Schritte zur Problemlösung – Die Familienkonferenz

Im ersten Teil "Die Familienkonferenz" haben wir geklärt, warum eine Familienkonferenz in regelmäßigen Abständen sinnvoll sein kann und welche Faktoren für das Gelingen wichtig sind. Im zweiten Teil geht es darum wie die Probleme, die vielleicht im Raum stehen am besten gelöst werden können.

Die Themen werden Punkt für Punkt abgearbeitet, in folgenden Schritten

1. Die Problemsituation beschreiben

Hier geht es darum, das Problem sachlich, kurz und bündig auf den Punkt zu bringen.

Es geht um eine Ich-Botschaft.

Wenn es um Themen geht, die emotional geladen sind, zum Beispiel das unliebsame Verhalten eines Kindes, dann gilt es besonders darauf zu achten, nicht ausschweifend, klagend oder beschuldigend zu beginnen, um die Atmosphäre nicht von Start weg zu belasten. Sonst schalten Kinder, und insbesondere Jugendliche, sofort auf Abwehr und es wird schwer sein, sie für eine konstruktive Teilnahme am Gespräch „ins Boot“ zu holen. Daher sollte man den Einstiegssatz gut überlegen, am besten schon im Vorfeld, und einmal tief durchatmen, bevor man zu reden beginnt. Wenn Sie trotz allem einen Widerstand spüren, dann sprechen Sie es sofort an und stellen Sie es als eine Chance dar, Dinge zu bereinigen.

Bitte beachten: Manche Situationen lassen sich im vier-Augen-Gespräch besser lösen. Kein Kind soll sich vor allen anderen bloßgestellt fühlen.

Die 20:80 Regel: Weniger über das Problem, mehr über die Lösung reden

Es zeigt sich immer wieder, dass sich sowohl die Kleinen als auch die Großen als Experten für die Problembeschreibung sehen. Jeder weiß, warum was nicht funktioniert, und man kann sich stundenlang darüber ausbreiten. Das Gesprächsklima kann dabei sehr leicht in Rechtfertigungen und gegenseitige Schuldzuweisungen abgleiten.

Halten Sie konsequent am Positivkurs fest.

Sagen Sie ausdrücklich, dass Sie die Zeit nicht damit vergeuden wollen, über das Problem zu reden, sondern um eine Lösung zu finden. Eine wichtige Regel kann lauten: maximal 20 Prozent der Zeit für die Problemanalyse, 80 Prozent für die Suche nach Lösungen.

Bei belasteten Themen sollten Eltern allen Beteiligten Raum geben, um Frust abzuladen. Zeigen Sie Verständnis, machen Sie vielleicht auch Notizen, damit nichts verloren geht. Verschiedene Sichtweisen dürfen nebeneinander stehen bleiben, ohne bewertet zu werden. Deshalb gehen Sie nicht sofort auf den Inhalt ein, sondern nehmen Sie das Problem einfach nur einmal zur Kenntnis. Ein kurzes „Danke“ ohne Kommentar reicht meist schon aus.

2. Zur Suche nach Lösungen einladen

Nach der Themen- und Standortbestimmung wird das Anliegen auf den Punkt gebracht und zur Suche nach Ideen und Lösungsvorschlägen eingeladen: 

  • „Habt ihr eine Idee?“
  • „Was könnte da helfen?
  • „Wie können wir dieses Problem lösen?“
     

Geben Sie ein paar Minuten stille Zeit zum Nachdenken oder im leisen Austausch zu zweit.

3. Ideen sammeln – Brainstorming

Zunächst werden die Lösungsvorschläge nur gesammelt, weder kommentiert noch bewertet. Alle möglichen und „unmöglichen“ Ideen dürfen Platz haben und es darf auch Spaß machen, der Fantasie freien Lauf zu lassen.

Bemerkungen wie „So ein Blödsinn!“ oder „Das geht nicht, weil…“ blockieren, verderben den Spaß an der Sache und wirkend demotivierend.

Weiters besteht die Gefahr, dass die größeren und redegewandteren Familienmitglieder als erstes ihre Vorschläge deponieren und allein dadurch schon die Richtung vorgeben. Die anderen verlieren womöglich das Interesse, wenn alles schon gesagt wurde. Deshalb könnte man dazu einladen, zunächst einmal still darüber nachzudenken, vielleicht auch persönliche Notizen zu machen und dann erst mit dem Sammeln zu beginnen. Jeder sagt nur eine Idee, dann kommt der nächste dran. Es kann mehrere Runden geben, bis alle Ideen genannt wurden. Wenn sich Lösungsvorschläge wiederholen, dann macht man nur einen Strich dazu.

Um abzukürzen: „Hat jemand eine Idee, die noch nicht genannt wurde?“

Wiederholen und Nachfragen kann helfen, die Sache auf den Punkt zu bringen und Missverständnisse zu vermeiden. Wenn diese Ideen schriftlich festgehalten und wiederholt werden, dann ist auch darauf zu achten, dass die Formulierung passt und dass das Familienmitglied, von dem die Idee kommt, damit zufrieden ist.

Jeder Beitrag gehört gewürdigt.

Ich erinnere mich an eine Familienkonferenz, bei der es um die familiären Anschaffungen bei knappem Budget ging. Klein Rudis Vorschlag: „Mama, sag’s einfach dem Christkind!“

4. Lösungsvorschläge bewerten

„Was spricht dafür, was spricht dagegen?“

Erst in dieser Phase werden die Ideen bewertet, auf ihre Brauchbarkeit, auf Vor- und Nachteile geprüft. Zwei Methoden führen zum Ziel:

Eliminieren, Ausscheiden

Man streicht alle Ideen, die nicht taugen, bis nur noch eine übrig bleibt. Allerdings besteht hier die Gefahr, dass man in Negativität und Streit abgleitet und sich die Spender der „unbrauchbaren“ Ideen frustriert fühlen. Emotionale Gekränktheiten sollte man keinesfalls übergehen und auf alle Fälle den Einsatz würdigen.

Die besten Vorschläge prüfen

Man einigt sich auf die zwei oder drei besten Ideen und diskutiert nur über diese.

Diese Methode hat den Vorteil, dass man über die untauglichen Ideen erst gar nicht lang zu reden braucht. Somit fühlt sich keiner frustriert. Auch hilft es, Zeit und Energie zu sparen.

5. Sich gemeinsam auf eine Lösung einigen

Auch das fällt nicht immer leicht, weil unterschiedliche Familienmitglieder unterschiedliche Interessen haben. Um zum Ziel zu kommen, wird es häufig notwendig sein, nach den dahinterliegenden Bedürfnissen oder Befürchtungen zu fragen, Kompromisse zu suchen und darüber zu verhandeln.

Manchmal stellt man fest, dass es noch an Informationen fehlt, um eine Entscheidung zu treffen. Dann muss diese vertagt werden. Das hilft auch dann, wenn die Familie ein „time-out“, also eine Nachdenkpause braucht, weil die Debatte zu hitzig wurde und die Vorstellungen noch zu weit auseinander liegen.

6. Die Planung der Umsetzung – Wer macht was?

Die beste Lösung taugt nicht, wenn sie so allgemein formuliert wurde, dass sich womöglich keiner dafür zuständig fühlt. Deshalb muss sie ganz konkret und praktisch ausformuliert werden. Wenn es beispielsweise um neue Regeln und Tagesabläufe geht, so muss klar sein, wer, was, wann und mit wem macht und wer auf die Einhaltung achtet.

7. Konsequenzen vereinbaren

Was passiert, wenn die Vereinbarungen nicht eingehalten werden? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Man mag einwenden, dass diese Frage als Misstrauensvotum verstanden werden könnte, aber es kommt darauf an, wie man es darstellt. Wenn klar ist, wer auf die Einhaltung achtet und man sich gleich zu Beginn, noch voller positiver Energien, auf die Konsequenzen bei Nichteinhaltung einigt, dann erspart man sich hinterher Diskussionen, die erst recht wieder zum Streit führen. Konsequenzen sollten Kindern ein vertrautes Erziehungsmittel sein, weil man einander ernst nimmt. Selbstverständlich sollten auch Eltern bereit sein, Konsequenzen zu tragen. Das unterstreicht die Paktfähigkeit beider Seiten und die Eltern gehen mit gutem Beispiel voran.

8. Probezeit einplanen

Bei Lösungen, die längere Zeit gelten sollen, kann es sinnvoll sein, die gefundene Lösung über einen vereinbarten Zeitraum zu testen. Denn oft zeigt sich erst in der Praxis, ob die Lösung wirklich praktikabel und optimal ist. Wenn sich ein Familienmitglied unwohl oder benachteiligt fühlt, sollte es die Möglichkeit geben, nachzuverhandeln. Dann wird die Vereinbarung entsprechend angepasst oder bestätigt.

Sie gilt so lange, bis neu verhandelt wird, weil die Kinder größer geworden sind oder sich die Umstände geändert haben.

9.  Die Lösung feiern – Engagement oder Verzicht würdigen

Weil nichts selbstverständlich ist und gerade eine Familienkonferenz sehr viel positive Kraft und Motivation ins Familienleben bringen und die Entwicklung der Kinder nachhaltig begünstigen kann, sollten die kleinen Errungenschaften im Familienleben angemessen gefeiert werden. Das muss nichts Großartiges sein, vielleicht verkünden die Eltern bloß beim Abendessen: „Wir gratulieren einander zur gefundenen Lösung! Prost!“ oder „Danke, dass ihr eure Ideen eingebracht habt und bereit wart, so lange zu verhandeln!“ Nehmen wir es nicht als selbstverständlich, wenn Kinder bereit sind, sich für etwas zu engagieren oder auf etwas zu verzichten. Es bedarf der elterlichen Anerkennung, damit diese Tugenden nachhaltig den Charakter des Kindes positiv formen können.

Läuft die Zeit aus?

Halten Sie fest, was erledigt wurde und welche Punkte auf das nächste Mal verschoben werden können. Oder fragen Sie, ob alle einverstanden sind, wenn die Zeit überschritten wird. Dann bedanken Sie sich und die Sitzung ist beendet.

Schöner Ausklang für die Familienkonferenz

Ideal ist es, wenn sich die Eltern nach solchen Gesprächen auch noch Zeit nehmen, mit den Kindern zu spielen, etwas Schönes mit ihnen zu unternehmen, die nächste Mahlzeit vorzubereiten und einzunehmen oder einfach nur mit einem schönen Gute-Nacht-Ritual zu beenden.  Die Kinder fühlen sich wichtig, sicher und geborgen, die Eltern haben Freude mit ihren Kindern, die sich gut und „pflegeleicht“ entwickeln werden.

Das Familienleben bekommt durch solch regelmäßige Gespräche die Kraft, die wir uns alle wünschen, damit Familie ein Ort der Geborgenheit zum Entspannen und Auftanken wird.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Maria Neuberger-Schmidt

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