Motopädagogik: Förderung aller Sinne durch kreatives Spiel und Bewegung

Konzentriert setzt Erich* einen Fuß vor den anderen. Immer darauf bedacht, dass der Ball nicht auf den Boden fällt, den er sich zwischen die Beine geklemmt hat. Gleichzeitig hält er die Hand seiner kleinen Schwester fest, die gerade auf eine Bank steigen will. Seine schützende Geste seiner Schwester gegenüber berührt mich, die Idee den Ball zwischen die Beine zu klemmen, um die Hände frei zu haben, imponiert mir.

Motopädagogik ist mehr als Bewegungsförderung,

erklärt mir Veronika Schwab vom Aktionskreis Motopädagogik Österreich. In der Motopädagogik geht es um die Förderung der gesamten kindlichen Entwicklung durch die Methode Bewegung und Spiel. Ziel der Motopädagogik ist es, dass Kinder unterschiedlichste Erfahrungen sammeln und dadurch auf allen Ebenen ihre Kompetenzen erweitern. Motorisch, sozial, emotional, volitional, kognitiv und sprachlich. Begründer der Psychomotorik ist Ernst J. Kiphard.

Motopädagog:innen bieten Kindern interessante Aufgabenstellungen und beobachten, ermutigen sowie unterstützen die Kinder in ihrem Tun. Das Finden eigener, individueller Lösungen fördert selbständiges Handeln, stärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, den sprachlichen Ausdruck sowie das Zusammengehörigkeitsgefühl. Körper-, Raum- und Sinneswahrnehmung sowie kreativer Ausdruck verbessern sich. Die Kinder finden einen sinnvollen Umgang mit ihren Emotionen, entdecken neue Stärken, erfahren Erfolgserlebnisse und entwickeln so ein positives Selbstbild.

Um dies zu erreichen, stehen der Motopädagogik umfassende Bewegungs- und Spielangebote zur Verfügung. Ein guter Erfahrungs-, Lern- und Spielraum ist dabei auch die freie Natur.

Bewegung in der Natur …

• weckt den Entdeckergeist in uns und deckt vom Bewegungsdrang bis zur erholenden Entspannung alle Bedürfnisse ab.
• aktiviert alle Sinne. Vom Fühlen der Wärme der Sonne auf unserer Haut und der rauen Rinde in den Händen, über das Riechen feuchter Erde und intensivem Bärlauch sowie dem Hören des plätschernden Wassers und dem Rauschen des Windes bis zum Sehen der saftig grünen Wiesen und bunten Sommerblumen.
• stärkt die Ich-Kompetenz durch die Bewältigung unebenen Geländes und das Erlebnis der eigenen Kraft, beim Tragen kleiner und größerer Äste und Steine.
• regt die Kreativität an. Vom Sammeln von Blättern und Schneckenhäusern, Werfen von Zapfen oder dem Bauen von Balancierparcours, Unterständen und Verstecken ist alles möglich und die eigene Fantasie gefragt.
• stärkt die Sachkompetenz. Durch die Integration von Fauna und Flora ins eigene Spiel werden die physikalischen und naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten spielerisch kennengelernt.
• erweitert durch unvorhersehbare Situationen den Wortschatz, die Ausdrucksfähigkeit sowie die Sprachkompetenz.

Spiel-Ideen, zur Stärkung der Kreativität und Zusammenarbeit im Freien:

• Aufgabenstellung: Zelte bzw. ein Haus aus abgefallenen Ästen bauen, Vorräte sammeln (Bokerl, Blätter, …) und ein weiches Bett errichten (Blätter, Moos, Wiese, …) sowie Körbe flechten.
• Aufgabenstellung: Einen Weg über einen flachen Bach bauen (große Steine, Äste, …).
• Aufgabenstellung: Aus Naturmaterialien Kleider oder Schmuck zusammenstellen (Kränze flechten).
• Aufgabenstellung: Aus Naturmaterialien Spiralen und Wege legen und diese nachgehen.

Um die Natur zu schützen, werden die Kinder dabei gebeten, möglichst nur Naturmaterialien zu verwenden, die bereits auf dem Boden liegen und keine Blätter, Äste oder Früchte abzureißen.

Weitere Ideen finden sich auf der Webseite des Aktionskreises Motopädagogik. Das Kartenset Spielideen und Bewegungsimpulse im Freien kann aber auch bestellt werden.

Spielideen im Freien | Aktionskreis Motopädagogik Österreich | akmö (akmoe.at)

Bewegung drinnen …

In den Motopädagogischen Bewegungsstunden werden Erfahrungsräume eröffnet, in denen Kinder sich - ihrer Entwicklung entsprechend - unterschiedlichste Fertigkeiten und Fähigkeiten aneignen können. Durch eine Vielzahl von Bewegungsangeboten- und Aufgaben erleben sie Selbstwirksamkeit sowie ein gesundes Selbstbewusstsein. Freude und Eigenaktivität unterstützen den Lern- und Entwicklungsprozess der Kinder.

Spiel-Ideen, für zuhause:

• Aufgabenstellung: Ein gemütliches, geschütztes und stabiles Spielhaus oder eine Höhle im Zimmer bauen, das/die auch einmal ein paar Tage stehen bleiben darf. (Mögliche Materialien: Decken, Pölster, Sitzsäcke, Poolnudeln, Spiel-Matratzen, Tücher, Kindertische- und Sessel, Handtücher, Hocker, Springseile, Matten, Reifen, alte Vorhänge, Lichterketten, große Schachteln, Sandsäckchen, Massagebälle, …)
• Aufgabenstellung: Eine Kugelbahn, Minigolfbahn oder Eisenbahnschiene im Zimmer oder durch mehrere Räume bauen. So, dass man noch durchgehen und das Zimmer/die Wohnung weiter benutzen kann. (Mögliche Materialien: Leere Klopapier- und Küchenrollen, aufgeschnittene leere Milchpackungen, Springschnüre, Blei- und Buntstifte, Tücher, alte Ketten, Spielzeug-Eisenbahnschienen, Lego-Steine, Holzbausteine, kleine Bälle, …)

Weitere Ideen finden sich auf der Webseite des Aktionskreises Motopädagogik. Das Kartenset 28 Spielideen und Bewegungsimpulse zu Hause kann aber auch bestellt werden.

Spielideen für Zuhause | Aktionskreis Motopädagogik Österreich | akmö (akmoe.at)

Buchtipps zur Motopädagogik:

• „Ich tu, ich kann, ich bin. Psychomotorische Entwicklungsbegleitung in Theorie und Praxis“ von Veronika Pinter-Theiss, Michaela Steiner-Schätz, Bettina Lukesch, Thomas Schätz und Christian Theiss, erschienen in der Edition vaLeo
• „Ich hab’ eine Idee...: Psychomotorische Praxis planen, gestalten, reflektieren“ von Michael Passolt und Veronika Pinter-Theiss, erschienen im Verlag modernen Lernen
• Psychomotorik. Spiel, Spaß und Bewegung im Kindergarten: Über 100 Ideen. Bewegungsspiele, die innere Balance und Resilienz fördern. Motopädagogik für Kita, Grundschule, Hort und Kinderturnen von Karo Zacherl, bei „Don Bosco Medien“ erschienen.
• Wir schaukeln, bauen, balancieren: Motopädagogische Stundenbilder für Eltern-Kind-Gruppen, Kiga und Sportverein von Susanne Baur und Kirsten Schlag, bei Ökotopia erschienen.
• Weitere Fachliteratur findet sich auf der Webseite https://akmoe.at/mitglieder/bibliothek

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*Name von der Redaktion geändert