Märchen und Geschichten – der erste Schritt zur Beziehungsfähigkeit

„Geschichten bieten Kindern die Chance erstmals über den „eigenen Tellerrand“ hinauszublicken. Sie erweitern die kleine, vertraute Lebensumgebung und bieten eine sichere Möglichkeit in neue, andere Welten einzutauchen. Spielerisch beginnen die Kinder sich für andere Menschen, Schicksale und Kulturen zu interessieren. Geschichten sind für mich eine Lebensgrundlage,“ so Anita Gaffron, sechsfache Mutter, Tagesmutter, Autorin religionspädagogischer Bücher und Gestalterin des Geschichten-Zaubers.

Zuhören, der erste Schritt zur Beziehung

„Zuhören bedeutet, jemandem Aufmerksamkeit und Vertrauen zu schenken“ so Diplom Pädagoge Ingo Reinhardt. Zuhören zu können ist somit der erste Schritt auf dem Weg zur Beziehungsfähigkeit. Beim Zuhören trainieren Kinder nicht nur ihre Konzentrationsfähigkeit. Sie versetzen sich in die Situation der erzählten Helden und stärken dabei ihr Einfühlungsvermögen.

Sozialer Kontakt gelingt nur mit Sprache

Durch gemeinsames Betrachten von Bilderbüchern, Erzählen oder Vorlesen wird die kognitive und sprachliche Entwicklung von Kindern gefördert. Sich sprachlich ausdrücken zu können ist die Voraussetzung für den Aufbau sozialer Beziehungen. So ergab die Vorlesestudie der Stiftung Lesen, dass Kinder denen mehr vorgelesen wurde auch gern mit anderen zusammen sind und leichter soziale Kontakte knüpfen.

Geschichten sind Lern- und Erfahrungsfelder

„Geschichten und Märchen sind Lernfelder für das eigene Leben.

Oft kommen Kinder durch Märchen oder die Passions- und Ostergeschichte das erste Mal mit Leiden und Sterben in Berührung.“ erzählt Anita Gaffron von ihren Erfahrungen.

Kinder verfolgen die Erlebnisse der Märchenfiguren mit großer Empathie. Durch die Hauptfiguren in den Geschichten erfahren die Kinder, dass es auch schwierige Zeiten im Leben gibt. Doch die Bewältigung der Probleme und der gute Ausgang in den Geschichten geben ihnen Zuversicht und Mut. Damit wird ein Grundstein fürs Leben gelegt. Die Kinder lernen Bewältigungsstrategien kennen und darauf zu vertrauen, dass sie schwierige Situationen meistern können.

Geschichten anschaulich erzählen

Besonders wichtig ist es so anschaulich wie möglich zu erzählen, so Anita Gaffron. Je kleiner die Kinder sind, umso mehr kann ich sie ansprechen, wenn die Erzählung mit einem spielerischen Element ergänzt wird. Mit Handpuppen, Legofiguren oder dem Erzählkoffer begebe ich mich auf eine Ebene mit den Kindern und agiere in ihrer Welt. Damit spreche ich all ihre Sinne an und das Erzählte bleibt besser in Erinnerung.

Geschichten frei erzählen

„Ich liebe es, Geschichten frei zu erzählen. Ich mag den Blickkontakt mit den Kindern.“ Freies Erzählen ermöglicht es mir die Kinder in die Geschichte miteinzubeziehen, auf ihre Bedürfnisse einzugehen und rechtzeitig gegenzulenken, wenn Langweile aufkommt. So Anita Gaffron, eine Verfechterin des freien Erzählens.

„Besonders berührend ist es immer wieder in die staunenden Augen der Kinder zu blicken. Dadurch ist die Arbeit der Vorbereitung mehr als vergolten.“

Wie die Idee des „Geschichten-Zaubers“ entstand

„Normalerweise benötige ich beim Erzählen von Geschichten sehr viel Material, um diese lebendig präsentieren zu können. Doch oft ist es in der Praxis nötig etwas schnell zur Hand zu haben, ohne noch Figuren oder Symbole basteln zu müssen,“ erzählt Anita Gaffron. Auch wollte ich nicht immer mit einem voll bepacktem Auto zu Fortbildungen fahren und suchte nach einer Alternative, die genauso schnell zur Hand ist wie ein Bilderbuch. Dank einer Freundin entstand nach langer Suche die Idee eines „wendebaren Bilderbuches aus Stoff“. Mit Hilfe einer Schneidermeisterin gelang es dann 18 Lagen Stoff so zu vernähen, dass sie sich im Anschluss auch noch gut drehen lassen.

Der Fantasie Raum geben

In einem Bilderbuch sind Handlung und Emotionen sehr konkret dargestellt. Beim Geschichten-Zauber ist dies nicht der Fall. Und genau darin liegt eine unglaubliche Chance. „Die Kinder können eigene Bilder in ihrem Kopf entstehen lassen. Es bleibt Raum für Fantasie.“ erklärt Anita Gaffron das Besondere am wendebaren Bilderbuch.

Gefühle werden nur in Farben ausgedrückt, so wird der Tod Jesu mit einem schwarzen Stoff dargestellt. Auch können die Stoffe selbst in die Hand genommen und haptisch erlebt werden.

In der Geschichte der Taufe Jesu ist der Kamelhaarmantel von Johannes dem Täufer z.B. durch einen rauen Stoff dargestellt. Der Geschichten-Zauber dient nur als Handlungsstrang und Stütze. Die Geschichten können so je nach Alter, Entwicklung und Gruppe individuell erzählt und erlebt werden. Ganz kleine Kinder schauen in das Loch, um zu erfahren, was als nächstes kommt, größere können den Geschichten-Zauber schon allein wenden und nacherzählen. Besonders fantasiebegabte Kinder erfinden zu den Stoffen sogar eigene, neue Geschichten.

Geschichten-Zauber, eine zauberhafte Methode, um Geschichten zu erzählen. Anita Gaffron Tagesmutter Landkreis Ansbach  

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