Die Ehe, ein eigenartiger Vertrag

Die Ehe wird in juristischen Lehrbüchern als Vertrag „sui generis“, also der eigenen Art beschrieben, was bedeutet dies?

Laut Lehrbuch ist also die Ehe ein „eigenartiger“ Vertrag, einer der „eigenen Art“. Kein normaler Schenkungs-, Kauf-, Miet-, Pacht-whatsoever-Vertrag sondern einer, der sich der üblichen Kategorisierung entzieht.

Die Ehe ist als Vertrag eine Vereinbarung, welche ein dermaßen umfassendes Gebiet umschließt, dass eine jede Schubladisiderung aufgrund schuldrechtlicher, sachenrechtlicher, vermögensrechtlicher oder auch personenrechtsbezogener Aspekte zu kurz greifen würde.

Warum ist die Ehe ein besonderer Vertrag?

Einige Beispiele: Die Ehe begründet eine wechselseitige Verpflichtung zur Treue, greift also in den wirklich höchst-persönlichen Bereich der Sexualität ein. Auch entsteht durch die Trauung eine schuldrechtliche Verbindung zwischen den Ehegatten, genannt Unterhaltspflicht. Diese besteht ex lege, also aufgrund des Gesetzes und kann einvernehmlich maximal abgeändert, nicht jedoch grundsätzlich verneint werden.

Sachenrechtlich hat die Eheschließung beispielsweise Auswirkungen auf das allfällige Eigentum an der Ehewohnung. So ist der Eigentümer in seiner Verfügungsgewalt dahingehend beschränkt, dass er nicht mehr völlig frei über die Wohnung verfügen kann, sondern auf das Wohnbedürfnis des Ehepartners Rücksicht zu nehmen hat.

In vermögensrechtlicher Hinsicht besteht zwar zwischen den Ehegatten weiterhin grundsätzlich der Vermögensstand der Gütertrennung, doch auch hier besteht die sogenannte Zugewinngemeinschaft. So bleibt zwar das Geld, welches verdient wurde grundsätzlich bei jenem Partner der dafür gearbeitet hat (und begründet den Unterhaltsanspruch des anderen Ehegatten), ebenso wie auch beispielsweise in die Ehe eingebrachte Güter im Eigentum dessen verbleiben, der sie eingebracht hat. Die durch diese Vermögenswerte lukrierten Zinsen jedoch binden die sogenannte Zugewinngemeinschaft und stehen wiederum grundsätzlich beiden Ehegatten gemeinsam zu.

Ein Beispiel: Die Frau brachte in die Ehe ein Zinshaus ein, um welches sich eine Hausverwaltung kümmert und der Mann nun gelegentlich durch Beratung oder auch tatkräftige Hilfe bei der Verwaltung einbringt. Das Eigentum am Haus verbleibt ausschließlich der Frau, auch fließen die Zinsen vorerst auf das Konto der Frau und bilden als Einkommen einerseits einen Teil des Familieneinkommens, andererseits aber auch einen Teil der Berechnungsgrundlage für den allfälligen Unterhaltsanspruch des Ehegatten (oder sind bei einem entsprechenden Einkommen des Mannes auf den Unterhaltsanspruch der Frau anzurechnen). Im Falle einer strittigen Vermögensaufteilung nach einer ebenso strittigen Scheidung wiederum wäre das Eigentum am Haus weiterhin fraglos der Frau zuzuordnen. Die Zinsen jedoch bilden im Rahmen der Zugewinngemeinschaft einen Teil des ehelichen Ersparten und sind somit zwischen den Partnern aufzuteilen (Um hier Probleme hinsichtlich der Zuordnung der aus der Vermietung lukrierten Zinsen zu vermeiden, zahlt sich grundsätzlich die Überlegung bezüglich eines Ehevertrages aus. In diesem kann die Zuordnung klar geregelt werden).

Ehevertrag: Nicht alles kann vereinbart werden

Es gibt so viel über die unterschiedlichen Aspekte der Ehe zu sagen, natürlich kann einvernehmlich so ziemlich alles vereinbart werden, nur die Treuepflicht, die Beistandspflicht und der grundsätzliche Anspruch auf Unterhalt bleiben hier ausgenommen. So kann beispielsweise vorübergehend oder auch endgültig ein getrennter Wohnsitz vereinbart werden, kann festgehalten werden, wie der Kontakt zu den Kindern, ja sogar zueinander gestaltet werden soll.

Alles ist möglich und doch wird so selten von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Lieber versucht man sich im Einheitstrott, der schon andere vom Traualtar in die Krise geführt hat. Dabei ist es einfach. So wie der Leben als Single nur geringe gesetzliche Grenzen hat, so stellt das Eherecht auch nur den äußersten Rahmen der Möglichkeiten dar, in welchen sich die Ehegatten völlig frei bewegen können. Rechtliche Kenntnis der Varianten kann helfen, diese Gestaltungsvarianten auch wahrzunehmen. Denn so wie auch in anderen Rechtsmaterien des Zivilrechts stellt die Privatautonomie den freien Gestaltungswillen der Parteien an oberste Stelle.

Verträge haben einen schalen Beigeschmack, lassen an Amtsstuben und Gerichte denken. Und doch bieten sie einen immensen Gestaltungsspielraum, der im Endeffekt Sicherheit schafft. Pacta sunt servanda, Verträge sind einzuhalten. Ja, aber dazu müssen sie erst wohlüberlegt geschlossen werden. Und zur Vorbereitung gibt es die Beratungsstellen und Mediatoren.

Siehe auch Ulrich Wanderers Buch „Mediation ist Do it Yourself“

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