien stärkt die Lungen. (Wofür es natürlich wissenschaftlich überhaupt keinen Beweis gibt.)

Hinter diesem Verhalten stecken oft etliche Beweggründe. Zum Beispiel könnte es sein, dass sich dahinter der Wunsch verbirgt, etwas nachzuholen, was beim eigenen Kind versäumt worden ist. Viele Großmütter haben aber auch einfach zu viel freie Zeit und sehen die Sorge ums Enkelkind nun als neue Aufgabe für sich selbst.

Was auch immer der Grund sein mag: Jetzt heißt es, diplomatisch vorgehen und einen Weg zu finden, die lieben Großeltern nicht zu verärgern, aber auch strikt Grenzen zu ziehen – für sich und das Kind.

Omas und Opas wollen schließlich nicht bewusst verletzen, nerven und sich einmischen. Sie wollen helfen.

Hätten meine Freunde ihrer Mutter/Schwiegermutter zum rechten Zeitpunkt klargemacht, dass sie sich in ihrem Familienleben eingeschränkt fühlen, wenn Oma ständig auftaucht und alles besser weiß, wäre das Verhältnis der Generationen zu einander nicht ins Negative gekippt. Und hätten beide Seiten sich die Mühe gemacht, ihre jeweiligen Sichtweisen besser zu verstehen, gäbe es nun keinen Graben zwischen Jung und Alt in dieser Familie. Denn die Fronten sind verhärtet, leider.

Woher kommen die unterschiedlichen Sichtweisen eigentlich?

Streitpunkt 1: Ein großer Streitpunkt ist das Thema Ernährung.

Man muss wissen, viele unserer Mütter haben nicht oder nur sehr kurz gestillt. Es fehlte oft an der notwendigen Unterstützung. Die Neugeborenen wurden bis Ende der 1970er Jahre nach der Geburt erstmal von der Mutter getrennt und nur zum Stillen ins Zimmer gebracht. Meist fütterten die Schwestern im Krankenhaus auch noch zu – kein Wunder also, wenn es da nicht so richtig klappen wollte mit dem Stillen. Außerdem dachte man früher, Muttermilch sei wegen der Umweltgifte eher schädlich fürs Kind, und so griff man zu Ersatznahrung, die als sicher und modern galt. Zum Stillen gab es auch einen strikten Zeitplan. Es hieß, das Baby dürfe nur alle drei bis vier Stunden angelegt werden und dann auch nur für maximal 20 Minuten an der Brust trinken.

Seien wir daher ein bisschen nachsichtiger, wenn Omas ungläubig feststellen: „Was? Du stillst schon wieder?“

Streitpunkt 2: Schreien lassen versus verwöhnen

Während man früher tatsächlich dachte, dass Kinder mit schlechten Eigenschaften zur Welt kommen, die man ihnen austreiben muss, weiß man heute, dass Babys ihre Eltern noch gar nicht gezielt manipulieren können. Sie schreien keinesfalls um ihre Eltern zu tyrannisieren, sondern machen nur auf ihre Bedürfnisse aufmerksam. Und wie sollten sie das sonst als durch Schreien? Wer dann nicht reagiert, der schwächt das Urvertrauen des Kindes in seine Bindungspersonen.

Leider hört man auch heute noch hie und da den Spruch: „Schreien tut den Lungen gut.“ Im Gegenteil. Schreien schadet dem Baby.

Das Kind schüttet dadurch viele Stresshormone aus, die auf Dauer schädlich sind und die Entwicklung beeinträchtigen. Man hat herausgefunden, dass sich Kinder, auf deren Bedürfnisse die Eltern eingehen, sprachlich und intellektuell besser entwickeln und später deutlich weniger weinen. Dass dazu auch der notwendige Körperkontakt zählt, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Mir selbst wurde noch der Tipp gegeben:

„Wenn’s nicht alleine einschlafen will, lass es schreien, dann wird’s schon von selber müde und irgendwann einschlafen und sich dran gewöhnen.“

Was ist passiert?

Ich hab im Nebenzimmer gelitten, während meine Tochter mit hochrotem Kopf nebenan im Gitterbett stand, am Geländer rüttelte und so lang brüllte, bis sie sich übergab! Da war Schluss. Nix mit: sie gibt von selbst auf, sie wird müde. Ich habe das nie mehr probiert. Zu viel für sie, zu viel für mich. Auch wenn ich noch zu hören bekam:

„Du ziehst dir da einen Tyrannen heran.“ Ach, echt? Wer sein Kind hochnimmt, tröstet und kuschelt, verwöhnt es nicht, sondern stillt ein ganz elementares Bedürfnis.

Streitpunkt 3: „Meine Kinder waren viel früher schon trocken und sauber.“

Da haben unsere Mütter und Schwiegermütter nicht Unrecht. Die Pampers wurden erst Anfang der 1970er eingeführt. Das Auskochen der Stoffwindeln war eine riesen Arbeit. Da setzte man die Kleinen schon sehr früh ständig aufs Töpfchen, meist schon mit einem Jahr. Allerdings Trocken- und Sauberwerden sind zwei verschiedene Dinge. Studien zufolge werden Kinder im Schnitt mit 30 Monaten trocken, ganz unabhängig davon, ob die Eltern sie zum Sauberwerden erzogen haben oder nicht. Und es ist auch kein Grund zur Sorge, dass 20% aller 5-jährigen noch ab und zu eine Windel benötigt.

Streitpunkt 4: „Ist das Kind auch warm angezogen?“

Gleich vorweg: Babys haben oft kalte Hände und Füße. Das liegt daran, dass ihre Extremitäten noch nicht aus eigener Kraft durchblutet werden. Der Nacken liefert ein zuverlässiges Ergebnis. Wenn das Kind dort weder schwitzt noch kalte Haut hat, ist es warm genug, aber nicht zu warm angezogen – auch wenn Oma bei seinem Anblick fröstelt. Der Grund für Großmutters Sorge rührt wahrscheinlich daher, dass es früher einfach in den Wohnungen mangels Dämmung viel kälter war als heute. Man zog sich angemessener an.

Was jedoch nicht fehlen darf ist eine Kopfbedeckung! Auch wenn uns draußen warm genug ist am Kopf, das kleine Köpfchen und besonders die Ohren müssen geschützt sein.

Streitpunkt 5: Wo und wie soll das Baby schlafen?

Weil der plötzliche Kindstod noch immer ein Schreckgespenst ist, empfiehlt man heute, das Kind auf dem Rücken ohne Polster in einem Schlafsack schlafen zu lassen. Auch wenn für Oma das kleine Deckchen und Kinderkissen kuscheliger aussieht, so ist es in jedem Fall sicherer. Was unseren Müttern auch noch gelernt wurde, ist das Kind in der Nacht mehrmals umzudrehen, damit es keinen unförmigen Kopf bekommt. Ganz so falsch ist das nicht. Das häufige Liegen in Rückenlage führt bei vielen Babys zu einem flachen Hinterkopf. Der allerdings verschwindet bis zum Ende des 3. Lebensjahres normalerweise von allein, und das wachsende Haar kaschiert zusätzlich.  

Was auch immer in Ihrer Familie zu einem Streit mit Omas und Opas führen mag, streichen Sie immer heraus, wie sehr Sie die Unterstützung und die Zuneigung zu schätzen wissen!

Ein bisschen mehr Gelassenheit während des Großeltern-Besuchs kann auch nicht schaden. Ein „Du-hast-Recht“ oder „So-habe-ich-das-noch-nie-gesehen, danke“ hie und da, nimmt der Situation die Schärfe raus. Klar ist, alle Kinder profitieren von der Zuwendung ihrer Großeltern. Und diese Beziehung sollten wir als Mütter und Väter nicht zerstören.

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