Festgefahrene Rollenmuster im Geschwisterkonflikt

Wie Rollenmuster im Geschwisterkonflikt zu einem Teufelskreis führen können und wie man da wieder herauskommt.

Kathi, bald 6, ist ein braves, freundliches Kind, ihr Bruder Peter, 4, impulsiv und schwer zu lenken, genau das Gegenteil. Immer wieder streitet er mit seiner Schwester, sekkiert sie, haut sie. Auch im Kindergarten benimmt er sich auffällig, wie ein Haudegen. Häufig hört die Mutter Klagen seitens der PädagogInnen. Dementsprechend oft muss sie schimpfen: „Warum hast du das getan?! Warum bist du so schlimm?!“ Sein schelmisches Grinsen oder verlegenes „Weiß nicht!“ bringt sie noch mehr auf die Palme.

Wie festgefahrene Muster in einen Teufelskreis führen

Die Kinder sind in ihren Rollen festgefahren:

Die brave Kathi. Der schlimme Peter.

Ständig mit der braven Schwester verglichen zu werden, erzeugt negative Gefühle, macht aggressiv. Er rächt sich an ihr, wofür er geschimpft wird, und schon dreht sich der Teufelsreis. Peter kann nur noch mit negativer Aufmerksamkeit punkten, aus seiner unbewussten Sicht besser als gar keine.

Wie kommt die Familie aus dieser fest gefahrenen Situation heraus?

Peter braucht ein positives Bild seiner selbst.

Er muss wissen, dass die Eltern an seinen guten Kern glauben. Dieses Vertrauen muss ihm gerade auch dann ausgesprochen werden, wenn er „schlimm“ war. Dabei hilft es, die Situation und das Benehmen nur zu beschreiben, anstatt zu bewerten und die Sache aus Peters Sicht zu betrachten, zum Beispiel „Jetzt ist dein Temperament wieder mit dir durchgegangen. Sicher hast du dich geärgert, weil…“ oder „Immer wird sie gelobt, weil sie brav ist, und dir will das einfach nicht gelingen. Dann bekommst du plötzlich eine Wut.“ Verständnisvoll: „Es ist nicht immer leicht brav zu sein!“

Empathie erzeugen

Empathie erzeugen, Anleitung geben: „Schau, jetzt weint deine Schwester! Komm wir gehen sie trösten“ oder „Komm her mein kleiner Schlingel. Lass dich umarmen, damit dein Zornbinkerl vergeht“.

Erst wenn Peter erleichtert aufatmet, kann man ihn zur Einsicht hinführen: „Glaubst du, war das gut, was du jetzt gemacht hast?“ Peter wird eine ehrliche Antwort geben, weil er sich nun verstanden fühlt. Dafür soll man ihn loben, auch wenn die Antwort noch nicht wunschgemäß ausfällt. Wenn Peter Einsicht zeigt: „Was kann dir helfen, deine Wut besser zu kontrollieren, damit deine Schwester nicht darunter leiden muss?“ Suggestiv: „Eigentlich hast du sie doch lieb, oder?“ Sollten trotz allem noch trotzige Antworten kommen, so ist es umso wichtiger, wenn Peter Gelegenheit bekommt, all seinen Frust loszuwerden und Möglichkeiten der Wiedergutmachung aufgezeigt zu bekommen.

Ausstieg ohne Gesichtsverlust ermöglichen

Genau darin besteht die Aufgabe der Erziehenden. Wenn sie darauf achten, Peter einen Ausstieg aus dem Schlimm sein ohne Gesichtsverlust zu ermöglichen, wird es ihm mit der Zeit immer besser gelingen, seine Impulse zu kontrollieren und seine guten Seiten zum Vorschein zu bringen.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Maria Neuberger-Schmidt

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