Divorceproof – Geht das?

40, 5 Prozent. So hoch war die Scheidungsrate 2018 in Österreich. Ist es angesichts eines solchen Prozentsatzes überhaupt auch nur annähernd klug davon auszugehen, dass die eigene Ehe hält?

Bin ich naiv, wenn ich mir vorstelle, dass mein Mann und ich in vierzig oder fünfzig Jahren immer noch Hand in Hand dem Sonnenuntergang entgegen gehen werden? Oder der untergehenden Sonne zumindest auf unsere Rollator gestützt entgegen rollen? Wir bemühen uns ehrlich jeden Tag und investieren in unsere Beziehung – da muss es doch klappen, oder?

Noch dazu sind wir kirchlich verheiratet, der Glaube ist uns wichtig und wir vertrauen auf die Hilfe Gottes – auch in den ganz alltäglichen Niederungen unseres Ehelebens.

Und trotzdem: Eine hundertprozentige Sicherheit, dass unsere Ehe gelingt, wird es nicht geben.

Je länger mein Mann und ich verheiratet sind, desto mehr wird uns bewusst, dass es keine Garantie gibt. Wir sehen das an Paaren in unserem Bekanntenkreis, die sich trennen. Und wir merken es an uns selbst: Dass es uns gut miteinander geht, ist keine Selbstverständlichkeit.

Sicher, es gehört wohl auch eine große Portion Glück dazu, damit die Ehe hält und darüber hinaus auch noch glücklich ist. Gleichzeitig können wir etwas tun, um unsere Ehe so ‚scheidungssicher‘ wie möglich zu machen, divorceproof, wie es die Amerikaner nennen.

Wie kann das aussehen?

Mich von überhöhten Ansprüchen verabschieden.

Wahrscheinlich muss man sich im Laufe eines Ehelebens mehrmals vom Idealbild des Partners verabschieden, das man sich irgendwann zurecht gezimmert hat. Mir geht es jedenfalls so. Immer wieder merke ich, dass mein Mann meinen überhöhten Ansprüchen nicht genügt. Ich werde unzufrieden, fange an zu vergleichen und zu nörgeln. Schleichen sich solche Gedanken ein, hilft es mir, mich im Freundes- und Bekanntenkreis umzuschauen.

Da gibt es viele tolle Ehemänner, perfekt ist aber keiner von denen. Auch ich habe mich bei der Hochzeit nicht für den perfekten Ehemann entschieden, sondern für meinen Mann – so wie er ist. Und ja, er ist und bleibt ein Glückstreffer.

Auch mal ohne Schlabberpulli.

Wo, wenn nicht in einer Ehe kriegt man den Partner im wahrsten Sinne des Wortes ungeschminkt zu Gesicht? Verschwitzt, im ausgeleierten Shirt, mit Augenringen und morgendlichem Mundgeruch. Wer, wenn nicht mein Ehemann sieht mich so, wie ich mich sonst nie auf die Straße trauen würde?

Wie wunderbar, dass ich mich von ihm angenommen und geliebt fühle, auch wenn Rotzschlieren der Kinder mein Oberteil zieren und sich die Dusche morgens nicht ausgegangen ist. Ich muss mich nicht für ihn schön machen. Aber ich darf! Es tut uns gut, wenn wir uns mal aufbrezeln. Da gewinnt die Anziehung zwischen uns eine ganz neue Dynamik.

Sicherheitsgurt anlegen.

Ein After Work-Drink mit dem netten Arbeitskollegen – ist ja nichts dabei! Oder vielleicht doch? Ganz so einfach lässt sich die Frage nicht beantworten, ob man sich als Frau mit anderen Männern treffen darf. Oder ob der Ehemann jede Woche mit der Nachbarin Tennis spielen soll. Ich habe prinzipiell nichts gegen verschiedengeschlechtliche Freundschaften in unserer Ehe. Ob ein Treffen angemessen ist, muss wohl individuell entschieden werden.

Mir hilft das Bild vom Sicherheitsgurt: Den braucht man selten, beim Unfall aber doch. So einen Gurt kann ich mir auch beim Kontakt mit anderen Männern anlegen. Das bedeutet für mich, mich nicht in zweideutige Situationen zu bringen. In den allermeisten Fällen mögen die harmlos sein. Wenn es aber gerade daheim kriselt und der eigene Partner enttäuscht, erscheint der Arbeitskollege beim Bier plötzlich viel spannender als der Ehemann zu Hause.

Über Visionen und Wünsche reden.

Plötzlich in einem Leben aufzuwachen, das man eigentlich nie führen wollte, muss furchtbar sein. Es scheint aber, dass es vielen so geht: Visionen und Träume wurden aufgegeben. Statt Abenteuer zu erleben, belasten Kreditraten und Wäscheberge. Gefangen im Hamsterrad wünscht man sich nur noch, schnell weg zu kommen. Immer wieder habe ich Leute beim Scheitern ihrer Beziehung sagen hören, dass sie sich ihr Leben so nicht vorgestellt haben.

Sich zwischen Elternabenden, Arbeitsmeetings und Onlinebanking auf die echten Herzenswünsche zu besinnen, ist herausfordernd. Dafür umso notwendiger. Wenn ich nicht in einem Albtraumleben aufwachen will, bleibt mir nichts anderes übrig, als immer und immer wieder Bedürfnisse, Wünsche und Verrücktheiten mit meinem Ehemann zu besprechen.

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