„Die Mutter hat immer recht!“

Dieser Satz eines Arztes hat mich in den letzten Jahre stets begleitet, mich oft motiviert und angetrieben. Dem gegenüber standen Sätze, wie: „Das wächst sich schon aus!“, „Das ist halt Folge dieser (schlechten) Erziehung heutzutage.“ oder „Mittlerweile muss ja jeder irgendetwas haben!“

Darf ich vorstellen: Ich bin eine dieser Mütter, die jahrelang mit ihrem Kind zu diversen Ärzt*innen und Therapeut*innen gegangen ist - und von ihrem Umfeld dafür teilweise belächelt wurde. Fast fünf Jahre lang hat mich das Gefühl nicht los gelassen, dass die kleinen Beschwerden meines Kindes gepaart mit seinen Frustrationen, eine medizinische Abklärung brauchen.

Mein Kind war regelmäßig unglücklich und vom Alltag völlig erschöpft.

Eine Ursache dafür zu haben, war wichtig für uns. Fünf Jahre lang haben wir immer wieder Puzzleteile gefunden, doch eine vollständige Erklärung blieb aus. Bis vor kurzem. Endlich hat sich nun in meinem Kopf alles zusammengefügt und ich spüre, dass unsere Suche ein Ende hat.

Mit diesem Beitrag möchte ich Eltern ermutigen, ihrem Gefühl zu trauen und sich nicht entmutigen zu lassen!

Professionisten wissen nicht alles besser Ich habe etwas länger gebraucht, um in einem Beruf, der zu meinem Wesen und meinem Alltag passt, anzukommen. Obwohl ich nicht mehr im pädagogischen Bereich arbeite und auch mein Studium im medizinischen Bereich nicht lange zu meinem Job gemacht habe, bin ich sehr froh, dass ich in diesen beiden Gebieten eine gewisse Grundbildung und -erfahrung habe.

Denn dadurch weiß ich mit Sicherheit: Der Mensch ist in seiner Physiologie und seiner Entwicklung so komplex, dass auch eine Fachperson kaum alle möglichen Facetten des Mensch-seins komplett erfassen, verstehen und (er)kennen kann.

Nur weil ein Lehrer, eine Ärztin oder ein Therapeut nichts feststellen kann, heißt das noch nicht unbedingt, dass es tatsächlich kein Problem gibt. Vielleicht heißt es auch nur, dass man einfach noch nicht an die Person geraten ist, die einem aufgrund ihres spezifischen Wissens und ihrer Erfahrung weiterhelfen kann.

Zurück zum Zitat im Titel

Als ich noch als Pädagogin gearbeitet habe, musste ich regelmäßig Erste-Hilfe-Kurse für Kinder besuchen (große Empfehlung dafür by the way!). Einmal hielt ein junger Arzt und Sanitäter diesen Kurs. Er war unheimlich engagiert und ich habe viel gelernt - und mir auch viel bis heute gemerkt. Unter anderem diesen Satz:

„Die Mutter hat immer recht!“

Der Arzt erzählte, dass er das Bauchgefühl einer Mutter immer ernst nimmt. Auch wenn das Kind einen absolut gesunden Eindruck macht, würde er weitersuchen, wenn die Mutter ein schlechtes Gefühl habe. Und bis dahin hatte er dann auch immer etwas gefunden.

Jetzt weiß ich natürlich nicht, wie oft das vorgekommen ist. Aber ich weiß, dass diese Satz zeitweise meine einzige Bestärkung war, wenn ich mit meinem vermeintlich gesunden Kind auf Ursachensuche war. Ich möchte Vätern ihr Bauchgefühl nicht aberkennen, ich gebe hier nur mein Erlebnis wieder.

Fakt ist: In den meisten Fällen kennt niemand ein Kind und seine Geschichte so lange und detailliert, wie seine Eltern. Und deshalb haben Sorgen der Eltern auf jeden Fall Bedeutung.

Muss man denn allem auf den Grund gehen?

Kein Mensch ist wie der andere. Diese Vielfalt sehe ich persönlich als große Bereicherung. Mit anderen Worten: Nicht jede Andersartigkeit ist krankhaft und gehört behandelt. Es ist aber leider auch so, dass man sich in unserer leistungsorientierten Gesellschaft schnell unzureichend fühlen kann, selbst wenn man „nur“ hochsensibel ist und daher öfter Pausen braucht. Es wäre schön, wenn einfach jeder Mensch uneingeschränkt so angenommen und akzeptiert werden würde, wie er ist. Das ist gar nicht so einfach und fällt vielen Menschen leichter, wenn sie eine Diagnose oder Ursache kennen.

Für mich persönlich gibt es drei Aspekte, über die ich nachdenke, wenn ich einen weiteren Besuch bei Ärzt*innen / Therapeut*innen oder auch den Start einer Therapie in Erwägung ziehe:

  1. Gibt es einen Leidensdruck? Leidet mein Kind oder seine Umgebung durch ein gewisses Verhalten? Oder ist es halt ungewöhnlich, aber für niemanden unangenehm?
  2. Habe ich das Gefühl, dass mein Kind sein volles Potential an Fähigkeiten und Interessen ausleben kann oder beschränkt ihn seine „Andersartigkeit“, bzw. das Kompensieren derselben, darin?
  3. Kann mein Kind JETZT GERADE von potentiellen neuen Erkenntnissen oder einer Therapie profitieren oder ist es im Moment zu viel? Fühlt sich das Kind gerade nur noch auf seine „Andersartigkeit“ beschränkt oder braucht es vielleicht noch Zeit, um eine andere Erkenntnis, bzw. Therapie „sacken“ und wirken zu lassen?

 

Dazu muss man leider auch noch die Alltagsmöglichkeiten hinsichtlich der Geld-, Zeit-, aber auch Energieressourcen bei einer Entscheidung berücksichtigen. Es gab immer wieder Zeiten in den letzen Jahren, wo ich von selbst aus - und für mich selbst - die Suche nach Ursachen und Therapiemöglichkeiten für ein paar Monate pausiert habe, weil ich gemerkt habe, dass ich emotional gerade nicht stark genug dafür war, bzw. meine Energie für anderes, wie meinen Beruf, benötigt habe.

Ein Problem ist nie zu klein, um an einer Verbesserung zu arbeiten Sowohl bei meinen eigenen Kindern, als auch bei Kindern, die ich als Pädagogin betreut habe, konnte ich immer wieder sehen, dass schon Kleinigkeiten große Verbesserungen bringen können. Solche Kleinigkeiten können z.B. schützende Kopfhörer im lauten Klassenraum oder ein gedämpftes Licht beim Lesen sein. Manchmal braucht es natürlich auch deutlich mehr. Vor allem braucht es aber das nötige Wissen! Und dafür lohnt es sich meiner Meinung nach allemal, sein Kind immer besser verstehen zu wollen und sich dafür auch immer wieder fachlichen Rat zu holen.

Hauptsache glücklich!

Ich bin jedenfalls überglücklich, mein Kind endlich richtig dabei unterstützen zu können, viel mehr Leichtigkeit in seinen Alltag und damit Zeit- und Energieressourcen für seine persönlichen Stärken und Interessen zu bekommen. Ich habe wohl nicht ohne Grund schon auf jedes „Hauptsache gesund!“ in der Schwangerschaft und nach der Geburt mit „Hauptsache glücklich!“ geantwortet.


Der Beitrag entstand in Kooperation mit Familien WIP

Ähnliche Artikel

Ein Artikel von

Weitere Artikel des Autors lesen