Mit Kindern und Jugendlichen über „klassische“ Bildungswerte reden

Kinder und Jugendliche sind umgeben von Popkultur. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber darf oder sollte man das nicht durch den „klassischen“ Bildungskanon ergänzen?

Dazu muss ich vorausschicken: Ich bin – sozusagen – ein recht moderner Vater. Aus meinem Mund wird nie zu hören sein, dass Musik oder ganz generell Kultur früher besser war und heutzutage alles nur noch den Bach hinuntergeht. Ich interessiere mich für aktuelle Popmusik und teile die eine oder andere musikalische Vorliebe mit meiner Tochter. Doch darum soll es hier nicht gehen.

 

Es geht um ein seltsames Ungleichgewicht

Vor allem meine ältere Tochter (15) kennt so gut wie jedes aktuelle Model, kann mir Deutschrapper und Influencerinnen und Influencer en masse aufzählen und weiß auch, was diese oder jene Popsängerin im letzten Sommer oder wann auch immer gemacht oder veröffentlicht hat.

Das ist gut. Denn es zeigt ihren wachen Geist.

Ihre Aufnahmefähigkeit. Und sie ist wahrlich nicht jemand, der nur unkritisch wiedergibt, was ihr vorgekaut wird. Sie sucht aktiv, interessiert sich, folgt diesen oder jenem Star und sucht sich diesbezüglich ihre Informationen selbst zusammen.

Worauf ich aber hinaus will: Warum ist diese Art von Kultur – gemeinhin und etwas vereinfachend auch Popkultur genannt – so präsent und so wichtig im Leben unserer Töchter und der klassische Bildungskanon so gut wie gar nicht mehr?

Was ist mit Goethe, Shakespeare, klassischer Musik, Mozart, Beethoven oder was auch immer?

Aufgabe des Elternhauses?

Natürlich lernen Kinder und Jugendliche einiges davon in der Schule. Aber auf meine Nachfrage an unsere Große, ob sie auch was von Johann Sebastian Bach gehört habe, der das eigentlich Genie sei, verneinte sie meine Frage.

In der Schule scheinen hier also auch nur mehr die „Basics“ gelernt zu werden.

Was wiederum die Frage zurückwirft, ob das Elternhaus dafür zuständig ist, solche grundlegenden, abendländischen Bildungsbaustein mit auf den Weg zu geben. Und wenn das so ist: Hat man dann als Elternteil versagt und ist nicht natürlich und alltäglich genug mit diesen Bildungswerten umgegangen?

Wäre womöglich mehr „Arte“ und weniger Krimi eine Lösung gewesen?

Mehr Bach im Alltag und weniger Popmusik am Abend nach einem harten Arbeitstag zum Entspannen? Ja und nein. Ja, denn natürlich lebt man etwas vor. Und natürlich ist der natürliche Umgang mit dieser Art von Kunst und Kultur, die oft auf einen übermenschlichen Sockel gestellt wird, das Um und Auf.

Aber ein "Nein" diesbezüglich, dass sich ohnehin nichts erzwingen lässt. Was hilft es, wenn man vorlebt, aber die Kinder in der Schule von ihren Klassenkameraden etwas völlig anders präsentiert oder serviert bekommen?

Zudem macht es absolut keinen Sinn, abzuwägen und die eine Art der Kultur über die andere zu stellen. Wichtig ist den eigenen Kindern zu vermitteln: Es ist gut, dass du dich dafür interessierst, was gerade im Moment, im Hier und Jetzt ganz alltäglich und damit auch „popkulturell“ passiert. Es ist die Gegenwart, in der sie leben.

Diese gilt es aufzunehmen, zu erleben, aufzusaugen.

Keine Gegenwart ohne Vergangenheit!

Aber was, wenn man den Kindern mit auf den Weg gibt, dass sie die Gegenwart womöglich besser und präziser verstehen, wenn sie sich auch mit der Vergangenheit auseinandersetzen? Was wenn man ihnen eröffnet, wie die klassische Bildung, die klassischen Werke zur Erhellung der Gegenwartskunst und der Popkultur beitragen könnten?

Mithin lohnt es sich also meiner Meinung nach nicht, irgendeinen Bildungskanon hochzuhalten oder diesen gar als absolut zu setzen. Aber es lohnt fast immer, noch etwas hinzuzufügen, etwas zu ergänzen, Querverweise herzustellen.

 

Alles hängt mit allem zusammen!

Eine Erkenntnis könnte sein: Alles hängt mit allem zusammen. Je vernetzte man denkt, desto mehr lässt sich erkennen, interpretieren und damit auch genießen! Wer sich auf eine Art von Kunst beschränkt, wer nur die Gegenwart im Blick hat, der versagt sich selbst Erkenntnisgewinne.

Das mag vielleicht für Kinder und Jugendliche bis zu einem gewissen Alter ein wenig zu abstrakt und hochtrabend sein. Aber es lässt sich vorleben. Es lässt sich immer wieder, in passender Sprache, ohne Zeigefinger vermitteln. Ich bin überzeugt, dass das Früchte tragen kann.

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